Kathrin Zöchmann: „Die Impfung ist wirksam“

Erstellt am 08. September 2021 | 06:13
Lesezeit: 6 Min
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Kathrin Zöchmann
Oberärztin Kathrin Zöchmann.
Foto: LK-Amstetten
Stellvertretende ärztliche Leiterin des Landesklinikums Amstetten, Dr. Kathrin Zöchmann, über die Corona-Pandemie.
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NÖN: Wie ist derzeit bezüglich Coronavirus die Lage im Landesklinikum Amstetten.
Kathrin Zöchmann:
Wir beobachten wieder eine steigende Tendenz an Corona-Patienten, die eine stationäre Behandlung im Klinikum brauchen. Alle Patienten, die momentan auf der Intensivstation behandelt werden, sind ungeimpft. Wir befinden uns am Beginn einer vierten Welle und rechnen mit einem Anstieg an Corona-Patienten, auf den wir uns intensiv vorbereiten.

Die Impfbereitschaft lässt nach. Noch immer kursieren bezüglich Impfung viele Fehlinformationen in der Bevölkerung. Warum haben Sie sich selbst impfen lassen?
Zöchmann:
Der Impfstoff ist zu Beginn des Jahres bereits sehnlichst von vielen erwartet worden. Nachdem zu diesem Zeitpunkt bereits viele Monate des Lebens und Arbeitens mit dem Virus hinter uns lagen, war die Erleichterung groß, dass es nun mit den ersten Impfstoffen einen wirksamen Schutz für uns und unsere Patienten im Klinikum gab. Mich selbst impfen zu lassen, war selbstverständlich. Ich möchte meine Patienten, meine Mitarbeiter, meine Familie und Freunde und nicht zuletzt mich selbst schützen – und die Impfung stellt hier die effektivste und einzige Maßnahme dar. Ich sehe als Ärztin für mich die ethische Verpflichtung, mich impfen zu lassen, da ich ja Verantwortung für die Gesundheit meiner Patienten übernehme. Die schlimmste Vorstellung für mich wäre, meinen Patienten durch die Übertragung einer Corona-Infektion aktiv zu schaden.

Ist die Impfung aus Ihrer Sicht die einzige Möglichkeit, um die Pandemie einzudämmen.
Zöchmann:
Mit Sicherheit – die Alternative wäre ein dauerhafter Lock-down. Wir müssen uns bewusst sein, dass das Virus besonders in der neuen Variante sehr ansteckend ist und bereits kurze Sozialkontakte zu einer Übertragung führen können. Wenn wir Sozialkontakte wollen – und die halte ich für die seelische Gesundheit für unumgänglich – müssen wir uns impfen lassen. Viele Impfskeptiker warten auf wirksame Medikamente gegen das Coronavirus. Bisher ist nicht absehbar, dass diese in näherer Zukunft zur Verfügung stehen werden.

Warum infizieren sich auch geimpfte Personen und macht die Impfung angesichts dessen überhaupt Sinn?
Zöchmann:
Die Impfung zeigt eine ausgezeichnete Wirksamkeit. Kommt es trotz Impfung zu einer Infektion, verläuft diese in der Regel deutlich milder. Natürlich ist es möglich, dass sich gewisse Menschen – zum Beispiel mit einer Immunschwäche – trotz Impfung infizieren. Genau diese Personen brauchen besonders unsere Solidarität. Nur wenn sich genügend Menschen impfen lassen, sind auch diejenigen geschützt, die aus diversen medizinischen Gründen keine ausreichende Immunabwehr aufbauen können.

Warum muss man sich nach sechs Monaten (Astra Zeneca) oder neun Monaten schon wieder impfen lassen? Und wird man künftig jedes Jahr einen Stich brauchen?
Zöchmann:
Die Zulassungsstudien der Impfstoffe laufen kontinuierlich weiter. Aus diesen Studien wissen wir, dass der Impfschutz nach einiger Zeit wieder nachlassen kann und eine Auffrischungsimpfung sinnvoll ist. Experten gehen davon aus, dass die Impfstoffe in Zukunft an neue Varianten angepasst werden müssen und regelmäßige Impfungen notwendig sind, um einen Impfschutz aufrecht zu erhalten. In welchen Zeitabständen das der Fall ist, lässt sich derzeit noch nicht beantworten. Jetzt ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen einen ausreichenden Schutz vor einer Infektion haben, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen.

Jüngere gesunde Personen schätzen die Gefahr, schwer an Covid-19 zu erkranken, oft gering ein. Ist das eine trügerische Sicherheit?
Zöchmann:
Bisher ist es nicht gelungen, den Verlauf einer Infektion vorherzusagen. Manche Patienten haben sehr milde Verläufe und erholen sich rasch, andere merken eine Infektion gar nicht. Trotzdem gibt es immer wieder auch junge Menschen, die sehr schwer an einer Corona-Infektion erkranken. Wir haben im Landesklinikum Amstetten auf der Intensivstation auch Patienten betreut, die nicht einer speziellen Risikogruppe angehören, und mussten dennoch um deren Leben kämpfen. Das jugendliche Alter alleine schützt nicht vor einem schweren Verlauf. Außerdem gilt es, auch die möglichen Langzeitfolgen einer Infektion zu bedenken. Ich kenne junge Sportler, die monatelang nach einer Corona-Infektion immer noch unter Atemnot und einer verminderten Leistungsfähigkeit leiden.

Es gibt Menschen, die befürchten, dass einige Zeit nach einer Corona-Impfung ihr Immunsystem völlig zusammenbrechen wird und es für sie somit verheerende Langzeitfolgen gäbe.
Zöchmann:
Jede Impfung – so wie auch jedes Medikament – kann Nebenwirkungen haben. Als Ärzte verschreiben wir Medikamente, weil der Nutzen weit größer ist als das Risiko. Genauso ist das mit Impfstoffen. Hierfür gibt es eine klare wissenschaftliche Grundlage. Die meisten Nebenwirkungen treten unmittelbar nach der Impfung auf, sehr seltene Autoimmunreaktionen können bis zu einigen Wochen nach Impfungen auftreten. Verheerende Langzeitfolgen halte ich persönlich für äußerst unwahrscheinlich. Nach einer Corona-Infektion kann es im Gegensatz dazu sehr wohl zu Langzeitfolgen, beispielsweise dauerhaften Lungenschäden kommen.

Immer wieder hört man auch die Befürchtung, der RNA-Impfstoff könnte zu Unfruchtbarkeit führen.
Zöchmann:
Hierfür gibt es keinerlei wissenschaftliche Anhaltspunkte. Gerade wenn ein Kinderwunsch besteht, sollte man sich impfen lassen, um schwere Komplikationen in der Schwangerschaft oder eine Gefährdung des Neugeborenen zu vermeiden.

Das Virus mutiert ständig. Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass sich eine Variante entwickelt, gegen die die vorliegenden Impfstoffe nicht helfen?
Zöchmann:
Das ist möglich, jedoch steht die Forschung nicht still und die Impfstoffe werden in Zukunft rasch an neue Varianten angepasst werden.

Sollte es aus Ihrer Sicht eine Impfpflicht geben?
Zöchmann:
In besonders sensiblen Bereichen, wie etwa im Gesundheitswesen, sollte über eine Impfpflicht diskutiert werden. Ich bin überzeugt davon, dass Mitarbeiter in diesen Bereichen eine besondere Verantwortung tragen und sich daher auch impfen lassen sollten.

Die Politik wird ob ihrer derzeit abwartenden Position oft kritisiert. Wären aus Ihrer ärztlichen Sicht schärfere Maßnahmen notwendig, um die vierte Welle zu stoppen?
Zöchmann:
Es ist nicht einfach, den richtigen Zeitpunkt für eine Verschärfung der Maßnahmen zu finden, weil das immer auch immense wirtschaftliche Folgen hat. Wir haben zwar aus den bisherigen Wellen einen gewissen Erfahrungsschatz, der aber in der derzeitigen Situation nur begrenzt hilft. Es gibt eine neue Variante, von der besonders Ungeimpfte betroffen sind. Bisher konnte eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden und ich bin zuversichtlich, dass das auch in Zukunft gelingt, wenn sich genügend Menschen impfen lassen.

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