Droht ein Kollaps bei ärztlicher Versorgung?

Michaela Hinterholzer, ÖVP :„Prinzipiell ist die Besetzung von Kassenarztstellen Aufgabe der Österreichischen Gesundheitskasse und der Ärztekammer. Trotzdem setzt das Land NÖ selbst Maßnahmen, wie etwa die blau-gelbe Gesundheitsoffensive mit einem Pool von 4.004 Ärztinnen und Ärzten, um offene Allgemeinmediziner- und Facharztstellen zumindest zeitweise besetzen zu können und die Versorgung sicherzustellen. Seit 2022 vergibt das Land Landarztstipendien an Medizinstudenten. 2,5 Millionen Euro sind für 50 Studierende in den nächsten Jahren dafür vorgesehen. Sie verpflichten sich dazu, nach der Ausbildung in NÖ als Landarzt zu arbeiten. Obwohl es nicht ihre Aufgabe ist, nehmen auch mehrere Gemeinden Geld in die Hand, um Ordinationsräume für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen und ihnen den Start in die Selbstständigkeit zu erleichtern. Bundesweit gesehen müssen die derzeit 1.850 Medizinstudienplätze massiv aufgestockt werden. Zusätzlich sollen die Aufnahmetests an den Medizin-Unis anders gestaltet werden. Der soziale Aspekt muss aufgewertet werden.“
Kerstin Suchan-Mayr, SPÖ: „Derzeit kommen 1.950 Menschen im Bezirk auf einen Allgemeinmediziner, 11.676 Frauen auf eine Frauenärztin oder einen Frauenarzt und 3.089 Kinder und Jugendliche auf einen passenden Facharzt mit Kassenvertrag. Diese Verhältnisse passen nicht. Unser Ziel muss weiterhin eine solidarische Gesundheitsversorgung und Versorgungssicherheit sein – in unserem Bezirk sowie im gesamten Bundesland. Ich bin überzeugt davon, dass die E-Card wieder als ‚Zahlungsmittel‘ genügen muss und sich die Tür einer Praxis nicht erst nach Einstecken der Kreditkarte öffnen darf. Zudem benötigen wir auch einen Plan für die künftige medizinische Versorgung der Bevölkerung und müssen Aktionen auf Zuruf beenden. Dazu braucht es Studien, die den aktuellen und zukünftigen Bedarf erheben. Erst dann kann man eine sozial gerechte medizinische Versorgung der Menschen gewährleisten. Für die Zukunft brauchen wir auch eine Fachhochschule für Pflegeberufe in Mauer. Und zu guter Letzt hat die ältere Generation Anspruch auf eine wohnortnahe Ausgestaltung von Pflegeangeboten.“
Dominic Hörlezeder, Grüne: „Johanna Mikl-Leitner hat vor fünf Jahren eine Landarztgarantie abgegeben, zu sehen ist davon leider nichts. Dass es hinten und vorne an ärztlicher Grundversorgung fehlt, wurde mir in den Weihnachtsfeiertagen selbst drastisch vor Augen geführt. Nachdem ich selbst an einer Grippe laborierte, begann mein vier Monate alter Sohn stark zu husten. Da will man ausgeschlossen wissen, dass er sich ebenfalls die Grippe eingefangen hat. Wir versuchten vergebens, einen Kinderarzt zu finden, alle in der Umgebung waren über die Feiertage auf Urlaub. Einer aus dem Ybbstal ließ uns wissen, dass er nur Bestandskunden drannehme und ohnehin völlig ausgelastet sei. So blieb uns nur die Ambulanz des Landesklinikums Amstetten. Wir hatten Glück und mussten nicht lange warten, das war aber laut Auskunft der Ärztin die Ausnahme, weil die Ambulanzen aufgrund des Ärztemangels in den Praxen völlig überlastet seien. Das ist das Resultat der fehlgeleiteten Politik vergangener Jahrzehnte. Ärztinnen und Ärzte brauchen bessere Kassenverträge und es muss massiv in Primärversorgungszentren investiert werden, um das Angebot zu verbessern.“
Alexander Schnabel, FPÖ: „Es bedarf der Wiedereinführung eines Gemeindearztes in jeder einzelnen Gemeinde. Das würde auch die Vertretung bei Abwesenheit eines oder mehrerer Ärzte regional vereinfachen. Es kann jedoch nicht sein, dass mit massiven Förderungen aus Steuergeld den Kliniken die Ärzte abgeworben werden, um politische Prestigeobjekte durchzuboxen. Prinzipiell braucht es eine Attraktivierung des Arztberufs. Einem Jungarzt muss es zum Beispiel möglich sein, sein gewünschtes Fach zu bekommen. Auch die bürokratischen Hürden zur Gründung einer Ordination müssen verringert und die Landesgesundheitsagentur entbürokratisiert werden. Ein unumgänglicher Punkt ist die präventive Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema Gesundheit sowie Hilfe zur Selbsthilfe. Hier ist jede Gemeinde im Land gefordert.“
Daniel Gieber, NEOS: „Aus Sicht der NEOS muss die Politik die richtigen Rahmenbedingungen im niedergelassenen Bereich herstellen. Lösungsansätze für den von ÖVP-SPÖ-FPÖ-Landesregierung verursachten Ärztemangel gäbe es viele – von einer fairen Honorierung der ärztlichen Leistung bis hin zur Entlastung der Ärztinnen und Ärzte. Diese sind zunehmend mit einer bürokratischen Zettelwirtschaft konfrontiert und können daher immer weniger Zeit für die Patientinnen und Patienten aufbringen. Eine Gemeinde, in denen eine Planstelle ausgeschrieben ist, könnte auf bestimmte Abgaben verzichten. Auch günstigere oder kostenlose Ordinationsräume sind eine Möglichkeit. Im Fall der Kinderärzte gibt es außerdem besondere Anforderungen an die Ordinationsräume. Auch hier kann die regionale Politik unterstützen.“
Wolfgang Durst, Ziel: „Die Investitionen der Landesregierung dürften nicht den gewünschten Effekt haben, da es ständig zu Überlastungen und Personalmangel kommt. Im Gesundheitswesen müssen alle Bereiche regional abgedeckt und die Wege zur allgemeinen Versorgung kurz gehalten werden. Der Personalmangel wird eine große Herausforderung, die sich nicht nur durch finanzielle Anreize lösen lässt. Auch die Arbeitsbedingungen müssen attraktiver werden. Durch die Kassenzusammenlegung ist die Qualität der Gesundheitsleistungen nicht verbessert worden, daher wird es weitere Finanzaufwendungen brauchen. Gruppenpraxen könnten regional den Bedarf besser bewältigen, aber hier stellt sich die Personalfrage. Eine schnelle Reform wird diese Angelegenheit nicht lösen können. Warum sind zur Zeit so viele krank? Präventive Maßnahmen werden seitens der öffentlichen Hand nicht gerne angeboten. Medikamente hingegen sehr schnell.“
Michael Maderthaner, KPÖ: „Uns allen wird jetzt die Rechnung fürs Gesundsparen des Krankensystems präsentiert. Wir fordern gut bezahlte Stellen für Pflegerinnen und Pfleger genauso wie für Ärztinnen und Ärzte – vom niedergelassenen Arzt bis zum Spitalsbereich und zu Senioreneinrichtungen. Um Kassenarztpraxen wieder attraktiv zu machen, müssen Leistungen angemessen honoriert und kreative Lösungen für Praxismodelle, die modernen Arbeitszeitbedürfnissen entsprechen, entwickelt werden. Als gelernter Österreicher vermute ich, dass es auch Bürokratie abzubauen gilt. Modelle, wie bei den Gemeinden angestellte Krankenschwestern, könnten zu Entlastungen für Praxen und Ambulanzen führen. Statt auf wenige Megakrankenhäuser zu setzen, muss die ärztliche Versorgung wieder zu den Menschen in die Regionen kommen.„