1.200 Jahre Artagrum

1.200 Jahre Artagrum. Am Freitag fanden um 19 Uhr im Landgasthof Kremslehner in Stephanshart die Buchvorstellung und ein Geschichtsvortrag „Unsere Heimat – von der Römerzeit bis heute“ von vier Mitgliedern des Geschichtskreises Ardagger statt.
Der Geschichtskreis Ardagger wurde vor vier Jahren gegründet. Die Mitglieder haben gemeinsam mit Heimo Cerny nachgeforscht und viele spannende und interessante Informationen über Ardagger ausfindig gemacht, denn der Ort feiert 2023 ein Jubiläum. Am 28. Juni 823 wurde Ardagger zum ersten Mal schriftlich mit der Namensbezeichnung „Artagrum“ erwähnt.
Von der Römischen Antike
Harald Lehenbauer berichtet zu Beginn des Vortrags über die römische Antike im Raum Ardagger. Dazu betont er die strategisch wichtige Position von Ardagger zwischen dem Kastell Wallsee und Ybbs an der Donau. Die Funde von „starken Rammpfählen mit Eisenringen“ deuten darauf hin, dass Ardagger damals als Anlegestelle und Hafengebiet genutzt wurde. Zur Zeit der Kreuzzüge waren die Gefahren des Strudengaus schon bekannt. Aus diesem Grund gab es als letzte Raststelle vor dem Strudengau Anlandestellen in Ardagger, einige davon in Stephanshart. Zum anderen gab es in Ardagger Markt die Möglichkeit, auf dem Landweg dem sehr gefürchteten und gefährlichen Struden der Donau auszuweichen. Hier begann eine Straße, die über Viehdorf Richtung Ybbs führte.
Lehenbauer hat sich in den letzten Jahren vor allem auf Wachtürme spezialisiert. Für die Grenzkontrolle und für die Verteidigung an strategischen Punkten, wie im Bereich der „Eisern Birn“, könnten hier im Mittelalter Wachtürme gestanden haben. Luftaufnahmen rund um das Gebiet von Sommerau und römische Funde bei Grabungen im Jahr 1992 deuten auf eine Burganlage und einen Burggraben im Mittelalter hin. Zudem erklärt er die Berechnung der Sichtverbindung zwischen den Wachtürmen und widerlegt somit die Annahme, dass bei der Kirche Ardagger ein Wachturm gestanden habe. Eine späte Besiedlung ist durch zahlreiche Funde wie Münzen und Bronze belegt. Er erwähnt die Bedeutung von Ardagger als Teil des Donaulimes, vor dem schwer passierbaren Engtal des Strudengaus, sowie als bedeutendes politisches und wirtschaftliches Zentrum an der Nordgrenze des Römischen Reichs. Diese ideale Lage war im Mittelalter für Militärstützpunkte hervorragend und zog viele Händler und Handwerker an.
Über die Jubiläumsurkunde
Im Jahr 823 wird in einer Urkunde des Königs Ludwig des Frommen ein Sohn von Karl des Großen, Artagrum, zum ersten Mal erwähnt. Die Schenkung und die dazugehörige Schenkungsurkunde des Karolingerkönigs Ludwig des Frommen erfolgte an den Bischof von Passau, den Grundherrn. Es handelt sich dabei – neben Aschbach, Erla und Wolfsbach – um die älteste urkundlich nachweisbare Ortsnennung im Bezirk Amstetten. Was die Bedeutung von Artagrum betrifft, bietet laut Nachforschungen durch Heimo Cerny das historische Ortsnamenbuch von Niederösterreich folgende Erklärung: „Gelände, auf dem Acker- bzw. Weinbau betrieben wird“, und laut Bayrischem Wörterbuch ist unter Artacker ein Pflugfeld zu verstehen. Das Besondere ist nicht nur die namentliche Nennung von Ardagger, sondern auch die Erwähnung zweier Kirchen (duas basilicas). „Die Örtlichkeit der Gebetsstätten kann nur vermutet werden, da die ländlichen Kirchen oft aus Holz erbaut wurden und einem Brand zum Opfer fielen“, sagt Geschichtskreisleiter Rudolf Enengel. 823 war somit auch das Jahr der Kirchengründung, die Markierung des Übergangs vom germanischen Heidentum zum Christentum. Es entstanden die Organisationsstrukturen der Pfarr- und Kirchengründer. Bauern siedelten sich an und verwandelten den Boden in gewinnbringendes Ackerland, mussten jedoch 10 % des Ertrags (Zehent), entsprechend der heutigen Kirchensteuer, an den Grundherrn, den Bischof von Passau, abliefern.
Bis hin zu den vier Kirchen der Katastralgemeinden
Erstmals wurde die Kirche in Ardagger Markt schon 823 erwähnt. Es wird vermutet, dass zur Römerzeit an dem Platz, an dem jetzt die Kirche steht, früher eine Warte platziert war. Aus der romanischen Zeit sind noch einige Bauteile erhalten geblieben – wie z. B. die Kreuzrippengewölbe. Die Pfarrkirche Ardagger Markt ist dem heiligen Nikolaus, dem Schutzpatron der Wege zu Wasser und der Schifffahrt geweiht. 1049 wurde das Gut Ardagger Stift mit dem Auftrag, eine geistliche Gemeinschaft zu Ehren der Heiligen Margareta zu errichten, betraut. So wurde eine dreischiffige Pfeilerbasilika errichtet. Zwischen 1225 und 1236 wurde eine neue, größere Kirche durch Probst Heinrich I. erbaut. Die Grundmauern entsprechen der heutigen Form des Stifts Ardagger. Probst Heinrich I. hat sich mit dem Margaretenfenster ein bleibendes Denkmal gesetzt. Im Jahr 1529 wurde die Kirche von den Türken geplündert und in Brand gesetzt. Sie lag dann fast 40 Jahre lang in Trümmern. 1567 wurde sie durch Probst Grübler wieder aufgebaut. Auch die Kirche in Kollmitzberg war einst eine Wehrkirche. Ihr Turm hat 2 Meter dicke Mauern. Die Kirche am Kollmitzberg wurde um das Jahr 1260 erstmals genannt. Diese gotische Wallfahrtskirche ist der heiligen Ottilia geweiht, von der auch eine Statue aus dem Jahr 1500 bewundert werden kann. Erst seit 1784 gilt Kollmitzberg als eine eigene Pfarre – vorher wurde sie von Ardagger Stift mitbetreut. Dem Ottilienwasser, welches mitten auf dem 469 Meter hohen Berg entspringt, wurde eine besonders heilende Wirkung zugeschrieben, die vor allem Augenleiden lindern soll. Stephanshart wird 1140 als „Steuenharte” erstmals erwähnt. Der Name bedeutet „Wald, der zum Stephansdom in Passau gehört“. 1497 wurde der Neubau einer Steinkirche, einer dreischiffigen Hallenkirche, vollendet. Nach jahrelangen vergeblichen Stabilisierungs- und Restaurierungsversuchen wegen Abrutschgefahr musste diese Kirche 1957 gesperrt und im Jahr 1962 gesprengt und abgetragen werden. Die neue Kirche wurde 1959 eingeweiht. Der im Osten vorgelagerte Turm mit Pyramidendach krönt den Haupteingang. Die künstlerische Einrichtung ist großteils aus der alten Kirche übernommen.
Weitere Termine: Vortrag „Der Strudengau in historischer Zeit“ von Harald Lehenbauer, am 19. April um 18:30 Uhr im Landgasthof Kremslehner in Stephanshart. Bischofsmesse mit Diözesan-Bischof Alois Schwarz im Rahmen der Feierlichkeiten „1.200 Jahre Artagrum", am Sonntag, 2. Juli, von 9:30 bis 10:30 Uhr in der Pfarrkirche Stephanshart.
Aus dem Jubiläumsanlass ist ein Bildband „Kunstjuwel Artagrum“ entstanden, den der Kulturverein KIMST‘A gemeinsam mit dem Geschichtskreis Ardagger erarbeitet hat. Auf 70 Seiten finden Sie darin viele geschichtliche Erklärungen und historische Informationen über die Besonderheiten der vier Pfarrkirchen der Marktgemeinde Ardagger sowie der Pfarrkirche Zeillern, welche zu dieser Zeit zum Pfarrverband Ardagger gehörte. Der Bildband ist am Gemeindeamt Ardagger zum Preis von 20 Euro erhältlich.