Als die Flut kam: Dramatische Stunden im Bezirk Amstetten im Juni 2013

Hält die Stütze oder nicht? In Wallsee lagen am Dienstag, 4. Juni 2013, die Nerven blank. Das Donauhochwasser drückte mit bis zu vier Tonnen pro Quadratmeter auf den Alu-Schutzwall, eine Stütze bog sich nach innen. Aber das war nicht der einzige Gefahrenherd. Das Fundament des Damms erwies sich als undicht und wurde vom Donauwasser unterschwemmt. Black-Hawk-Hubschrauber des Bundesheers lagerten aus der Luft Sand- und Schottersäcke mit einem Gewicht von 500 Kilogram bei der Spundwand ab, um diese einerseits zu stabilisieren und anderseits einen Gegendruck am durchweichten Fundament zu erzeugen. „Das möchte ich nicht noch einmal erleben“, sagt Bürgermeister Johann Bachinger, der in den ersten Junitagen damals wenig Schlaf fand – wie alle Feuerwehrleute und die sonstigen Einsatzkräfte.

Der Bereich am Damm war damals in Wallsee zum Sperrgebiet erklärt worden, denn wäre er gebrochen, hätten sich die Fluten wie ein Tsunami ins Innere ergossen. Das hielt allerdings damals Landeshauptmann Erwin Pröll und auch Vizekanzler Michael Spindelegger nicht davon ab, die Lage vor Ort zu inspizieren. Bachinger denkt mit Schaudern zurück. „Wir sind bis zur Wand gegangen, wenn die in diesem Augenblick gebrochen wäre ...“.
Dammsanierung kostete 580.000 Euro
Zum Glück kam Wallsee damals aber mit einem blauen Auge davon. Die notwendige Generalsanierung des Damms hat Gemeinde, Land und Bund 580.000 Euro gekostet und wurde 2015 abgeschlossen.„Wir haben seither natürlich unsere Hausaufgaben gemacht. Unsere Spezialisten bei der Feuerwehr sind gut vorbereitet und wissen genau, was zu tun ist, sollte es erneut zu einem Hochwasser kommen“, sagt der Ortschef. Alle fünf Jahre muss der mobile Damm probeweise aufgebaut werden, um zu sehen, ob er stabil ist und ob auch alle Dichtungen in Ordnung sind. „Heuer im Sommer ist es wieder so weit. Die Wände lagern in einer Halle unweit des Damms und wir haben eine asphaltierte Zufahrtsstraße bis zur Dammkrone angelegt, damit sie schnell an Ort und Stelle gebracht werden können“, berichtet Bachinger. Die Flut im Jahr 2013 war ein 300-jährliches Hochwasser und somit eines der höchsten der Geschichte. Der Donau-Pegel in Wallsee stieg sogar noch um 14 Zentimeter über die Marke von 2002.
Der Damm in Ardagger hielt mit Mühe

Fotos vom Hochwasser in der Germeinde Ardagger 2013
Als die Flut kam: Dramatische Stunden im Bezirk Amstetten im Juni 2013. Zum zehnten Mal jährt sich das 300-jährliche Donauhochwasser im Bezirk. Um ein Haar entgingen sowohl Wallsee als auch Ardagger einer großen Flutkatastrophe. Die Dämme hielten – gerade so. Die NÖN blickt zurück auf dramatische Tage.
In Ardagger glich der Markt einer Geisterstadt. Schon am Montagabend, 3. Juni 2013, waren alle Bewohnerinnen und Bewohner evakuiert worden. Sie hatten ihre Möbel, so weit es ging, in die oberen Etagen der Häuser gebracht. Nun warteten sie bei Bekannten oder Verwandten, ob der Damm halten würde. Die Behörde hatte die Ortschaft zum Sperrgebiet erklärt. Dienstagmittag war der Pegel der Donau schon über jenen des Jahrhunderthochwassers von 2002 geklettert. Aber Ardagger hatte seine Hausaufgaben gemacht. Der Erddamm war saniert und durch Betonwände um 90 Zentimeter erhöht worden. Entsprechend gelassen sah Bürgermeister Hannes Pressl die Lage: „Wir sind zuversichtlich, dass wir mit einem blauen Auge davonkommen.“
Im Gasthaus Schatzkastl stand der Keller allerdings zu zwei Dritteln unter Wasser – und auch die Anlagen des Freizeit- und Wassersportparadieses waren überflutet. Entwarnung konnte in Ardagger erst gegen Mittwochfrüh gegeben werden. Der Pegel der Donau sank – endlich! Der Damm hatte gehalten, war aber schwer in Mitleidenschaft gezogen. Allein bis zum Jahr 2015 wurden 1,4 Millionen Euro in Sanierungsmaßnahmen gesteckt.
Etwas weiter flussabwärts in der Rotte Felleismühle standen allerdings wieder einige Häuser unter Wasser. Der Schaden war enorm. Seitdem sind einige Betroffene ausgesiedelt. Insgesamt wurden in den letzten 45 Jahren in Ardagger 70 Anwesen ausgesiedelt.
„Nach dem Hochwasser 2013 waren auch die Schlammanlandungen in der Au gewaltig und wahrscheinlich überhaupt noch nie so groß gewesen. Alle Wege im Machland mussten erneuert werden und sogar Schubraupeneinsatz war erforderlich, um die damals ,mondlandschaftartigen' Schlammanlandungen wieder einzuebnen“, erinnert sich Bürgermeister Hannes Pressl.
Schutzmaßnahmen im Ardagger
Auch in Ardagger wurden seit dem Hochwasser 2013 weitere Maßnahmen gesetzt, um die Gemeinde vor den Donaufluten noch besser zu schützen.
- Der Damm in Ardagger Markt wurde innen verstärkt, weitere Dammdrainagen wurden errichtet, vier Entspannungsbrunnen hinter dem Schutzdamm wurden gebohrt und die gesamte Pumpenanlage und Steuerungstechnik am Hochwasserschutzdamm wurde seither erneuert. Ein eigenes Katastrophenschutzlager beherbergt seither auch die mobilen Teile des Hochwasserschutzes.
- Außen am Damm wurde vor einigen Jahren begonnen, große Mengen Material anzuschütten, um die Durchströmweite sukzessive zu "minimieren".
- Insgesamt vier Häuser wurden seit 2013 aus dem gesamten Donau-Überflutungsgebiet vollständig abgesiedelt
- Die Wege im Machland Süd wurden alle neu gemacht und auch einen Verbesserungen des Hochwasserabflusses nach Überflutungen wurde eingeleitet. Das waren vor allem Gerinneräumungen und Verrohrungen.
- Ein neues gerechteres System der Entschädigung für landwirtschaftliche Schäden wurde schließlich nach 2013 noch eingeführt. Seither unterstützt der Katastrophenfonds 50 Prozent der Versicherungsprämien, zahlt aber nicht mehr direkt bei Schadereignissen mit.
„Im Blick zurück möchte ich allen danken, die 2013 mitgeholfen haben, damit die große Katastrophe bewältigt werden konnte und vor allem jenen, die danach sofort wieder ans Werk gegangen sind und so viel für noch mehr Sicherheit getan haben!“, sagt Pressl.
Freyenstein wartet noch immer auf einen Schutzwall
In Neustadtl waren im Juni 2013 mehr als 20 Feuerwehren und 80 Soldaten des Bundesheers im Einsatz, um die Siedlung Freyenstein zu schützen. Mit 25.000 Sandsäcken und 50 Tauchpumpen konnte der Erddamm gehalten werden. Nach langem Tauziehen soll nun im Bereich Freyenstein uferbegleitend ein fixer und „tourismusverträglicher“ Wall in Form einer Betonwand errichtet werden. Die Studien dazu sind fertig. Da es aber noch zahlreicher Detailplanungen bedarf, wird die Umsetzung dieses Hochwasserschutzes voraussichtlich erst in den Jahren 2024 bis 2025 erfolgen.
In Strengberg wurde schon am Sonntagvormittag, 2. Juni 2013, Hochwasseralarm gegeben und die fünf bewohnten Objekte sowie die Au-Kapelle geräumt (48 Familien hatten sich ja schon nach dem Hochwasser 2002 zur Aussiedelung entschlossen, die dann 2015 erfolgte). Nicht zu früh. Denn am Nachmittag schwappte die Donau bereits über den Damm. Am Höhepunkt blieb die Flut jedoch deutlich unter der Katastrophen-Marke des Jahres 2002.
In St. Pantaleon-Erla bereitete man sich auf ein Hochwasser im Ausmaß von 2002 vor. Glücklicherweise erreichten die Pegelstände jedoch nicht das geschichtsträchtige Niveau und so kam es vorwiegend zu Kellerüberflutungen durch die Donau.
„Bangen und Hoffen“
Ein Blick zurück auf den Original-NÖN-Online-Bericht von den dramatischen Stunden in Wallsee und Ardagger vom 4. Juni 2013 (Autor Hermann Knapp)