Bezirk Amstetten/Ybbstal: Als die Schüsse fielen

Am 4. März 1933 nutzte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß eine Geschäftsordnungskrise im Nationalrat und schaltete das Parlament aus. Dies bildete den Auftakt für ein verschärftes Vorgehen der nunmehr autoritären Regierung gegen sozialdemokratische Organisationen. Am 15. März fielen in und um Waidhofen Schüsse zwischen Schutzbund (sozialdemokratisch) und Heimwehr (vor allem christlich-sozial). Dies nahm der Bezirkshauptmann von Amstetten, Alfred Kryza-Gersch, zum Anlass, den Schutzbund im Bezirk und in Waidhofen zu verbieten. Ende März folgte übrigens ein österreichweites Verbot.
Von Hausdurchsuchungen, um tatsächliche oder vermutete Waffenlager des Schutzbundes auszuheben, waren in der Region vor allem die sozialdemokratischen Hochburgen betroffen, beispielsweise Hausmening oder die Stadt Amstetten selbst. Höhe- und Endpunkt der Auseinandersetzungen bildete der Februar 1934, als es österreichweit immer öfter zu Kämpfen kam. Im Bezirk besonders rund um Böhlerwerk, während die Lage in Amstetten weitgehend ruhig blieb.
Amstettner Heimwehr kämpfte in Oberösterreich
Am 14. Februar wurde die Heimwehr zur Besetzung wichtiger Punkte im Ybbstal abkommandiert, bei der Rückfahrt wurde die Lastwagenkolonne bei Böhlerwerk aus dem Hinterhalt von einer Gruppe Schutzbündlern beschossen, es gab mehrere Verletzte.
Die folgende „Strafaktion“ führte zu Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Der Rest der Heimwehr übernahm, gemeinsam mit der Gendarmerie, Sicherungsaufgaben in der Stadt: Neuralgische Punkte wie Eisenbahnanlagen, die Kinderheimstätte der Sozialdemokraten am alten Eislaufplatz (heute Bereich Bezirkshauptmannschaft) und das Arbeiterheim an der Ardaggerstraße wurden besetzt.
Die sozialdemokratische Partei wurde am 12. Februar verboten. Nun wurden sukzessive Funktionäre der Partei und des Schutzbundes aus dem Bezirk in der Hauptschule Kirchenstraße interniert. Bis zu 160 Gefangene wurden im oberen Stockwerk der Schule zusammengepfercht.
24 Gefangene aus der Hauptschule Kirchenstraße brachte man im April in das Anhaltelager Wöllersdorf. Unter ihnen war der sozialdemokratische Gemeinderat Josef Hartinger, er notierte in sein Tagebuch unter dem 17. April: „Um 4 Uhr früh in der Bürgerschule geweckt und unter Gendarmeriebedeckung zum Bahnhof eskortiert [sic]. Alle waren niedergeschlagen, auch jene, die zurückblieben. Der Abschied war [sic] ziemlich erschütternd, mit Tränen in den Augen nahmen wir wortlos Abschied.“ Am 30. Juni 1934 wurde Hartinger entlassen, sein größter Wunsch: ein Gulasch und ein Krügel Bier.
Mit dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei erloschen auch die sozialdemokratischen Gemeinderatsmandate. Am 7. März 1934 wurden sämtliche Gemeindevertretungen aufgelöst, Bürgermeister Resch musste zurücktreten, an seine Stelle wurde der bisherige christlich-soziale Bürgermeister Hans Höller eingesetzt.