Gemeindebund-Präsident Pressl: „Gefühl der Freiheit liegt in der Luft“

NÖN: Wie wirkt sich die Öffnung auf das Gemeindegeschehen aus?
Hannes Pressl: Grundsätzlich sehr positiv. Es werden wieder Veranstaltungstermine fixiert, Feiern und Feste bei den Wirten werden geplant. Bis hin zur Schule oder dem Fußballplatz, wo man froh ist, wenn die Beschränkungen nicht mehr behindern. Überall liegt schon ein Gefühl von Freiheit und Befreitheit in der Luft. Vor allem dieses ständige nachdenken müssen, was man darf oder nicht, das ist mit der Öffnung weg!
Was hat sich in der Verwaltung in den vergangenen knapp zwei Jahren Pandemie geändert?
Pressl: Wir hatten in den Gemeindestuben unsere Türen ja nur in den anfänglichen strengen Lockdowns geschlossen und sonst vom Bauverfahren bis zum Sozialhilfeantrag oder persönlicher Bürgerinformation und Kinderbetreuung alle Gemeindeaufgaben vollumfänglich persönlich weitergeführt. Mit den Zusatzaufgaben, wie Teststraßen, Impfstraßen oder laufende Bevölkerungsinformation ist es dann richtig rund gegangen. Aber natürlich haben wir versucht, mit Digitalisierung einiges zu vereinfachen oder zu beschleunigen: Viele Sitzungen finden zwischenzeitlich online statt. Über 30 Prozent der Bürger haben mittlerweile die Handysignatur und können jetzt Amtswege auch schon von zu Hause aus machen. Aber die Amts-Digitalisierung ist erst am Anfang.
Wie sind die Gemeinden finanziell aufgestellt?
Pressl: Bis Jänner hat uns der Bund mit Vorschüssen und zwei großen Gemeindepaketen mit in Summe rund 1,8 Milliarden Euro österreichweit bei unseren Aufgaben unterstützt. Das war enorm und hat uns gut durch die Krise gebracht. Ab jetzt finanzieren wir uns wieder aus den uns zustehenden Einnahmen und die sprudeln, weil die Wirtschaft enorm wächst.
Was kann man als Gemeinde machen, um auf Spaltungs-Entwicklungen zu reagieren?
Pressl: Wir können nur versuchen, zu deeskalieren, Meinungsaustausch zu ermöglichen und Wertschätzung für alle Meinungen einzufordern. Es wird wichtig sein, Menschen wieder zueinander zu bringen und sie aus ihren „Meinungsblasen“, die da entstanden sind, herauszuholen. Feste, Zusammenkünfte, Unternehmungen und Projekte, wo man zusammenkommt und gemeinsame Ziele verfolgt: Die brauchen wir wieder. Das Besinnen auf eine gemeinsame Ortsidentität zum Beispiel.
Gibt es aus Ihrer Sicht langfristige Folgen von Corona?
Pressl: Corona war und ist für mich eine gesellschaftliche und wirtschaftliche „Disruption“, die enorm viel verändert hat und uns auch Fehlentwicklungen vor Augen geführt hat. Beispielsweise Lieferketten: Wir haben unsere Abhängigkeit von Fernost gesehen und brauchen wieder mehr Eigenversorgung in Europa bis hin zur örtlichen Kreislaufwirtschaft und „dörflichen Nahversorgung“. Oder Pflege, Kinderbetreuung und Gesundheit: Wir schätzen noch mehr, wie wichtig da engagierte, empathische, leidenschaftliche und einsatzfreudige Menschen sind. Beim Zusammenleben sehen wir, wie schnell auch in einer hochentwickelten Gesellschaft wie der unseren durch das Virus ein „Spaltpilz“ hineinkommen kann. Da müssen wir demokratiepolitisch unsere Lehren draus ziehen! Und dann gibt es natürlich viele sehr persönliche Veränderungen durch Corona: Menschen, die ihren Job wechseln und einen neuen Sinn suchen. Branchen, wo Unternehmen nicht mehr aufsperren oder ganz was anderes machen. Aber in jeder Krise steckt auch eine Chance.
Welche neuen Chancen sehen Sie?
Pressl: Es sind auch neue Ideen und Geschäftsmodelle entstanden: Früher hat man nur beim McDonalds Speisen abgeholt, heute holen wir diese auch bei unseren Wirten. 24-Stunden- Miniläden gibt es fast schon in jedem Ort. Vor einigen Jahren stießen die schnellen Glasfasernetze noch auf völliges Unverständnis. Heute wollen sie alle und das sofort, weil ein gutes Homeoffice etwas wert geworden ist. Da wird nach der Pandemie auch „Positives“ bleiben.
Mit welcher weiteren Entwicklung rechnen Sie, wie bereiten sich Gemeinden auf den Herbst, Winter vor?
Pressl: Wir wissen einfach heute nicht, was in wenigen Monaten sein wird. Vielleicht ist die Pandemie vorbei, vielleicht kommt aber eine gefährlichere Variante. Als Ende November 2021eine Impfpflicht fixiert wurde, hatten wir die Delta-Variante und einen Lockdown bei täglich 4.000 Infizierten. Nur zweieinhalb Monate später machen wir alles auf, bei fast 40.000 täglichen Infektionen mit der Omikron-Variante, weil die halt einfach ungefährlicher ist. Ich lerne daraus: Wir müssen einfach wachsam sein, aber nicht ängstlich. Wir müssen rasch reagieren können und dürfen nicht stur bei einer einmal gefassten Meinung bleiben. Weder in der Politik noch im Privaten.
Was erwarten, erhoffen sich Gemeinden auch von Bund, Ländern?
Pressl: Zusammenhalt! Wir haben eine klare und gute Aufgabenteilung, die hat sich sehr gut bewährt. Und wenn wir da weiterhin Respekt vor der Leistung jeder Ebene für die Menschen haben, dann können sich die Leute verlassen, dass der Staat funktioniert und wir auch alles, was noch kommt, durchstehen werden. Ich bin da sehr zuversichtlich.