Königsberger-Ludwig: „Regierungsprogramm alles andere als weltoffen“

Erstellt am 19. April 2023 | 06:30
Lesezeit: 7 Min
Landesrätin Ulrike Könisgberger-Ludwig
Foto: Knapp
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Landesrätin und SPÖ-Bezirksvorsitzende Ulrike Königsberger- Ludwig über die Regierungsverhandlungen mit der ÖVP, die Mitgliederbefragung bei der SPÖ und Kulturpolitik in Amstetten.

NÖN: Sie haben als Landesrätin dasselbe Ressort wie in der letzten Periode. Sind Sie damit zufrieden?

Ulrike Königsberger-Ludwig: Ich hätte gerne etwas mehr Verantwortung übernommen. Der Gesundheitsbereich ist ja dreigeteilt. Zu mir gehört der öffentliche Gesundheitsdienst mit Seuchen- und Impfwesen. Die Krankenanstalten sind bei der ÖVP, Budget und Planung bei der FPÖ. Zufrieden bin ich insofern, weil ich angefangene Projekte fertigmachen möchte. Speziell im Bereich der Frauenhäuser haben wir da super Planungen.

Da brauchen Sie natürlich auch die Zustimmung der ÖVP und der FPÖ.

Königsberger-Ludwig: Ich gehe optimistisch an die Sache heran, werde meine Projekte gut vorbereiten und dann um eine Mehrheit dafür werben. Im Regierungsübereinkommen von ÖVP und FPÖ steht ja drinnen, dass die Frauenhäuser evaluiert werden sollen. Tatsache ist, dass wir, um die Istanbul-Konvention (zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt Anm. d. Red.) zu erfüllen, in den Frauenhäusern in NÖ um 25 Plätze zu wenig haben.

In Amstetten ist ja ein Neubau geplant. Wie weit ist dieses Projekt?

Königsberger-Ludwig: Wir haben da in der letzten Periode unsere Bauabteilung beauftragt, ein Musterhaus zu planen. Jetzt müssen wir eine Finanzierung dafür finden. Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass die Vereine das allein stemmen. Sie brauchen die Unterstützung des Landes, daran arbeite ich zurzeit.

Woran sind aus Ihrer Sicht die Verhandlungen mit der ÖVP gescheitert?

Königsberger-Ludwig: Wir sind gut vorbereitet mit einem 28-Seiten-Papier in das erste Gespräch gegangen. Die ÖVP war davon irritiert und hat gesagt, wir sollten uns auf fünf Kernforderungen beschränken. Ich weiß, dass die ÖVP behauptet, es habe diesbezüglich schon Kompromisse gegeben. Ausgeschaut hat das aber so, dass bei den „Kompromissen“ von unseren Forderungen wenig bis nichts übrig geblieben wäre.

War der Hand-Abhacken-Sager von Parteichef Hergovich ein Fehler?

Königsberger-Ludwig: Zu dem Zeitpunkt war eigentlich schon klar, dass es keinen Kompromiss geben wird. Die ÖVP hat das aber natürlich als guten Anlass für das Scheitern der Verhandlungen genommen. Ich glaube, dass Aussagen, die die FPÖ im Wahlkampf zu Johanna Mikl-Leitner gemacht hat, wesentlich schlimmer waren, und auch die Ankündigung, dass sie als Koalitionspartner sie nicht zur Landeshauptfrau wählen werden. Mikl-Leitner hat gesagt, dass es zwischen ÖVP und FPÖ mehr inhaltliche Übereinstimmung gab. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und darum waren wir chancenlos. Schade. Unsere Forderungen hätten für viele Leute im Land echte Verbesserungen gebracht. Zum Beispiel das Anstellungsmodell für pflegende Angehörige. Das wäre ein wichtiger Baustein im Pflegebereich gewesen. Und dass wir über den ganztägigen Gratiskindergarten überhaupt diskutieren müssen, verstehe ich nicht. Wir brauchen ja dringend Arbeitskräfte, warum soll also eine Verkäuferin, die am Nachmittag arbeitet, für den Kindergarten zahlen?

Wie geht es Ihnen persönlich bei der Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ?

Königsberger-Ludwig: Ich habe da einen sachlich korrekten und professionellen Umgang. Sie sind gewählt, das muss man akzeptieren.

Fürchten Sie einen Rechtsruck in Niederösterreich?

Königsberger-Ludwig: Dass man ernsthaft über eine Prämie für Wirtshäuser nachdenkt, die traditionelle Speisen anbieten, oder Deutsch als Pausensprache ins Regierungsprogramm hineinschreibt, ist auf jeden Fall alles andere als weltoffen. Ob das schon ein Rechtsruck ist, weiß ich nicht. Wenn aber statt eines Gratiskindergartens ernsthaft überlegt wird, Familien zu unterstützen, in denen Frauen länger bei den Kindern daheim bleiben, dann stehen die Zeichen in Niederösterreich auf jeden Fall nicht auf Progressivität. Bedenklich finde ich, dass sich im ÖVP-FPÖ-Arbeitsübereinkommen kein einziger Punkt zur Klimapolitik findet. Und in Sachen Corona, um angeblich Gräben zuzuschütten, alle Maßnahmen infragezustellen, die man in der Pandemie zu setzen hatte, finde ich abenteuerlich.

Welche Auswirkungen wird die schwarzblaue Zusammenarbeit auf den Bezirk haben?

Königsberger-Ludwig: Das lässt sich schwer einschätzen. Als SPÖ-Vorsitzende sehe ich aber für uns als Partei eine große Herausforderung. Wir sind, wenn man die Wahlergebnisse anschaut, fast schon in jeder Gemeinde nur noch an dritter Stelle. Damit können wir nicht zufrieden sein. Wir werden daher gemeinsam Strategien überlegen, wie wir wieder an Terrain gewinnen können.

Woran liegt es, dass die SPÖ mit ihren Themen bei den Leuten nicht punkten kann?

Königsberger-Ludwig: Vielleicht sind wir zu wenig populistisch. Ich bin überzeugt, dass die Themen, die wir ansprechen – Gesundheit, Wohnen, Kinderbetreuung und Teuerung – zu hundert Prozent die richtigen sind, die die Menschen bewegen. Und wir haben überall gute Antworten – ein 10-Punkte-Gesundheitsprogramm, auch ein gescheites Wohnprogramm. Trotzdem kommen wir bei den Wählerinnen und Wählern damit nicht durch. Vielleicht übertüncht die Schwarzweiß-Malerei anderer Parteien unsere Konzepte.

Die Querelen in der Bundespartei tragen aber wohl auch dazu bei.

Königsberger-Ludwig: Die Bundes-SPÖ war im Wahlkampf nicht hilfreich, weil die Menschen nicht wissen, wofür sie steht.

Wie bewerten Sie die Mitgliederbefragung?

Königsberger-Ludwig: Wir sind in dieser Situation, weil man sich an der Parteispitze nicht darauf einigen konnte, vernünftig miteinander zu reden. Jetzt müssen wir das Beste daraus machen und daher finde ich die Mitgliederbefragung gut. Sie kann eine echte Chance für die Partei sein. Wir hatten auch im Bezirk Amstetten Beitritte und das finde ich positiv. Die Gewinnerin oder der Gewinner der Befragung hat dann die große Aufgabe, Brücken zu bauen und auch jene ins Boot zu holen, die sie oder ihn nicht gewählt haben, wobei ich gerne mithelfe. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass es am Ende des Tages eine geeinte SPÖ gibt.

Wenn die SPÖ Wählerstimmen von der FPÖ zurückholen will, wäre dann nicht Doskozil der logische Kandidat?

Königsberger-Ludwig: Mag sein, wenn die FPÖ-Wählerinnen und -wähler wirklich nur wegen der Ausländerinnen und Ausländer blau wählen. Wenn es zum Beispiel auch um das Einkommen geht, dann sollten sie sich von Andreas Bablers Forderung einer 32-Stunden-Woche genauso angesprochen fühlen. Doskozil verlangt ein geordnetes Asylwesen. Das ist auch wichtig, aber darüber muss immer noch stehen, dass die Menschenrechte unumstößlich sind. Das muss für die Sozialdemokratie das oberste Gebot sein, egal wer vorne steht. Im Grunde vertreten Doskozil, Rendi-Wagner und Babler ja ähnliche Dinge, sind aber als Persönlichkeiten sehr verschieden.

Wem werden Sie Ihre Stimme geben?

Königsberger-Ludwig: Das sage ich nicht. Ich bin ein normales Parteimitglied und werde meine Meinung bei der Befragung kundtun.

Wie schwer ist es, junge Menschen für die Sozialdemokratie zu begeistern?

Königsberger-Ludwig: Bei den Parteieintritten waren viele junge Leute dabei. In Amstetten hat sich gerade eine neue Sozialistische Jugend gegründet. Es gibt also junge Menschen, die sich engagieren wollen. Wir haben auch im Bezirksparteivorstand jetzt jüngere Leute, die ,Speed‘ haben und etwas bewegen wollen, das macht mich optimistisch. Die Vorbereitungen für die nächste Gemeinderatswahl starten ja schon und damit auch die Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten. Unser Ziel ist es, wieder in jeder Gemeinde anzutreten.

Zum Abschluss noch ein Amstetten-Thema. Die SPÖ hat jüngst kritisiert, dass die Zusammenlegung des Kulturamtes mit den Amstettner Veranstaltungsbetrieben ein Fehler war. Das kulturelle Angebot würde dadurch ausgedünnt. Sie waren lange Kulturstadträtin. Wie stehen Sie dazu?

Königsberger-Ludwig: Ich habe mich in meiner Funktion als Kulturstadträtin viele Jahre standhaft geweigert, die AVB und das Kulturamt zusammenzuschließen. Ich sah immer die Gefahr, dass man dann auf die Nischenkultur nicht mehr solchen Wert legt, weil die AVB ja einen anderen Auftrag hat und wirtschaftlich arbeiten soll. Aus meiner Wahrnehmung passiert jetzt genau das und das finde ich schade und das tut mir weh. In Amstetten gibt es eine gute Kulturszene, die aber leider nicht mehr den Stellenwert hat wie in vergangenen Jahren. Ich glaube nicht, dass das eine gute Entwicklung ist.

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