Leben und Glauben verbinden

„Das Männerbild der Kirche, dem oftmals – wie auch dem Hl. Josef – die Attribute Demut, Pflichtbewusstsein oder Gehorsam zugeschrieben werden, trifft nicht mehr unsere wahre Lebenswelt!“, zeigt sich der langjährige Diözesansekretär der Katholischen Männerbewegung und derzeitige Obmann im Dekanat Haag, Josef Muhr, skeptisch der Amtskirche gegenüber, vielmehr muss ein lebensnahes Bild des Menschen als Grundlage für Verkündigung dienen, lauten doch die eigentlich für Männer wichtigen Fragen heute ganz anders: Themen wie Partnerschaft, Kinder, Arbeit, Körperbewusstsein oder auch Krisen verlangen eine ganzheitliche Betrachtung der aktuellen Lebenswelt! „Der Kirche sind folglich die Männer abhandengekommen – außer im Presbyterium! Es darf ja nicht darum gehen, seitens der Kirche jemanden zu ‚zähmen‘, sondern den Blick auf die großen Männer der Bibel zu richten, und schließlich hat Christus uns alle erlöst, und da bleibt auch kein Platz für eine verschrobene Sexualmoral. Alle, auch die in außerehelichen Beziehungen lebenden Männer sollen innerhalb der Kirche Platz finden können, nicht nur, wenn sie getragen werden: bei der Taufe und beim Begräbnis!“, verlangt der Weistracher Diakon ganz bewusst den Blick auf die Männerwelt, wird doch häufiger das Problem der Kirche mit Frauen diskutiert. Muhr sieht sogar den Synodalen Prozess gefährdet und befürchtet, dass eine kleine Elite alle dringend notwendigen Veränderungen in der Kirche zu verhindern weiß, sodass sich die Männer allmählich von der Kirche ganz „verabschieden“, was dazu führt, dass nur noch Frauen, die jedoch von der Weihe ohnehin ausgeschlossen sind, in der kirchlichen Gemeinschaft verbleiben. „Aber darf diese Ungerechtigkeit auch den Frauen gegenüber weiterhin in Kauf genommen werden, nur um eine etwaige Kirchenspaltung zu verhindern?“, stellt sich der engagierte Katholik jene Frage, die wohl auch den gegenwärtigen Papst beschäftigt. Die kirchliche Obrigkeit gelte weitgehend als unantastbar, dabei sollten sich die Bischöfe „messen“ lassen in ihrer Führungskompetenz und in ihrem Umgang mit den Menschen.

Gottesdienste mit Bezug zum Leben
Jegliche Verkündigung muss sich laut Muhr daher die Frage stellen: Was soll gefeiert werden? „Was will ein Feuerwehrkommandant bei einem außerkirchlichen Gottesdienst in den Fokus gerückt wissen? Kameradschaft, Dasein für den Nächsten, Selbstlosigkeit, Einsatz für das Gemeinwohl …? Und das gilt es dann thematisch aufzugreifen, um eben Lebensnähe zu garantieren!“ Da heutzutage jegliches Schuldbewusstsein schwindet, gestaltet Muhr auch zweimal jährlich Bußandachten. „Wir zerbrechen Glas, machen Scherben und tragen die vor das Kreuz, so wird dabei auch ein Vergebungsritual gesetzt.“ Es gilt dem Diakon jedenfalls als unverzichtbar, auf die Menschen zuzugehen – seien es Männer, Frauen oder auch Jugendliche, denen man in einer religiösen Feier vor Augen führen soll, wie großartig sie arbeiten und welch wichtiges Engagement sie etwa in einem Projektmarathon beweisen. Muhr beabsichtigt demnächst eine Maiandacht bei einem Gärtner zu gestalten, denn Glauben, (bewusstes) Schauen der Schöpfung und „Garteln“ lassen sich gut verbinden. Freilich ist sich der Dekanatsobmann auch bewusst, dass Männerbewegungen in einzelnen Pfarren kaum noch existent sind; es bedarf also größerer Zusammenschlüsse, etwa im Dekanat. „Das Erlebnis in der Gemeinschaft ist ohnehin ein wichtiges, geht doch davon stets ein guter Geist aus. Auch den Bildungshäusern oder Klöstern kommt diesbezüglich große Bedeutung zu.“ Religion habe – so ist Josef Muhr überzeugt – den Menschen im Hier und Jetzt zu begleiten, der Fortgang der Zeit könne nicht aufgehalten werden!