Dissertant: „Ich musste sie schreiben“

Erstellt am 18. Juli 2021 | 07:05
Lesezeit: 4 Min
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr
440_0008_8124252_ams28stp_dissertation_brandstetter.jpg
Daniel Brandstetter hat in seiner Doktorarbeit die Geschichte der ältesten Bürgerhäuser im Markt St. Peter in der Au aufgearbeitet. Exemplare der Dissertation sind auf Wunsch bei ihm erhältlich.
Foto: Hummer, Hummer
Der ehrenamtliche Gemeindearchivar Daniel Brandstetter verfasste eine 480 Seiten starke Forschungsarbeit über die Geschichte der Agrargenossenschaft St. Peter.
Werbung
Anzeige

Seit vielen Jahren beschäftigt sich Daniel Brandstetter, seines Zeichens Professor für Mathematik und Geografie an der HTL Waidhofen, mit der Ortsgeschichte von St. Peter in der Au und kennt die Historie seiner Heimatgemeinde wie kein Zweiter.

„2006 begann ich, meine Vorfahren zu erforschen. Da mein Großvater über Jahrzehnte hindurch beim Kirchenchor mitsang und ich dort als Organist tätig bin, widmete ich mich danach der Geschichte der Kirchenmusik in meinem Heimatort“, erzählt Brandstetter.

„Als dieser meinte, im Archiv haben wir keines, aber das kannst du gleich machen, war ich dann spontan als Gemeindearchivar engagiert“ Daniel Brandstetter

Aus der mehrjährigen Forschung entstand ein umfangreiches Buch, wovon er ein Exemplar dem damaligen Bürgermeister Gerhard Wieser für das Gemeindearchiv übergab. „Als dieser meinte, im Archiv haben wir keines, aber das kannst du gleich machen, war ich dann spontan als Gemeindearchivar engagiert“, schmunzelt Daniel Brandstetter über seine damalige „offizielle Ernennung“.

Seitdem hat er das Gemeindearchiv als ehrenamtlicher Archivar im Schloss von Grund auf aufgebaut und zahlreiche, weit verstreute Dokumente, Unterlagen und Sammlungen zu einem großen Bestand zusammengeführt.

Darüber hinaus hat er in den „St. Peterer Geschichte(n)“, der Geschichtsbeilage der St. Peterer Gemeindezeitung, zahlreiche Themen, Personen und Ereignisse vor den Vorhang geholt.

„2013 beauftragte mich die Agrargemeinschaft St. Peter in der Au, ihre Entstehung und Entwicklung zu erforschen, da man darüber nur wenig wusste, vieles im Dunkeln lag, beziehungsweise manche Unklarheiten bestanden. Daraus entstand eine Broschüre mit 20 Seiten, die mir den Anstoß gab, mich noch intensiver mit dieser Thematik auseinanderzusetzen“, sagt Brandstetter.

Unzählige Urkunden und Akten studiert

2015 reifte in ihm der Entschluss, seine Erkenntnisse über die Agrargemeinschaft St. Peter in der Au in einer Dissertation zu verarbeiten und dadurch in einem größeren Rahmen zu betrachten. „Damit hat das Forschen erst richtig begonnen. Ich habe niemandem davon erzählt, da ich nicht wusste, ob ich es schaffen konnte, diese umfangreiche Arbeit zu einem guten Ende zu bringen“, sagt der St. Peterer, doch er bewerkstelligte das Doktoratsstudium neben Beruf und Hausbau.

In diesen Jahren suchte er 30 Archive auf und studierte unzählige Urkunden, Archivalien, Urbare und Akten, um alle Puzzleteile für seine wissenschaftliche Arbeit zusammenzutragen. Die wichtigsten Dokumente hat er aber im Schloss St. Peter bei der Einrichtung des Archivs gefunden. Sie waren im Laufe der Jahrhunderte von einem Haus zum anderen weitergetragen worden und schließlich im Gemeindearchiv gelandet.

„Die Agrargemeinschaft ist aus der Marktcommune St. Peter in der Au – einer seit dem 13. Jahrhundert bestehenden Gemeinschaft der Besitzer der 60 ältesten Häuser des Ortes – entstanden und hat bis heute Bestand. Das ist etwas ganz Besonderes“, führt Brandstetter aus.

Im Privileg Friedrichs III. aus dem Jahr 1446 sind die noch heute bestehenden vier Marktwälder Dobraholz, Panholz, Burgholz und Erlhölzl erstmals urkundlich erwähnt, obwohl diese Wälder und deren Nutzung noch viel älter sein dürften. Die 60 Bürgerhäuser im Markt waren zu gleichen Teilen an diesen vier Wäldern und anderen gemeinsamen Agrargütern beteiligt und wurden mit zahlreichen Privilegien und Freiheiten ausgestattet.

So waren sie der Herrschaft in St. Peter in der Au nie durch Abgaben und Robot unterworfen, wenngleich sie auch für die örtliche Armenversorgung oder die Erhaltung der Brücken, Wege und Stege aufkommen mussten.

„Ich musste diese Arbeit einfach schreiben – aus reinem Forschungsinteresse“ Daniel Brandstetter

Letztendlich hat Brandstetter eine 480-seitige Dissertation verfasst, die er mit Unterstützung seines Doktorvaters Professor Martin Scheutz vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien einreichte und die kürzlich mit der Gesamtnote „Sehr gut“ beurteilt wurde.

„Ich musste diese Arbeit einfach schreiben – aus reinem Forschungsinteresse“, betont der frischgebackene Doktor der Geschichte, der ein Werk verfasst hat, das einmalige Einblicke in die Geschichte einer Gemeinschaft ermöglicht, die als Keimzelle der heutigen Großgemeinde gesehen werden kann.

Werbung