Wie die Jugend im Bezirk Baden den Krieg erlebt hat

Erstellt am 06. Mai 2020 | 05:34
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Gertrude und Heinrich Gutmann haben bereits steinerne Hochzeit gefeiert. Heinrich stammt aus Möllersdorf, Gertrude ist in Wienersdorf aufgewachsen. Heute wohnen sie in Traiskirchen.
Foto: Jandrinitsch
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Gertrude & Heinrich Gutmann waren 14, 15 Jahre alt und mussten sehr schwierige Zeit meistern.

Am 2. Mai feierte Heinrich Gutmann aus Traiskirchen seinen 90. Geburtstag. „Ich bin am 2. Mai 1930 in Möllersdorf geboren“, erzählt der rüstige Jubilar in Begleitung seiner gleichaltrigen Frau Gertrude der NÖN.

Mit 14 Jahren begann er 1944 seine Ausbildung in der Gemischtwarenhandlung Drexler in Möllersdorf. „Wir hatten wirklich alles, von Lebensmitteln bis Benzin, und alles war in einem Raum untergebracht“, erinnert sich Heinrich Gutmann. Trotzdem war die Arbeit schwer, zu den Aufgaben des Lehrlings gehörte es auch, Briketts, Koks und Kohle von Eisenbahnwaggons bei der Aspangbahn abzuschaufeln und in den Traktoranhänger eines Möllersdorfer Bauern zu befördern.

Im April 1945 rückte die russische Front immer näher an Traiskirchen heran. „Die Menschen wurden von der herannahenden Front evakuiert, zunehmend wurden auch Leute in den Weingärten von Tieffliegern beschossen“, erzählt Gutmann. Am 4. April 1945 trafen am Möllersdorfer Hauptplatz die ersten russischen Soldaten ein. Einen Tag verbrachte Heinrich bei seinem Verwandten in der Stadtrandsiedlung, dort „hat es aber rundherum gebrannt, da sagte meine Mutter: ‚Wir gehen zurück nach Möllersdorf‘“.

Doch im eigenen Heim fand Heinrich nicht lange Sicherheit, der Kuckucksruf im Radio warnte die Zivilbevölkerung vor einem bevorstehenden Luftangriff. Heinrich und seine Eltern flüchteten in den Luftschutzkeller des Gemeindehauses, heute sind hier in Möllersdorf ein Frisör und eine Trafik untergebracht. Dort blieb Heinrich so lange, bis die ersten russischen Soldaten den Keller betraten.

„Die Russen sind in Gruppen zu viert in den Keller gekommen. Meine Nichte und zwei Neffen haben in einem Stahlrohrbett im Keller geschlafen. Meinem Vater wurde sofort die Uhr heruntergerissen, eine Nacht sind wir im Keller geblieben.“

Als es Tag wurde, wagte sich Heinrich in sein Elternhaus, ein Achtparteienhaus – vier Wohneinheiten im Erdgeschoß, vier im Obergeschoß – in der Wolfstraße Nummer 10. Eine Granate hatte in der Küche und im Schlafzimmer für Verwüstung gesorgt, nur das Kabinett blieb unversehrt. Trotzdem kehrten die Gutmanns in ihr Heim zurück. Doch dann kamen die Plünderer; Russen zündeten Papierfetzen an, um in den verdunkelten Räumen – die Rollläden blieben wegen der Fliegeralarmgefahr in der Kriegszeit stets geschlossen – besser sehen zu können, vor allem, wo sich Frauen aufhielten. „Die Mädchen hatten wir unterm Bett versteckt“, erzählt Heinrich. Im Bett selbst war seine Mutter mit Nichten und Neffen, um von dem „darunter“ abzulenken. Die Suche mit dem angezündeten Papier blieb nicht ohne Konsequenzen.

Obergeschoß: Wohnung brannte lichterloh

„Unsere Wohnung befand sich im Erdgeschoß, doch plötzlich bemerkten wir, dass die Wohnung ober uns in Flammen stand. Wir haben alles, was wir hatten, rausgebracht, mein Vater, ein Nachbar und ich legten eine Löschleitung mit Schläuchen vom Mühlbach und versuchten so, den Brand zu löschen“, erzählt Gutmann. Nach dem Brand zog die Familie in die Anninger Straße zu einem Bruder von Heinrichs Vater. Die Gemischtwarenhandlung Drexler wurde dank ihrer stabilen Rollläden nicht geplündert und sperrte bald wieder auf.

Der ehemalige Schulwart Heinrich Gutmann ist sehr vielen Traiskirchnern immer noch ein Begriff, nicht nur weil er lange Zeit als ‚Schuldiener‘ in der Volksschule Möllersdorf und ab den 1970er Jahren in der Hauptschule in Traiskirchen gearbeitet hatte, sondern weil er als Obmann der Stadtmusikkapelle Traiskirchen „sicher an die 400 Kinder auf Blasmusikinstrumenten unterrichtet habe“, erinnert sich Gutmann. So war es für eine Abordnung der Stadtkapelle eine Ehrensache, dem Jubilar am Samstag ein Ständchen zu spielen. Und auch drei Feuerwehrmänner gratulierten, denn seit 1944 ist Heinrich Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Möllersdorf – und das bis heute.

Warten auf die Brüder war zermürbend

Elfrieda Weigl aus St. Corona/Schöpfl erlebte das Kriegsende als 15-Jährige in Neuwald. Sie erzählt: „Wir wussten bereits, dass zwei meiner Brüder gefallen waren, aber wir warteten auf die Heimkehr meines dritten Bruders. Heute gilt er offiziell als vermisst. Meine Familie betrieb in Neuwald eine Landwirtschaft und wir hatten ein dreiviertel Jahr zwei junge Russen versteckt, die uns bei der Heuernte halfen und sehr nett waren. Sie wurde von ihren russischen Kameraden in Kaumberg erwischt und als Deserteure erschossen. Nach Kriegsende versteckte sie sich im Keller vor den Russen. Sie ist aber der Überzeugung: „Es war auch lange nach dem Krieg eine furchtbare Zeit, aber trotzdem noch immer besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“.

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Elfrieda Weigl aus St. Corona/Schöpfl mit 15 Jahren.
Foto: privat

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