Bezirk Baden: Die vergessenen Lager 

Erstellt am 23. Juni 2021 | 05:31
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Höhlenforscher Peter Walka bei der Besichtigung eines Überbleibsel der Reichsautobahn (RAB) bei Heiligenkreuz im Wienerwald. Foto: Dietmar Holzinger
Foto: NOEN
 Über 2.100 NS-Opferlager sind österreichweit dokumentiert. Die Geschichte dieser ist vielerorts nicht vollends aufgearbeitet. Im Bezirk Baden soll sich dies nun ändern.
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Das ehemalige Konzentrationslager in Mauthausen ist wohl den meisten Österreicherinnen und Österreichern ein Begriff. Wenngleich es das bekannteste, größte und am besten erhaltene aller österreichischen NS-Lager darstellt, ist es nur eines der 2.113 auf der kürzlich aktualisierten Dokumentationsliste des Bundesdenkmalamtes. Viele der einst dunklen Orte sind in Vergessenheit geraten, doch auch im Bezirk Baden manifestierte sich das grausame Regime der Nationalsozialisten in Form von Zwangsarbeitslagern, Straflagern und anderen NS-Bauten.

Der Arbeitskräftemangel in der Rüstungsindustrie führte dazu, dass vielerorts Kriegsgefangene ebendiesen kompensieren musste. So gab es beispielsweise in der Marktgemeinde Hirtenberg ein Zwangsarbeitslager spezifisch für Frauen, wie der Chronist der Gemeinde, Erich Strobl, erzählt: „Ursprünglich gab es das Arbeitslager am Weinberg. Gefangene wurden dafür eingesetzt, Patronen für die Wilhelm-Gustloff-Werke herzustellen.“Am 28. September 1944 wurde ein Bereich innerhalb des bestehenden Waffen-SS Arbeitslagers durch einen elektrischen Stacheldrahtzaun vom restlichen Teil abgegrenzt. Dieser stellte ein Nebenlager des KZ-Mauthausen dar.

„In diesem neuen Teil waren bis zu 459 Frauen inhaftiert, die ebenfalls allesamt Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten mussten. Die Frauen waren überwiegend politische Gefangene aus Russland, der Ukraine, Italien und Polen“, so Strobl. Zu Tode kamen drei Frauen, vermutlich aufgrund diverser Verletzungen, die sie sich bei der Arbeit zugezogen hatten. Ehe das Nebenlager Hirtenberg geschlossen wurde, erschossen Männer der Schutzstaffel (SS) sieben Russinnen, als diese flüchten wollten.

„Die Erinnerung soll bleiben.“ Erich Strobl

Lange Zeit lang sei dieser Abschnitt der Geschichte Hirtenbergs in Vergessenheit gewesen, erst im Jahr 2005 habe man langsam begonnen die Geschehnisse aufzuarbeiten, erzählt Erich Strobl: „Es gab einige Gedenkfeiern. Nun bereiten wir die Errichtung einer Gedenkstätte vor, damit man einen immer währenden Zugang zu dem Lager hat, um daran zu erinnern, dass hier Leute gegen ihren Willen inhaftiert waren.“ Überreste des Lagers seien heute nur mehr vereinzelt sichtbar, etwa im Winter, wenn das Areal nicht zugewachsen oder mit Laub bedeckt ist.

Unweit des Stifts Heiligenkreuz im Wienerwald erinnert eine monumentale Stahlbetonröhre an die Zeit des Nationalsozialismus. Mittlerweile von Dickicht umringt und mit üppigem Moos bewachsen, war die Tunnelröhre ursprünglich als Teil der Reichsautobahn (RAB) konzipiert. Höhlenforscher Peter Walka hat sich zuletzt 2018 gemeinsam mit NÖN Reporter Dietmar Holzinger auf Spurensuche begeben. Er weiß: „Die Röhre ist 51 Meter lang, vier Meter hoch und ebenso breit. Sie sollte als Unterführung der Reichsautobahn 'Salzburg - Linz - Wien' dienen, welche jedoch nie fertiggestellt wurde“, erzählt Walka. 

Das Stift Heiligenkreuz litt massiv unter dem Bau der RAB, musste es schließlich einiges seines Grundes an das NS-Regime abtreten. Die Stille des Klostergartens gehörte ab nun der Vergangenheit an. Rund um das Stift wurden zudem Baracken für Zwangsarbeiter und ein Gefangenenlager errichtet. 49 jüdische Menschen mussten im Wald schuften, oder Arbeit in der Lagerküche verrichten. Zwölf der Gefangenen waren Kinder. Die Aufarbeitung der Gräueltaten der Nationalsozialisten ist unabdingbar, um das Bewusstsein für das hohe Gut der Freiheit zu schärfen. 

Auf Spurensuche begaben sich Höhlenforscher Peter Walka und NÖN-Reporter Dietmar Holzinger; es wurde eine Riesige-Tunnelröhre - eine Unterführung der geplanten Reichsautobahn bei Heiligenkreuz - in Augenschein genommen:

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