Appell für eine Welt des Friedens

Erstellt am 07. Oktober 2022 | 05:54
Lesezeit: 3 Min
Marlene Streeruwitz las aus „Handbuch des Krieges“. Autorin Sophie Reyer hat die Lesung für die NÖN zusammengefasst.
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Auratisch sind die Räume des Arnulf Rainer Museums in Baden nicht von ungefähr – atmet doch noch der Geist des alten Badehauses in ihnen! Doch auch das Spätwerk des Malers trägt dazu bei, ihre Schwingung zu erhöhen: Da begegnet einem eine Serie von Engel-Bildern, hier wird die organische Struktur eines Zellinneren dargestellt. Doch es bleibt nicht allein bei der lebensbejahenden Energie: Denn schon bald ruft ein Bild, dem Schusswunden mit einer Pumpgun zugefügt wurden, andere Assoziationen wach: die des Krieges. Wen wundert es da, dass der gesamte Abend unter diesem Begriff steht?

Eine informative Führung durch die Ausstellung zeigt, dass Rainers Bilder sich auch mit Goyas Werk zum Thema Krieg auseinandersetzen – und somit ist die Brücke geschlagen: Denn nun kommt, endlich einmal wieder und leider viel zu selten in der Geschichte, eine Frau zu Wort: Marlene Streeruwitz. Mit schneidender Klarheit gestaltet sie, behutsam und kompetent eingeführt von Christine Humpel, den Abend.

„Es gab keine Sekunde ohne Krieg auf der Welt in meinem Leben“

Der Text, „Handbuch des Krieges“, den Streeruwtiz hier vorträgt, hat es in sich – und so fällt es kaum jemandem unter den Zuhörenden schwer, sich auf ihn einzulassen. Mit gespannter Körperhaltung lauscht man einer Analyse, die es in sich hat: Krieg ist gemacht, weiß Streeruwitz, Krieg ist ein großes Unternehmen, ist eine Industrie. Krieg ist eine Marketing-Strategie. „Es gab keine Sekunde ohne Krieg auf der Welt in meinem Leben“, sagt Streeruwitz – und klagt mit diesen Worten zurecht eine Gesellschaftsstruktur an, die fraglos männliche/auktoriale Narrative übernimmt, gut heißt und perpetuiert.

Doch es bleibt nicht bei der Analyse – und wächst auch über die Anklage hinaus. Denn Streeruwitz plädiert für eine Gesellschaft der Güte jenseits der Pseudo-Empathie, die uns immer wieder zu Instrumenten der Kriegsverbrecher macht. In ihrem Vortrag kämpft sie waffenlos, analytisch und unemotional für eine Welt des Friedens, in der es keine Superlative gibt – sondern eine Form von Wärme, die uns zu freien und selbstbestimmten Individuen macht. Eine geistige Haltung, bei der man nur applaudieren kann. Was das Publikum an diesem gelungenen Abend im Arnulf Rainer Museum gut und gern tut. Ein überaus wichtiger und sehr gelungener Abend.

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