Mercedes Jellinek: Der Stern, der ihren Namen trägt
Mercedes Jellinek: Der Stern, der ihren Namen trägt. Die Namensgeberin der Weltmarke Mercedes war eine „echte Badenerin“.
Gleich vorweg; Mercedes, die anmutige Lieblichkeit, Namensgeberin der gleichnamigen Automarke, ist weder ein göttliches Wesen noch eine Erscheinung am Sternenhimmel. Mercedes war auch nicht Tochter von Daimler oder Benz, wie oft angenommen wird – NEIN – sie war das Nesthäkchen von Rachel (geborene Goggmann 1854-1893) und Emil Jellinek (1853-1918) und eine „echte Badenerin“.
Ihr Antlitz in weißem Marmor gehauen, prägt seit 1903 die wasserspeiende Brunnenanlage „Udine“ im Kurpark Baden. Geschaffen wurde das monumentale Werk von Josef Valentin Kassin, einem Freund der Familie Jellinek. Emil Jellinek hieß ab 1903 Jellinek-Mercedes – der erste Vorname seiner Tochter wurde zum zweiten Nachnamen! Der Vater von Mercedes war ein motorbegeisterter Diplomat und Geschäftsmann mit dem richtigen Riecher.
Emil Jellinek stammte aus einer angesehenen jüdischen Wiener Familie, ist aber das „schwarze Schaf“ des „Jellinek-Stammes“ gewesen, waren doch der Vater Adolf J., Rabbiner und Gelehrter und Emils Brüder Professoren. Er war mehr an allem technischen interessiert und als die ersten Motorkutschen auf den Markt kamen, war er einer der Piloten dieser knatternden Kisten. Nach einer Odyssee durch europäische Länder, holte ihn der österreichische Konsul nach Tanger, womit seine Karriere im diplomatischen Dienst begann. Alsbald war er österreichischer Vizekonsul in Algerien. Mit seinem Schwiegervater in spe stieg er in den Tabakhandel ein und schaffte schon in jungen Jahren ein beachtliches Vermögen. Er war nun auch für eine französische Versicherungsgesellschaft tätig und von dieser mit der Österreich-Repräsentanz beauftragt.
1874 heiratete Jellinek die schöne Rachel Goggmann; sie schenkte ihrem Emil zwei Söhne und 1889 ein Mädel, mit den Vornamen „Mercedes, Adrienne, Ramona, Manuela“. Den Namen Mercedes wählte der Vater nicht von ungefähr, er war fasziniert von Spanien, war auch dieser Sprache gut mächtig und die „kleine Prinzessin“, sollte den typisch spanischen Vornamen „Mercedes“ Kosenamen „Merci“ tragen, das übersetzt die „Gnadenreiche“ heißt. Seit 1884 hatten die Jellineks ein Haus in Baden – ab 1889 entstand die Villa-Mercedes, im Endausbau ein prunkvolles Palais. Zu jener Zeit liefen die Versicherungsgeschäfte bestens, Jellinek eröffnete nun auch in Nizza ein Versicherungsbüro. Die ersten Schicksalsschläge in Mercedes‘ jungen Leben kamen in geballter Ladung; es war der Tod von Großmutter Rosalie 1892, des Großvaters Adolf 1893 und im gleichen Jahr ist auch ihre geliebte Mutter dahingegangen.
Sommer in Baden – Winter in Nizza
Konsul Jellinek verbrachte nach dem Tod seiner „Rachel“ mit seinen Kindern die Wintermonate an der französischen Riviera; in Nizza hatte man dann bald einen luxuriösen Wohnsitz. Zu jener Zeit traf sich in der kalten Jahreszeit alles, was Rang und Namen hatte, an der „Côte d’Azur“. Das war nun das Spielfeld des Emil J. – der Einstieg in die Oberschicht der KFZ-Branche war in vollem Gang. Ein Stern ging auf: In der Finanz- und Industriewelt hörte Jellinek immer wieder die Namen Daimler, Benz und Maybach – 1897 reist er nach Cannstatt, um die Daimler Fabrik zu besuchen und bestellte seinen ersten Daimler-Wagen, mit 6-PS und 2-Zylindermotor, 24 km/h schnell.
Doch Emil war das Gefährt zu langsam, er wollte mindesten 40 km/h fahren! Die schnelleren „Daimler Phönix Wagen“ wurden ihm im September 1898 nach Nizza geliefert, er betätigt sich ab dieser Zeit als Automobilhändler. 1899 liefert Daimler bereits 10 Wagen an den Motorsportler – seine „Tochter Mercedes“ ist jetzt zehn Jahre alt als Jellinek in Nizza unter dem Pseudonym „Monsieur-Mercedes“ mit seinen Rennwägen an den Start geht. Es ist die Geburtsstunde der Weltmarke – übrigens konnte das Rennteam „Mercedes“ den Sieg holen. Der „rasende Emil“ verkaufte nun die Daimler Autos weltweit (Generalvertretungen in Europa und USA). „Monsieur-Mercedes bestellt bei der DMG (Daimler-Motoren-Gesellschaft) 36 Fahrzeuge zum Gesamtpreis von 550.000 Mark (heute ca. 3 Millionen Euro). 1901 gewannen die „Mercedes-Rennwagen“ in Nizza fast in allen Disziplinen.
Am 26. September 1902 wird der Vorname der „Mercedes Jellinek“ gesetzlich geschützt. 1903 erhielt Emil Jellinek per kaiserlichem Dekret die Erlaubnis, sich „Jellinek-Mercedes“ zu nennen – 1905 löste er um eine Million Goldfranken seinen Vertrag mit Daimler (Stuttgart) auf.
1906 kam in Baden das jüngste seiner sieben Kinder zur Welt – Maja Jellinek-Mercedes – auch ihr Vorname diente für ein Automobil, der Maja-Wagen. In diesem Jahr kauft sich Jellinek bei „AUSTRO-DAIMLER“ in Wr. Neustadt ein, Ferdinand Porsche wurde Technischer-Direktor. 1908 verkaufte Jellinek-Mercedes das Aktienpaket wieder. Es war das Ende von „Monsieur Mercedes“ in der Autobranche. Verbittert durch französische Beschuldigungen, er spioniere im Krieg (WW1) für Österreich, stirbt der Autopionier nach einem Schlaganfall am 21. Jänner 1918 in Genf / Schweiz.
Wie ging es mit „Merci“ weiter?
Sie stand nicht unter einem so günstigen Stern wie die Weltmarke, die ihren Namen trägt. 1909 heiratete sie Karl von Schlosser (1878-1957) sie schenkte dem Baron zwei Kinder, Elfriede und Hans Peter.
Durch den Tod ihres Vaters 1918 sowie den Zusammenbruch und Spaltung der aristokratischen Gesellschaft in Europa, dürfte Mercedes in psychische Probleme gefallen sein und der aufkeimende Antisemitismus trug sicherlich nichts zu ihrem „Seelenheil“ bei. 1926 trennte sie sich von Mann und Kindern und heiratete den Bildhauer Rudolf von Weigl, dieser aber starb einige Monate nach der Vermählung an Schwindsucht. Irgendwann in dieser Zeit merkte sie, dass mit ihrem Körper etwas nicht in Ordnung sei – es war Krebs, der sich durch ihre Knochen fraß. Wie ihre Mutter Rachel wurde sie kaum 40 Jahre. „Merci“ starb am Samstag, dem 23. Februar 1929. Sie ist in der Familiengruft (Gruppe 59c Nr. 26) am Wiener-Zentralfriedhof bestattet.
Was gibt es noch über Mercedes Jellinek/Schlosser/Weigl zu sagen:
Mercedes bekam 1899 eine Stiefmutter, ihr Name Henriette, geb. Dittholer, Emil Jellinek bekam mit seiner zweiten Frau weitere vier Kinder, das letzte war „Maja Jellinek-Mercedes“.
Anfang der 20er Jahre war „Merci“ eine gefragte Sängerin, Zeitungsartikel bezeugen (z.B.: Badener Zeitung 3. August 1921) Auftritte im „Kleinem Konzerthaussaal in Wien sowie Gesangsabende in Baden.
Die Namensgeberin der Weltmarke Mercedes besaß in ihrem ganzen Leben kein Auto.
Am Grabstein steht das falsche Geburtsdatum von „Merci“. 1899 ist geschrieben, die Geburt war aber 1889.