Hilfe per Chat: Jugendliche als Experten

Seit 2019 erreichen junge Menschen die ausgebildete Sozialpädagogin Christine Piriwe aus dem Bezirk Baden bei der Notrufnummer für junge Leute, bei „Rat auf Draht“ unter der Kurzwahl 147.
Sie ist auch inhaltliche Projektleiterin der sogenannten Peerberatung, wo speziell dafür ausgebildete Jugendliche im Chat Gleichaltrige beraten. Nicht jedes Thema kann von Jugendlichen abgehandelt werden, aber, so erläutert Piriwe: „Die Nachfrage nach diesem Austausch mit Gleichaltrigen ist sehr hoch. Es hat sich gezeigt, dass unser Ansatz, dass es für viele Jugendliche einfacher ist, sich bei gewissen Themen Personen anzuvertrauen, die vielleicht die gleichen Dinge durchmachen oder gerade erst erlebt haben.“
Daher wird die Peerberatung künftig zwei Mal pro Monat angeboten. Die Zahl der jugendlichen Beraterinnen und -berater wurde dafür von vier auf sieben aufgestockt.
Auch das Themenspektrum wird größer: Während in der Pilotphase zu den Themen Sexting, Cyber-Grooming und sexueller Belästigung im Netz beraten wurde, gibt es ab sofort sogenannte Themenchats. „Der erste Chat im Februar wird sich um Liebeskummer und Beziehungen drehen. Generell wird in den Themenchats das behandelt, was Jugendliche aktuell beschäftigt“, sagt Piriwe. Dafür werden die Gespräche der Anrufer auf der Notrufnummer 147 analysiert, aber auch saisonale Aspekte (Ferien, Weihnachten, etc.) und langfristiges Ziel ist, die Peerberatung dauerhaft anbieten zu können, ab Herbst 2023 sind wöchentliche Chats geplant.
Beratung von Gleichaltrigen auf Augenhöhe
Die Chats werden immer von ausgebildeten Expertinnen und Experten begleitet und werden auch nicht für alle Themen angeboten. Denn wie Piriwe festgestellt hat: „Vor Corona hatten wir nur ganz wenige Anrufe, die so schwierige Themen wie Suizidgedanken angesprochen haben. Jetzt haben wir vier Gespräche pro Tag zum Thema Suizid, depressive Gedanken und Angststörungen.“
Auch die gegenwärtige Teuerungswelle belastet junge Menschen ungemein.
„Es kommen Anrufe, bei denen die Jugendlichen fragen, ab wann sie etwas dazuverdienen dürfen, um ihre Eltern finanziell zu unterstützen.“
Das betreffe Familien, wo es ohnehin finanziell schon knapp ist. „Die Kinder und Jugendlichen schlafen schlechter, sie trauen sich nicht, ihre Ängste ihren Eltern mitzuteilen“, schildert Piriwe. Doch auch Kinder aus gutsituierten Familien sind vor Ängsten nicht gefeit. „Sie fürchten, ihre Leistung in der Schule nicht bringen zu können und durch diesen Leistungsverlust sozial abzusteigen“.
Nicht vergessen dürfe man, dass viele Jugendliche noch an den Folgen der sozialen Isolation bedingt durch Home-Schooling leiden. „Es fehlt die gruppendynamische Erfahrung, die man in einem Klassenverband gewinnt. Vielen Jugendlichen fehlen dahingehend ein, zwei Jahre und das ist in diesem Alter ein großes Zeitfenster.“
Was es für die Peer-Beratung dringend brauchen würde, „ist eine gesicherte Finanzierung“, betont Piriwe.
Denn ein Drittel der Finanzierung des gesamten Beratungsangebots von „Rat auf Draht“ kommt von der öffentlichen Hand (diverse Ministerien, Bundesländer). Diese reichen jedoch nicht aus, um den dauerhaften Bestand zu gewährleisten. Der Rest wird aus Spenden finanziert.