Michael Graf: „Bürger wollen ehrliche Information“

Wie in der letzten Ausgabe berichtet, will die Marktgemeinde Seibersdorf gemeinsam mit einem Windparkbetreiber die bisher sieben Windkraftanlagen um zwei neue Windräder erweitern. Seitens des Gemeinderates gab es bereits grünes Licht. Eine Bürgerinitiative forderte mit fast 300 Unterschriften eine Volksbefragung. Diese dürfte so gut wie fix sein, ein genauer Termin steht jedoch noch nicht fest.
Im Ort selbst brodelt die Gerüchteküche gehörig. Auch in einer Facebook-Gruppe des Ortes, welche von einer Privatperson administriert wird. Dort wurden Kommentare und Diskussionen über die Windräder vom Administrator gelöscht. Dieser ist, das bestätigt auch Bürgermeisterin Christine Sollinger (ÖVP), Gemeindemitarbeiter. „Von meiner Seite gab es keine Anweisung, diese Beiträge zu löschen, ich habe nicht einmal Facebook und kenne die Kommentare nicht“, so Sollinger. Gerüchte, wonach auch Gemeinderäte privat von den Windrädern finanziell profitieren, weisen die Ortschefin und ihr Stellvertreter Franz Püreschitz zurück. „Keiner der Grundeigentümer ist Gemeinderat“, so der Vizebürgermeister. Ob einer der Grundstückseigentümer, die von den neuen Windrädern profitieren, ein ehemaliger hochrangiger Gemeindepolitiker ist, wollte die Gemeindeführung weder bestätigen noch dementieren.
Einer jener kritischen Stimmen in besagtem Forum, dessen Beiträge gelöscht und er daraufhin sogar aus dem Forum ausgeschlossen wurde, ist Michael Graf. Der in Deutsch Brodersdorf lebende Anrainer ist der unabhängige und weisungsfreie Landesumweltanwalt im Burgenland und somit ein Experte, der tagtäglich mit der Errichtung von Windrädern und den damit verbundenen Verfahren beschäftigt ist. Wir haben mit ihm über den Fall und seine Einschätzung gesprochen.
NÖN: Herr Graf, Sie sind fast täglich mit der Errichtung von Windkraftanlagen beschäftigt, ist es üblich, dass Windparks wie in Seibersdorf erweitert werden?
Michael Graf: Die Vorgangsweise, Windparks mit einzelnen Windrädern zu erweitern, ist durchaus eine gängige Praxis. Da kaum neue Flächen erschlossen werden können, wird versucht, mit der Erweiterung von Windparks die Klimaziele zu erreichen. Dabei kommt es aber oft dazu, dass die Situation, was den Natur- und Landschaftsschutz betrifft, sehr ausgereizt wird.
Welchen Einfluss haben die Gemeinden auf die Errichtung von Windrädern?
Graf: Durch die Flächenwidmung der Gemeinde hat diese maßgebliche Entscheidungskraft bei der Errichtung von Windkraftanlagen. Ohne die Zustimmung des Gemeinderates geht es also gar nicht.
Halten Sie die geplanten Windräder für eine gute Entscheidung?
Graf: Ich persönlich glaube, dass es für ein positives UVP Verfahren bei dem einen Windrad Richtung Au schwierig wird, da war schon in Planungsphase 1 ein Windrad geplant, das aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigt wurde.
Meiner Meinung nach sind einige Dinge bei dem Projekt schief gelaufen. Vor allem die Information der Politik. Dadurch gab es viele Spekulationen in sozialen Netzwerken.
Dort wurden dann ja auch Beiträge von ihnen zu diesem Thema gelöscht, oder?
Graf: Das Löschen von Postings zum Thema Windkraft und die Sperre von einzelnen Verfassern hat, glaube ich, noch zusätzlich die Öffentlichkeit verunsichert. Man kann in solchen Fragen in der heutigen Zeit nicht die sozialen Medien und dadurch die Öffentlichkeit ausschließen. Bürger wollen Informationen und auch mitentscheiden, sonst stellen sie sich auf die Füße.
Sie meinen damit die Interessensgemeinschaft, die sich gegründet hat und Unterschriften für eine Volksbefragung gesammelt hat. Sind Sie dort auch Mitglied?
Graf: Ich selbst bin kein Mitglied, aber ich habe sowohl ihr, wie auch der Gemeindeführung angeboten, bei Fragen gerne zur Verfügung zu stehen. Ich habe beruflich tagtäglich mit der Errichtung von solchen Anlagen zu tun, kenne viele Verfahren und weiß auch welche Möglichkeiten es gibt, selbst wenn die Windräder gebaut werden, wie für den Ort und die Bevölkerung bestmögliche Maßnahmen mit den Windparkbetreibern erzielt werden können.
Sollte es eine Informationsveranstaltung geben, wären Sie auch bereit, dort ihre Erfahrungen als Umweltanwalt einzubringen.
Graf: Natürlich, ich habe das auch dem Vizebürgermeister bereits angeboten. Für eine geplante Veranstaltung empfehle ich der Gemeinde, mit offenen Karten zu spielen und alle positiven und negativen Auswirkungen auf den Tisch zu legen und nicht über die Bürger drüber zu fahren.
Wenn es zu einer Volksbefragung kommt, was ist dabei wichtig?
Graf: Zum einen eben eine ehrliche Information aller, mit allen für und widern. Offen zu sagen, was mit dem Geld, das die Gemeinde dafür bekommt, passiert, wie jeder einzelne Bürger profitiert, was es für die Bevölkerung bedeutet und welche negativen Auswirkungen es hat.
Wichtig wird aber auch sein, welche Fragestellung es bei der Volksbefragung gibt. Ich erwarte mir hier von der Gemeinde eine klare Formulierung. Dieses Thema braucht eine objektive Herangehensweise!