Lesung im Cinema Paradiso über den „weiblichen Tunnel“

Erstellt am 07. März 2023 | 09:52
Lesezeit: 6 Min
Vagina Monologe 2023
Im großen Kinosaal des Cinema Paradiso wurde diesmal gelesen, gelacht und gestöhnt, bei den Vagina Monologen.
Foto: Sagmeister, Sagmesiter
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Lesung zu besonderem Thema
  • Im Cinema Paradiso wurde, anlässlich des WeltfrauenTages am 8. März, ein Veranstaltungszyklus rund um diesen Tag gestartet. Vorgetragen wurden zum Auftakt die Vagina-Monologe, die in 48 Sprachen in 140 Ländern bereits gelesen wurden. Entstanden sind die Monologe aus 200 Interviews mit Frauen, aus denen wiederum ein Theaterstück hervorging, das auf dem gleichnamigen Buch der New Yorker Theaterautorin Eve Ensle basiert. Die Monologe schildern die ersten sexuellen Erfahrungen einer Dreizehnjährigen, berichten über die Erfahrungen einer 70 Jahre alten Frau, beschreiben aber auch eine Vergewaltigung. Da es bei den Vagina-Monologen auch um Gewalt an Frauen geht, wird die Hälfte des Abends dem Frauenstützpunkt Undine gespendet.
  • Die Künstlerin Rosa Roedelius hat eigens für diesen Abend die Weiblichkeit in zwei künstlerischen Beiträgen ausgedrückt und spricht im NÖN-Interview darüber, wie es ist, die intimste Weiblichkeit zu malen.

NÖN: Für die Vaginae-Monologe im Cinema Paradiso haben Sie Vaginae gemalt, wie ist es, so etwas zu malen?

Rosa Roedelius: Angeregt durch den Auftakt der Frauentage im Cinema Paradiso trat Beate Jorda an mich heran, etwas für die Bühne zu entwickeln. Die übergeordnete Themen sind Fruchtbarkeit, Lust und Geheimnis. In meinem malerischen Kontext sind die Vulvae wer sie sind und auch wer sie noch sind. Sie sind das Außen und das Innen. Das Offensichtliche und das Geheimnisvolle. Eigenwesen und Teile des gesamten körperlichen Seins. Höhlen, Grotten, Kammern, Blüten, magische Gebiete des Selbst, die einem ganz gehören und die man auch zu teilen bereit sein kann, selbst bestimmt. Vaginae sind der Frauen Wunderwesen, die ganz Erstaunliches zustande bringen. Sie können auch zu Wunden werden, wenn versucht wird, ihnen ihr Geheimnis mit aller Gewalt zu entreißen. Die Vulva male ich, immer wieder als Frucht, Blüte, Schote. Die Vagina baute ich auch schon in verschiedensten Formen aus unterschiedlichen Materialien. Wir kommen durch den Muttermund als eine Ausformung in der Zeit. Vor diese Tatsache wurden wir gestellt und durften sie uns zu eigen machen. Es ist schön, wenn das Geschlecht sowohl ein Selbstverständnis als auch ein Wundern mit sich bringt. Und wenn wir das Andere, Fremde, ebenso bewundern und annehmen können. Ich würde sagen, es ist schön Vulvae zu malen.

NÖN: Welche Bedeutung haben Vaginae in der bzw. für die Kunst?

Roedelius: Oft ist die Vulva versteckt, als Fruchtbarkeitssymbol, auch in alltäglichen Szenen zu finden. Das phallische Prinzip ist ebenso spannend in all seinen Ausprägungen, aber eben offensichtlicher und zum Teil auch recht dominant in der Kunst. Die Vulva ist geheimnisvoll. Ihre Möglichkeit des Öffnen und Schließens, der Schichten ihrer Landschaft, ihrer Fähigkeit gebären zu können. Ihr wohnt ein ureigenes geheimnisvolles Sein inne. In der Kunst ist sie genau deswegen oft diese Geheimnisträgerin, Symbol. Sie taucht als Muschel, als Mantel, als klaffende Wunde auf. Sie ist verschlingendes schwarzes Loch ebenso wie warm pulsierende Ruhestätte. Kaum ein anderer Körperteil schafft es derart versteckt und auch präsent zu sein. Natürlich ist sie daher in der Symbolsprache der Kunst unentbehrlich. Aktuelle Auseinandersetzungen wachsen auf dem Boden einer feministischen Kunsttradition.

NÖN: Welche Bedeutung haben Vaginae für Ihr eigenes künstlerisches Schaffen?

Roedelius: Ich freue mich immer daran, wie wir den Wunsch in uns tragen Verbindungen zu knüpfen, etwas zu erkennen. In der Tier und Pflanzenwelt gibt es eine Vielfalt an vulvenartigen und phallischen Formen und deren Vermischungen. Diese Formen sind Gefäße, um neues Leben zu schenken und sie sind Teile von uns, die uns Lust bringen. Und Leid. Beides bringt uns zu unserem innersten Sein. Es ist eine spannende Form von vielen. Und diese Form beinhaltet eine Vielfalt von Ausformungen. In meiner Kunst taucht sie immer wieder einmal auf und verschwindet dann auch wieder.

NÖN: Im Vergleich gelten Brüste, Beine und Hüften als erotisches Element in der Malerei, Vaginae bleiben dagegen eher im Verborgenen und sind künstlerisch not correct?

Roedelius: Die Scham ist ja auch etwas Beschützenswertes. In der Kunst zeigt sie sich durch die Geschichte von kaum sichtbar angedeutet bis hin zu poppig vulgär übersteigert. Es gibt so viel Spannendes auf der Welt. Durch die Vagina, den Muttermund, die Scheide, die Vulva treten wir in die Welt. Sie ist der Tunnel, die Öffnung, die von einem Seinzustand in den nächsten führt. Sie ist Tor und Schlund, Einstülpung, Auswuchs, Fächer. Wenn die Auseinandersetzung mit diesen schier unendlichen Ausprägungen dem Selbst (Bewusstsein) dienen, dann ist es doch gut.

NÖN: Ist es obszön, sexistisch, provokant oder komisch Vaginae zu malen?

Roedelius: Vielleicht auch. Es kommt immer drauf an worum es geht und in welchen Kontext man es setzt. Führe ich sie vor? Will ich etwas aufzeigen wie etwa das Unrecht der Verstümmelungen? Zeige ich sie als etwas Heiliges? Die natürliche Scham ist auch Schutz. Was will ich?

NÖN: Ihre gemalten Vaginae sind farbenfroh und fröhlich, soll sich diese Leichtigkeit auf unsere Weiblichkeit übertragen?

Roedelius: Mal sind sie froh und leicht, mal verschlossen mal klaffend und im nächsten Moment irritiert und eingestülpt. Wir wünschen uns fröhliche Ganzheit im Schwingen in uns selbst . Für den Auftritt fand ich, würde ein leicht und fröhlicher Vulvae-Wasserfall gut passen. Eine Leichtigkeit in der eigenen Weiblichkeit leben- Oh ja!

NÖN: Porträtieren Sie auch Vaginae?

Roedelius: Wir alle sind in Wahrheit immer nackt. Es ist gut, dass wir uns aussuchen können ob, wann, wie und wem wir uns zeigen wollen. Wenn mich jemand darum bitten würde, dann mach ich auch gern einmal ein Vagina/Vulven Portrait. Mehr Sinn macht es wahrscheinlich, wenn man sie selbst malt um sie neu kennen zu lernen. Immer mehr Sexualtherapeutinnen nehmen übrigens die Kunst zu Hilfe um beizutragen, dass Frauen sich von Hemmungen und Bewertungen befreien. http://www.vaginamuseum.at/vgalerie

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