Viele offene Fragen zu Verfolgungsjagd auf A4

Es gibt sie auch am Gericht, diese verflixten Tage, an denen nicht viel glücken will. Einen solchen hatte Richterin Astrid Raufer am Landesgericht Korneuburg erwischt, die in einem Prozess wegen Schlepperei einem Schöffensenat vorsaß. Einem 33-jährigen rumänisch-moldawischen Doppelstaatsbürger wurde darüber hinaus schwere Sachbeschädigung, Gemeingefährdung und Widerstand gegen die Staatsgewalt von Staatsanwältin Verena Lechner vorgeworfen.
Diese Anklagepunkte resultierten aus der Verfolgungsjagd, die sich der Mann am 11. Oktober letzten Jahres zwischen dem Grenzübergang Nickelsdorf über die A4 bis Schwechat mit der Exekutive geliefert haben soll. Auf dieser wahnwitzigen Flucht, bei der das Schlepperfahrzeug auch immer wieder das Polizeiauto rammte, sollen sich auf der Rückbank des SUVs acht Personen und im Kofferraum des Fahrzeugs noch einmal vier Leute befunden haben. Dem Lenker und dem Beifahrer gelang damals die Flucht.
Fahrzeuge an Kriminelle verkauft
Sein Mandant bekenne sich nur dazu schuldig, dass er der kriminellen Vereinigung Fahrzeuge verkauft habe, so Verteidiger Constantin-Adrian Nitu. Überdies sei der Angeklagte nicht imstande, so eine nervenaufreibende Verfolgungsfahrt durchzuführen, er leide an einer Herzklappen-Erkrankung.
Nun hakte die Richterin in ihrer Befragung des 33-Jährigen dort ein, wozu er geständig war: den Autoverkäufen. Aber schon da bedurfte es etlicher Nachfragen. Und je öfter Raufer nachfragte, um so mehr schwankte die Anzahl der Autos, die er der Bande verkauft haben will, so zwischen vier und 15.
Herauszufinden war, dass das erste Schlepperfahrzeug eine Panne hatte, und der 33-Jährige den SUV zur Pannenstelle chauffierte. Er sei dann aber derjenige gewesen, der mit dem SUV auch weiterfuhr und die Grenze passierte. So zumindest die Aussagen zweier Zeugen, die zum Prozess sogar greifbar waren – eine unübliche Erfahrung bei Schlepperprozessen.
Technik setzte Zeugenbefragung schachmatt
Jetzt begann die rabenschwarze Serie der Richterin. Denn vier Zeugen sollten per Videoschaltung aus diversen Bezirksgerichten aussagen. Beim ersten Zeugen, einem Kurden, der die gefährliche Reise im Kofferraum verbrachte, klappte das noch recht gut, nur konnte er nicht zur Identifizierung des Angeklagten beitragen. Der nächste Zeuge, für den extra eine Arabisch-Dolmetscherin bestellt wurde, sollte im Bezirksgericht Horn für Raufer zu sprechen sein.
Doch das Bezirksgericht war weder mit dem System verbunden, noch konnte die Richterin in mehreren Versuchen, die genannte Kontaktperson erreichen. Also nahm sie den Weg jedes Bürgers und rief direkt an.
Und ja, man fühlte sich ein wenig an Kafka erinnert, so oft sie es auch versuchte, so oft erreichte sie jemand anderen und schilderte erneut ihr Anliegen. Schließlich erhielt sie doch Auskunft, dass es sich um Serverprobleme handle. Der Zeuge war übrigens vor Ort. Mit leichtem Grummeln vertagte Raufer, von der Technik schachmatt gesetzt.