Kühlschrank war leer: Tankstelle in Frauenkirchen überfallen

„Sie konnten sich das Essen und Tanken nicht leisten“, schilderte Staatsanwältin Beatrix Resatz die prekäre Situation, in der sich die beiden Angeklagten im Herbst 2022 befanden. „Sie entwickelten den Plan, im Stil von Bonnie & Clyde einen Tankstellenüberfall zu begehen.“
„Ich war so naiv, glaubte ihm alles und wollte alles machen, was er sagte“, erzählte die mittlerweile 18-jährige Niederösterreicherin aus dem Bezirk Bruck/Leitha am 9. März 2023 vor Gericht.
Am 15. Oktober 2022 hatte sie unter dem Vorwand, die Toilette benützen zu wollen, eine Tankstelle in Frauenkirchen ausspioniert. Sie fertigte Videos an, die sie danach ihrem draußen wartenden 30-jährigen Freund zeigte.
Dieser betrat wenig später mit einer Sturmhaube maskiert und mit einer wie echt aussehenden Gaspistole die Tankstelle. „Ich legte die Waffe auf den Tresen und sagte: Geld her“, erzählte der 30-Jährige vor Gericht.
Räuber: „Ich sagte, danke, einen schönen Abend noch“
„Ohne Mucks“ habe ihm die Angestellte das Geld gegeben. „Auch wenn es idiotisch klingt: Ich sagte, danke, schönen Abend noch“, erinnerte sich der Angeklagte.
Die Angestellte, die sich zu diesem Zeitpunkt alleine im Tankstellen-Shop befand, hatte geistesgegenwärtig den Alarmknopf gedrückt, sodass sich die automatische Glasschiebetüre nicht mehr öffnete.
„Ich bekam Panik, mein Herz klopfte“, sagte der 30-Jährige. Er schrie die Angestellte an, diese öffnete die Tür. In der Hektik fiel dem Räuber das Geld aus der Hand, er verlor auch einen Teil der Pistole, und bückte sich, um alles wieder einzusammeln. Einige Scheine - insgesamt 80 Euro - blieben vor der Tankstelle liegen, das Pärchen ergriff die Flucht.
Die 17-Jährige war im August 2022 bei dem 13 Jahre älteren Mann eingezogen, es handelte sich um den früheren Freund ihrer Schwester. Ihre Eltern wussten nichts von der Beziehung.
Leumundszeugnis gefälscht, Handy gestohlen
Sie wiederum wusste nichts davon, dass ihr Freund im August seinen Job verloren hatte, weil er bei seinem Arbeitgeber ein iPhone gestohlen und ein gefälschtes Leumundszeugnis vorgelegt hatte.
Sie habe nicht einmal mehr Geld fürs Tanken gehabt, so die junge Frau, die als Lehrling täglich ihren Lehrbetrieb aufsuchen musste.
„Der Kühlschrank war leer, Hundefutter musste her, Milch, Kaffee, die letzten Nudeln hatten wir verkocht“, erzählte der 30-Jährige. Beide gaben aber auch zu, von dem geraubten Geld Cannabis gekauft zu haben.
2.215 Euro hatten sie erbeutet und es dauerte eine Zeitlang, bis sie erwischt wurden.
Polizei bekam Hinweise: Verhaftung im November
Die Polizei bekam Hinweise und am 24. November 2022 klickten die Handschellen.
Die 17-Jährige bekam das „Übel der Haft“ zu spüren, „ein Häufchen Elend“ sei sie gewesen, als er sie das erste Mal in der Justizanstalt besuchte, sagte Verteidiger Nikolaus Mitrovits.
Mit der Weisung, eine Psychotherapie zu beginnen und mit einer Bewährungshelferin zusammenzuarbeiten, wurde die Jugendliche entlassen. Das klappte gut, die mittlerweile 18-Jährige führt ihre Lehre fort und hat große Pläne: „Ich will in die Welt reisen, Erfahrungen sammeln.“
Zum 30-Jährigen hat sie keinen Kontakt mehr.
Dass gegen den dreifach Vorbestraften wegen eines Tankbetrugs ermittelt wurde, habe sie gar nicht mitbekommen.
Bei dem Raub habe sie „aus Liebe“ mitgemacht. Ihr Freund habe ihr eingeredet, „es könne nichts passieren“.
Mit Hilfe ihrer Mutter hatte sie 2.691 Euro an die Tankstelle zurückbezahlt.
Dem 30-Jährigen wurde auch der Handydiebstahl bei seinem Ex-Arbeitgeber vorgeworfen. Auf Videoaufnahmen soll zu sehen sein, wie er mit einer schwarzen Schachtel hantiert, in dem sich das iPhone befunden haben soll.
„Das war meine schwarze Brieftasche!“, behauptete der Angeklagte.
Alle sahen: Die Brieftasche ist braun!
Daraufhin ließ Richterin Gabriele Nemeskeri die Brieftasche des 30-Jährigen aus den Depositen in der Justizanstalt bringen. Sie war, wie alle im Gerichtssaal sehen konnten, braun.
„Es kommt jetzt blöd“, war der Angeklagte um keine Ausrede verlegen. „Ich habe die Brieftasche gewechselt, kurz bevor ich in Haft kam. Ich wechsle die Brieftaschen wie die Unterhosen.“
„Die beiden stellen sich als Opfer da, sie hatten kein Geld mehr“, fasste die Staatsanwältin die Verantwortung der Angeklagten abschließend zusammen. „Geld für Cannabis war allerdings da, das war einer der Motoren, die zum Raub führten: Cannabiskraut brauchte man.“
Man müsse jedenfalls die Folgen beachten, die ein Raubüberfall mit einer Waffe, die wie echt aussieht, beim Opfer verursache, so die Staatsanwältin.
Der Schöffensenat sprach beide Angeklagten schuldig. Die 18-Jährige wurde zu 15 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, ihr Ex-Freund zu 30 Monaten unbedingt. Vom Vorwurf des Tankbetrugs, der beim Raubprozess mitverhandelt wurde, wurde er freigesprochen, verurteilt wurde er jedoch wegen des Handydiebstahls und der Urkundenfälschung.
Das Urteil ist rechtskräftig.