VRV 2015: Kameralistik war gestern

Jetzt wird es ernst. Ab 15. November sollten die Haushaltsvoranschläge der Gemeinden für das Jahr 2020 öffentlich zur Einsichtnahme aufliegen. Bis dahin herrscht bei den Amtsleitern und Buchhaltern der Gemeinden Hochbetrieb. Ganz besonders heuer: Die Voranschläge 2020 sind die ersten, die nach der neuen Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015 (VRV 2015) erstellt werden müssen.
Sie ersetzt nach knapp 20 Jahren die VRV 1997. Damit erfolgt eine grundlegende Änderung der Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse von Gemeinden. Die Kameralistik mit Einnahmen und Ausgaben sowie ordentlichem und außerordentlichem Haushalt war gestern. Jetzt hat die Doppik (doppelte Buchführung) das Sagen.
Die Basis des neuen Haushaltsrechts bildet ein integrierter Ergebnis-, Finanzierungs- und Vermögenshaushalt. Der Ergebnishaushalt bildet dabei in Anlehnung an die doppische Buchhaltung die Ertrags- und Aufwandssituation der Gemeinden ab – darin berücksichtigt sind auch alle Abschreibungen. Das macht es gerade bei Wasserleitungs- oder Kanalbauprojekten spannend. Denn damit kommt die Kostenwahrheit ans Licht, die sich auch auf die Gebührenhaushalte auswirken könnte. Der Finanzierungshaushalt ist die kassenmäßige Gebarung und umfasst alle Ein- und Auszahlungsbewegungen.
„Auch wenn Fehler anfangs nicht ganz zu vermeiden sein werden und in Nachtragsvorschlägen korrigiert werden müssen, das Geld wird stimmen.“Gerhard Nenning
Dazu kommt der Vermögenshaushalt, den jede Gemeinde für sich bewerten muss, wobei dort sowohl veräußerbares Vermögen (zum Beispiel Wald, Grundstücke, Wohnungen) als auch nicht veräußerbares Vermögen (Gemeindestraßen, Kanalisation, Wasserleitungsnetz) angeführt sein müssen.
Und da ist auch schon das erste Problem. Denn eigentlich sollten die Vermögensbewertungen von Straßen oder Güterwegen vom Land vorgegeben werden. Bis zur Vorwoche lagen aber noch keine Bewertungen auf den Tischen der Gemeinden. „Wir hängen da noch ziemlich in der Luft. So wie es insgesamt noch viele Baustellen gibt – etwa auch bei den EDV-Programmen, die erst jetzt sukzessive in den Gemeinden installiert werden können, weil es immer noch Unklarheiten gegeben hat“, erklärt der Scheibbser Stadtamtsdirektor Gerhard Nenning bei einem Besuch der NÖN in der Scheibbser Buchhaltung.
Er kritisiert auch, dass der eigentliche Sinn der VRV 2015, ein einheitliches und vergleichbares System in ganz Österreich einzuführen, durch etliche individuelle Länderregelungen wieder aufgeweicht wurde.
An eines werden sich viele gewöhnen müssen: Der Ergebnishaushalt wird künftig nur mehr in den wenigsten Gemeinden positive Zahlen aufweisen, da die Vermögensbewertung und damit die Abschreibungen die meisten Gemeinden relativ hoch ansetzen werden.
„Insgesamt hätte man es den Gemeinden leichter machen können, wenn man die VRV um ein oder zwei Jahre verschoben hätte. Aber da war der politische Wille ein anderer“, weiß Nenning, der vor allem die kleinen Gemeinden in der jetzigen Phase nicht beneidet. Denn dort gibt es keine eigene Buchhaltungsabteilung wie etwa in Scheibbs. „Da muss sich der Amtsleiter nach den EU- und Nationalratswahlen sowie der Vorbereitung der Gemeinderatswahlen auch noch mit der VRV 2015 auseinandersetzen. Das ist eine Challenge“, weiß Nenning und rechnet daher mit mehr Nachtragsvoranschlägen im ersten Halbjahr als bisher, um kleinere Fehler zu korrigieren. „Eines ist aber gewiss: Alle Gemeinden werden einen Finanzierungshaushalt zustande bringen und das Geld selbst wird stimmen“, sagt Nenning.