Von der Hölle ins Paradies

Mit Stolz trägt Daved Issa Barham seit zwei Wochen ein Tattoo. Ein ganz besonderes. Denn der Palästinenser hat sich die drei Worte „Ich liebe Österreich“ auf seinem rechten Unterarm verewigen lassen. Warum? Weil er hier Frieden, Freiheit und Freunde gefunden hat. In seiner Heimat, dem Gazastreifen, wäre das nicht mehr möglich gewesen. Der NÖN erzählte er von seiner Flucht in die Europäische Union und, wie sich sein Leben seitdem entwickelt hat.
Die letzten Jahre in seiner Heimat verbrachte Daved Barham versteckt im Haus seiner Eltern. Aus Angst vor der Terrororganisation Hamas, die versucht hatte, ihn zu töten. „Ich bin ein guter Mechaniker. Die Hamas wollten, dass ich für sie arbeite. Aber ich habe ihnen gesagt, dass ich das nicht tun werde“, erzählt der 39-Jährige mit leiser Stimme. Kurze Zeit später standen vier Männer vor ihm, die auf ihn einschlugen und ihm zwei Messer in den Körper stachen. Eines in die Schulter, eines in den Bauch. „Ich war ein Monat lang im Spital und man wusste nicht, ob ich das überlebe. Danach habe ich Depressionen bekommen“, erklärt Barham auf Englisch. Es gab keinen Doktor oder Medikamente, die ihm helfen konnten. Auch nicht die Polizei. „Da ist keine Polizei oder Justiz, die dir hilft. Im Spital hat man gesagt, dass das ein Selbstmordversuch war“, schildert er.
„Wenn ich gesagt habe, ich bin Christ und komme aus Palästina, hat man uns geholfen. Ich wollte nicht mehr zurückblicken.“ Daved Issa Barham
Seit diesem Erlebnis hatte er Angst. Und irgendwann fiel der Entschluss, dass das aufhören muss. „Wenn man einmal geht, dann kann man nicht mehr zurück“, wusste Daved Barham schon damals. Immerhin musste er im Gazastreifen seine Eltern und seine beiden Schwestern zurücklassen. Das war vor zweieinhalb Jahren. Der intensive Kontakt zu seiner Familie ist seitdem aber nie abgebrochen.
Die Reise bestritt Daved Barham, der übrigens als staatenlos gilt, gemeinsam mit seinem Freund „George“. 5.000 Euro mussten sie bezahlen, um nach Ägypten zu kommen, danach weiter nach Serbien. Zum Teil waren sie in der Kanalisation unterwegs, um unbemerkt weiter zu kommen. Nach zwei Wochen in Belgrad reisten sie weiter nach Ungarn, die Staatsgrenze überquerten sie zu Fuß. „Ich wollte nicht mehr zurückblicken. Uns wurde auf der Reise oft geholfen. Wenn ich gesagt habe, ich bin Christ und komme aus Palästina, hat man uns immer geholfen“, ist der 39-Jährige dankbar. Mit dem Flixbus ging es weiter nach Wien, irgendwann landeten die beiden dann in St. Pölten. Dort gefiel es ihm aber nicht, umgeben von vielen anderen Flüchtlingen – darunter auch viele Muslime – fühlte er sich nicht wohl. „Im Sozialhaus hatte ich Angst. Da waren viele Leute aus Afghanistan und Syrien, die mich überreden wollten, Muslim zu werden“, berichtet er. Er wollte weg von St. Pölten, er wollte arbeiten und ein Zuhause finden. Ein Bekannter sagte ihm: Steig in den Zug und fahr nach Purgstall. Von dort aus kam er nach Steinakirchen. Als er vor etwa fünf Monaten am Gemeindeamt angekommen war und gefragt wurde, wie lange er bleiben möchte, wusste er: „Forever“. Das ist seine Endstation. „Ich komme aus der Hölle. Das ist das Paradies.“
Denn in Steinakirchen wurde er rasch aufgenommen. Pfarrer Hans Lagler stellte ihm ein Gästezimmer im Pfarrzentrum zur Verfügung, Elisabeth Pohl unterstützt ihm seit Kurzem beim Deutschlernen. Eine besonders wichtige Stütze aber ist Ingeborg Grubner. Die Steinakirchnerin lernte der Palästinenser gleich zu Beginn kennen und ist seither gut mir ihr befreundet. „Ich habe mich selbst neu gefunden und fühle mich wie neu geboren. Die Leute hier helfen mir und sind auch glücklich darüber, dass ich da bin“, strahlt er. Nun muss nur noch das Asylverfahren gut ausgehen.
„Er bemüht sich und hat Arbeit in Steinakirchen gefunden. Und ich freue mich, dass ich ihn dabei unterstützen kann“, sagt Grubner. Pfarrer Hans Lagler handelte nach dem Matthäusevangelium: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen.“ Darüber hinaus hat er einen neuen Gast für seinen Gottesdienst gewonnen. Denn Daved Barham besucht in Steinakirchen regelmäßig die Kirche – ohne Angst, jemand würde ihn dafür verurteilen.