Drama bei Oberndorfer Störchen

Kindersegen hat es Anfang Mai bei Familie Storch in Oberndorf gegeben. Gleich vier Küken schlüpften im Horst auf dem Rauchfang am Hof der Familie Gansch und wurden von den Eltern fleißig gefüttert.
Am vergangenen Sonntag bemerkte Johanna Gansch bei ihren Störchen jedoch ein ungewöhnliches Verhalten: „Beide sind weggeflogen, was sie sonst nie tun, wenn sie Junge haben. Da wechseln sie sich in der Brutpflege ab. Einer bleibt beim Nest, der andere fliegt auf Futtersuche“, schildert Johanna Gansch.
„Die Störche gehören zu unserem Haus. Man lebt mit den Tieren mit.“ „Storchenmama“ Johanna Gansch
Auf dem Hof stieß sie auf die Zeichen einer Tragödie: Auf dem Dach lagen zwei tote Storchenküken, ein weiterer Jungstorch lag tot unter dem Kastanienbaum. Ob sich das vierte Junge noch im Nest befand, war nicht festzustellen. „Ich habe meinen Mann gebeten, mich mit dem Stapler hochzuheben. In der Dachrinne habe ich dann den letzten kleinen, toten Storch gefunden“ sagt die „Storchenmama“.
„Die Störche gehören zu unserem Haus. Man lebt mit den Tieren mit. Wir haben uns so gefreut, dass sie heuer mit dem Brüten so viel Erfolg hatten“, sagt Johanna Gansch traurig. „Dass jetzt alles umsonst war, ist sehr tragisch. Warum die Kleinen gestorben sind, und noch dazu alle auf einmal, können wir uns nicht erklären.“ Nahrungsmangel, der bei Störchen oft zur Vernichtung der Brut führt, könne nicht die Ursache gewesen sein: „Man konnte beobachten, dass die Alten viel Futter gebracht haben, es war ein ständiges Kommen und Gehen beim Nest.“
Die tot aufgefundenen Jungen seien gut entwickelt gewesen: „Storcheneier sind nicht viel größer als Hühnereier, und die Küken dementsprechend klein. Die toten Küken waren für ihr Alter von zwei Wochen schon sehr groß. Sie waren tüchtig gewachsen. Verhungert sind sie sicher nicht.“
Tod durch Rattengift oder Insektizide
Auch Storchen-Experte Gerhard Maywald vom Storchenhaus Marchegg, mit dem Familie Gansch seit Jahren in engem Kontakt steht, kann sich den Tod der kleinen Störche schwer erklären. Er engagiert sich seit 43 Jahren für die Storchenpaare in den Donau-Auen von Marchegg und kennt ihr Verhalten genau.
„Wenn Störche Junge aus dem Nest werfen, sind das immer unterernährte, verkümmerte Küken. Aber dass vier Jungstörche gleichzeitig sterben, ist ungewöhnlich.“ Maywald erinnert sich jedoch an einen ähnlichen Fall in Marchegg: „Damals haben wir herausgefunden, dass die Storcheneltern ihren Jungen vergiftetes Futter von einer Mülldeponie gebracht haben.“
Maywald vermutet, dass im Fall der Oberndorfer Störche ebenfalls durch Rattengift oder Insektizide vergiftetes Futter zum Tod der Jungstörche geführt hat. Die Oberndorfer Störche könnten Zeit haben, noch einmal zu brüten. „Wenn man gleich vier Jungstörche verliert, wirft das die Population um mehrere Jahre zurück“, sagt Gerhard Maywald: „Wir haben immer weniger Störche. Jeder einzelne ist wichtig.“ Es bleibe zu hoffen, dass nicht auch die Altstörche vergiftete Nahrung aufgenommen haben.