Einsamkeit in der Pension muss nicht sein

Die Kinder sind erwachsen und stehen im Berufsleben. Oft sind sie auch weit weggezogen. Freunde sterben. Manche Menschen haben im Berufsleben so viel gearbeitet, dass Freundschaften schon vor ihrer Pension auf der Strecke geblieben sind, und sie fühlen sich jetzt, wo der strukturierte Alltag weggebrochen ist, nicht imstande, neue Verbindungen zu knüpfen. Das Gefühl, „nicht geliebt zu werden“, eine innere Leere und Einsamkeit machen sich breit.
Beratungsgespräch als Erste-Hilfe-Maßnahme
Margarete Sitz, Supervisorin und Coach des Vereins Lichtblick in Wiener Neustadt, bietet in der Sparte „Psychologisches Gespräch“ Beratung und Supervision gegen eine freie Spende an. „Wenn man sich einsam fühlt“, so die Beraterin, „kann so ein Gespräch oft neue Perspektiven eröffnen.“ Älter werden sei, laut Sitz, durch Gewinn und Verlust gekennzeichnet. Einerseits gewinne man Zeit, die man für sich nutzen kann. Andererseits verliere man Bezugspersonen. Es klinge zwar verlockend, endlich mehr Freizeit zu haben, aber es gelte eben auch, diese freie Zeit für sich so zu nutzen, dass das Leben sinnvoll bleibe und der Kontakt zu anderen Menschen nicht verloren gehe. „Bei einem Beratungsgespräch mit jemandem, der sich einsam fühlt, lasse ich mir zuerst den Lebensweg erzählen, um seine Stärken herauszufinden. Auch die Kontaktpersonen wie Schulfreunde, Nachbarn, Familie versuche ich wieder in Erinnerung zu rufen.“

Vielleicht möchte die Person wieder einmal einen Brief schreiben oder sich doch noch einmal trauen, einen Computer zu bedienen. Oft sehen einsame Menschen ihre Möglichkeiten gar nicht mehr, da kann so ein Beratungsgespräch die Augen öffnen. Das Leben soll bis ins hohe Alter sinnvoll bleiben, sonst entstehen Langeweile und Sinnlosigkeit. Ist man immer allein, so die Supervisorin, komme schnell das Gefühl auf, man würde nicht mehr gebraucht und gehe niemandem ab. Diese Einstellung sei ein guter Nährboden für eine depressive Erkrankung.
Wie kann man aber nun konkret gegensteuern, um der „Einsamkeitsfalle“ zu entkommen?
Struktur im Alltag gegen Einsamkeit
Sitz empfiehlt, klare Strukturen in den Alltag einzubauen: sich pflegen, ankleiden, Mahlzeiten einhalten, etwas Gutes Kochen, Kaffee trinken, eventuell eine Freundin oder einen Freund dazu einladen, einkaufen gehen, bei der Nachbarin anläuten, vielleicht mal auf die Kinder aufpassen. Also seinen Tag aktiv gestalten und auch gleich für mehrere Tage vorausplanen.
Die Technik als Chance sehen
Klar kann man einem Schulfreund, einer Bekannten einen Brief schreiben, aber man kann es auch einmal mit einer E-Mail versuchen. Sich ein Tablet zulegen und in der Volkshochschule einen Kurs zur Bedienung von Computer, Smartphones und Tablets belegen. Mit dem neuen Know-how ist es dann einfach, mit einem mobilen Messenger (WhatsApp, Telegram, Signal und Co.) eine Gruppe zu gründen und mit Freunden zu netzwerken. Proaktiv werden ist die Devise: alte Bekannte kontaktieren, Nachbarn freundlich grüßen und Verwandten Geschenke schicken. Immer mit dem Credo: Ich erwarte nichts, aber genieße den Moment, wenn etwas zurückkommt.
In Turn- und Sportvereinen werden viele Bewegungskurse angeboten. Auch beim Walken und Spazierengehen kann man Gleichgesinnte treffen. Wer den täglichen Spaziergang in seine Alltagsstruktur einbaut, fühlt sich bald fitter und verbessert sein Wohlbefinden deutlich.
Ehrenämter bringen soziale Kontakte
Menschen, die sich fit und gesund fühlen, übernehmen auch gerne soziale Verantwortung. In Österreich gibt es ein großes Angebot an ehrenamtlichen Tätigkeiten. Die Beraterin des Vereins Lichtblick nennt nur ein paar Beispiele für ehrenamtliches Engagement: Rettungsorganisationen oder Sportvereine unterstützen, bei der Tafel oder im Somamarkt Lebensmittel retten und Menschen helfen, im Henry Laden oder bei der Volkshilfe Secondhandware für den guten Zweck verkaufen oder bei den Hauskrankenpflegeorganisationen als Besuchsdienst arbeiten. „Einfach anrufen und fragen!“, schlägt Sitz vor.
Bei diversen Kursen Gleichgesinnte treffen
In Wiener Neustadt könne man sich beim Sozialservice des Magistrates über die städtischen Seniorenklubs erkundigen. Diese Klubs organisieren regelmäßige Seniorencafés, Ausflüge, Vorträge und Exkursionen. Auch das Bildungshaus St. Bernhard in Wiener Neustadt und alle Volkshochschulen des Landes bieten spezifische Kurse für Sprachen, Bewegung, Geschichte, Töpfern und vieles mehr. Jüngere Senioren können auch zum Arbeitsmarktservice gehen und mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung ein paar Stunden in einem Geschäft oder Handwerksbetrieb arbeiten.
Besuchsdienste bringen Leben in den Alltag
Für hochaltrige Menschen ist es schon etwas schwieriger, aus ihrer Einsamkeit herauszukommen. Oft können sie die Wohnung nicht mehr verlassen. Doch telefonieren geht meist noch. Institutionen wie Volkshilfe, Caritas, Rotes Kreuz oder Hilfswerk bieten Besuchsdienste an und begleiten Personen bei Arztbesuchen, Behördenwegen, erledigen Einkäufe gemeinsam mit dem Besuchten oder auch für ihn. Sie sind verlässliche Gesprächspartner, spielen Brett- und Kartenspiele und gehen mit den Menschen spazieren.
„Regelmäßige Besuchsdienste geben älteren Personen mehr Sicherheit und wirken durch Aufmerksamkeit und Kommunikation der Vereinsamung entgegen“, so Sitz.
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