Wärmepumpe zu laut: Sechs Mal auf Nachbarn eingestochen

Als Angeklagter hat man viele Rechte, unter anderem das, die Dinge so zu betrachten, wie sie einem selbst zu Gesicht stehen. Das muss dann nicht notwendigerweise mit der Wahrheit zu tun haben - und verbessert normalerweise die Chance auf ein mildes Urteil auch nicht. Seit dem Einbau der Wärmepumpe bei den Nachbarn letzten Dezember habe sich ein 37-jähriger Afghane empfindlich gestört gefühlt, vom Lärm des Geräts.
Mehrere Klärungsversuche verliefen im Sand, vielleicht auch deshalb, weil der Afghane des Deutschen nur sehr bruchstückhaft mächtig ist, und selbst das Abschalten der Pumpe zwischen halb neun abends und halb acht morgens brachte - zumindest für den Afghanen - keine Besserung. Der Wärmepumpen-Streit in Deutsch-Wagram gipfelte am 7. Februar dieses Jahres darin, dass der 37-Afghane am Gartentor seines Nachbarn (39) sechsmal auf diesen einstach. So zumindest der Vorwurf von Staatsanwältin Verena Lechner am Landesgericht Korneuburg.
„Alle meine Angaben sind richtig“
„Ich schwöre bei Gott, dass ich nicht schuldig bin“, waren die ersten Worte des Angeklagten auf die obligatorische Frage der vorsitzenden Richterin Lydia Rada, wie er sich zu dem Vorwurf bekenne. „Alle meine Angaben sind richtig“, so der bisher Unbescholtene, weswegen wohl der Nachbar und dessen Frau, die das Vorgefallene beobachtet hatte, lügen müssten. Das aber wäre als Zeuge nicht besonders ratsam, da eine Falschaussage mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht ist.
Wie er sich dann erklären könne, dass der Nachbar knapp eine Viertelstunde nach seinem Besuch mit Stichwunden am Oberschenkel und im Bauch ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wollte die Richterin stellvertretend für den Schöffensenat vom Afghanen wissen. Da hatte er einiges an Varianten anzubieten, wie eine Verschwörung des Paares, oder dass die Frau die Chance genutzt hätte, oder dass schlicht und ergreifend jemand anderes in dieser Zeit noch vorbeigekommen ist.
Der Trumpf der Verteidigung: Die fehlende Tatwaffe
Neben diesen eher haarsträubenden Varianten, was passiert sein könnte - wenn es nicht der 37-Jährige war -, hatte Verteidiger Gerhard Walzl aber tatsächlich einen Trumpf im Ärmel: Das Messer des Angriffs wurde von den Beamten nicht gefunden. Dass es aber eines gegeben haben muss, führte der Gerichtsmediziner Wolfgang Denk in seinem Gutachten aus. Demnach dürfte die Klingenlänge etwa vier Zentimeter betragen haben und die Stiche seien in rascher Folge mit wenig Wucht ausgeführt worden.
Staatsanwältin Lechner machte es den Schöffen mit ihrem Schlussplädoyer zusätzlich einfacher. Bei Aussage gegen Aussage sei es nicht immer leicht, die Glaubwürdigkeit der einen oder der anderen Seite zu beurteilen: „Dieses Problem haben wir hier nicht.“ Seine letzten Worte vor dem Urteilspruch nutze der Angeklagte für Bewährtes: „Ich hab nichts getan.“ Dass sah der Schöffensenat anders und verurteilte ihn zu 15 Monaten Freiheitsstrafe, wobei fünf davon in Haft zu verbüßen sind.
Zufriedenstellend war das Ergebnis dann wohl für keine der Seiten; alle Beteiligten behielten sich Rechtsmittel vor. Als der 37-Jährige wieder in seine Zelle gebracht werden sollte, wo er seit dem Vorfall in Untersuchungshaft saß, blitzte eine andere Seite an dem Mann auf. Während er sich im Prozess ausgesprochen ruhig verhielt, ging er die Richterin bei seinem Abschied aus dem Gerichtssaal recht scharf verbal an. Das kann aber erfahrene Richter nicht erschüttern. Ein unverbindliches „auf Wiedersehen“ war alles, was er als Antwort auf seine Pöbelei erhielt.