Stefan Michael Newerkla: Mit Tschechisch zu Uni-Karriere

Spricht er über böhmische Süßspeisen, kommt Stefan Michael Newerkla aus dem Schwärmen fast nicht mehr heraus. Kein Wunder. Seine Vorliebe dafür hat vor vielen Jahren eine junge Dame auf ihn aufmerksam werden lassen und ihm auch zu seinem beachtlichen Berufsweg verholfen. Newerkla ist in Groß Gerungs aufgewachsen und heute einer der führenden Slawisten Österreichs. Mit der NÖN sprach er über seine ersten Grenzerfahrungen, einen besonderen Aufenthalt in Marienbad und seine Leidenschaft für die tschechische Sprache.
Stefan Michael Newerkla lebt in Wien, seine Waldviertler Wurzeln führen aber nicht nur nach Groß Gerungs: Er wurde in Horn geboren und hat dort Verwandte. Der Vater arbeitete bei der Sparkasse, im Kindesalter übersiedelte Newerklas Familie nach Groß Gerungs. Dort besuchte er die Volksschule. Danach ging es nach Zwettl ins humanistische Gymnasium. Die Schule habe seinen Werdegang stark geprägt – besonders der Sprachunterricht. Neben Englisch, Latein und Griechisch hat er Russisch gelernt.
Bald war das Interesse für die slawischen Sprachen geweckt
Exkursionen in die Sowjetunion, Teilnahme an Russisch-Wettbewerben und Ausflüge nach České Velenice haben bleibenden Eindruck hinterlassen. Erste Erfahrungen mit der Grenze habe er schon als Kind gemacht, erzählt Newerkla. Meist gemeinsam mit dem Bruder. Meist aus heutiger Sicht recht gefährlich. Irgendwann formte sich der Studienwunsch.
Russisch und Japanisch sollten es werden, bevorzugt in Innsbruck. Die Hügel an der Grenze von Waldviertel und Südböhmen gegen die Tiroler Berge eintauschen. Doch daraus wurde nichts, im Studentenwohnheim war nämlich kein Platz frei. Also doch Wien. Nach der Matura führte ihn ein Sommersprachkurs nach Marienbad – die Tschechoslowakei war damals noch nicht geteilt.
In Marienbad die Sprache kennengelernt – und die Liebe
Die böhmischen Süßspeisen, über die er heute noch schwärmt, hatten es Stefan Michael Newerkla so angetan, dass er gleich die doppelten Portionen gegessen hat. Damit ist er auch einer Serviererin aufgefallen. So kam es, dass er in Marienbad neben der tschechischen Sprache auch seine spätere Gattin kennengelernt hat. Er absolvierte den Zivildienst, währenddessen entstand ein reger Briefwechsel mit der jungen Tschechin.
Dadurch änderte sich auch die Studienwahl: Englisch und Tschechisch auf Lehramt, nach dem Abschluss sollte es gemeinsam mit der Partnerin zurück ins Waldviertel gehen. Was fehlte, war aber ein Platz fürs Unterrichtspraktikum. Den gab es damals nur in Retz – und der war belegt. Zur Überbrückung hat Newerkla an seiner Dissertation gearbeitet, später folgte die Habilitation zum Professor. Das Unterrichtspraktikum hat er zwar nachgeholt, das Interesse seiner Arbeit verlagerte sich aber in Richtung der Forschung.
Sprachkontakte von Tschechisch, Slowakisch und Deutsch. 2004 hat er sich für eine Professur für Westslawische Sprachwissenschaft am Institut für Slawistik der Uni Wien beworben. „Zu meiner Überraschung bin ich es geworden“, schmunzelt er: „Ich wurde jung berufen und bin dadurch dienstältester Professor an der Slawistik.“ Inzwischen ist er stellvertretender Institutsvorstand, hält Vorlesungen, Seminare und betreut wissenschaftliche Arbeiten. Er gehört zudem der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an.
In der Forschung liegt sein Hauptaugenmerk auf Sprachkontakten zwischen dem Tschechischen, Slowakischen und Deutschen. Die starke Ausrichtung auf die Bohemistik suche man an anderen Hochschulen vergeblich, sagt Newerkla. Insofern macht er sich auch Gedanken um die Zukunft: „Auf dem Nachkommen jüngerer Generationen baut das Weiterleben des Faches auf.“
Die Annäherung der Grenzregionen nach dem Fall des Eisernen Vorhanges hat auch er mitverfolgt. „Am Anfang wollten viele Tschechisch lernen. Dann haben sie bemerkt, dass die Sprache schwierig ist und das Interesse verloren“, sagt er: „Bis das zusammenwächst, dauert es eben.“ Er selbst spricht auch zuhause Tschechisch – mit den zweisprachig aufgewachsenen Kindern. Und mit der Gattin, die einst wegen seiner Vorliebe für böhmische Süßspeisen auf ihn aufmerksam wurde und durch die er auch seinen beruflichen Weg fand: „Ich bin direkt froh, dass ich damals Tschechisch gewählt habe. Es ist viel unkomplizierter als Russisch.“