Visualisierte Geschichte

Erstellt am 29. August 2019 | 12:43
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Hallo Mostviertel KW36
Foto: zVg
Der Waidhofner Gerald Raab dokumentiert und visualisiert mit seinem Unternehmen „Crazy Eye“ weltweit archäologische Fundstätten mittels 3D-Scans, Drohnenaufnahmen und modernster Technologien. Derzeit ist er damit beschäftigt, Daten über die Burg Konradsheim zusammenzustellen.

Bereits im Alter von fünf bis sechs Jahren begann sich Gerald Raab, angeregt durch die Buchreihe „Was ist was“, für Geschichte und Archäologie, zu interessieren. Nach dem Besuch der Volksschule in Zell absolvierte Gerald das Bundesrealgymnasium Waidhofen an der Ybbs und wechselte nach der Unterstufe an die HTL. „Dort habe ich mich für den Zweig Wirtschaftsinformatik entschieden. Da habe ich mich auch schon zu freiwilligen Grabungen auf der Keplerwiese am Linzer Schlossberg aus der napoleonischen und römischen Zeit gemeldet.“

Zunächst studierte der Ybbstaler Chemie an der Uni Wien, wechselte dann aber zur prähistorischen und historischen Archäologie und machte den Bachelor. „Ich habe mich deshalb dazu entschlossen, weil in diesem Bereich der Archäologie Technik ein wesentlicher Bestandteil ist, um Antworten auf Fragen zur damaligen Lebenswelt der Menschen zu finden. Allerdings steht mein Master noch aus. Denn da ist mir die Firmengründung dazwischengekommen,“ erklärt Gerald Raab, der in Wien lebt und seit zehn Jahren auch an den Ausgrabungen der fürstlichen Siedlung von Vix in Frankreich, rund fünfzig Kilometer von Dijon entfernt, mitarbeitet und nun Daten über die Burg Konradsheim bei Waidhofen sammelt.

Aber ist Archäologie nicht etwas Verstaubtes? „Naja, kommt darauf an, wo sie graben oder forschen. In der Wüste hat sie doch öfter auch mit Staub zu tun“, meint Gerald Raab schmunzelnd. „Nein, im Ernst, verstaubt ist es nicht, wenn man sich für das Erbe der Menschheit interessiert. Wenn ich mich für bestimmte Dinge wenig bis gar nicht interessiere, wirkt es eben verstaubt. Mir geht es in manchen anderen Bereichen genauso. Fakt ist, Archäologie eignet sich hervorragend, um Ergebnisse so zu präsentieren, dass für jeden was dabei ist. So zum Beispiel für Handwerker die experimentelle Archäologie, wo Werkzeuge aus vergangenen Zeiten exakt nachgebaut und auf ihren Nutzen getestet werden. Es handelt sich ja um unsere Vorfahren und das soziale Gefüge einer Gesellschaft funktionierte damals wie heute.“

Bildbasierte Lösungen

Mittlerweile zählt Gerald Raab gemeinsam mit dem Archäologen Ronny Weßling und dem Archäologen und Geoinformatiker Roman Skomorowski und deren vor zweieinhalb Jahren gegründeten OG „Crazy Eye“ zu den führenden heimischen Experten, die bildbasierte Lösungen für Wissenschaft, Technik und Industrie anbieten. „Uns geht es darum, Kulturgut für nachfolgende Generationen zu bewahren. Wenn man so will sind wir Vertreter der zerstörungsfreien Archäologie“, erklärt Gerald Raab. „Unter Präventivarchäologie bzw. Prospektion versteht man die Erkundung und Erfassung von archäologischen Stätten in einem bestimmten Gebiet, und zwar hauptsächlich im zerstörungsfreien Vorgang.

Unter den Methoden findet sich auch die Archäometrie, darunter speziell Bioprospektion und die geophysikalische Prospektion, um Unbekanntes unter der Erdoberfläche zu registrieren bzw. Bekanntes näher in Betracht zu nehmen. Dank der neuesten Technologien wie etwa dem Einsatz von Drohnen und digitaler Messgeräte, muss man heute nicht alles ausgraben, um Vergangenes neu erstehen und sowohl für die Wissenschaft als auch für die breite Öffentlichkeit nutzbar zu machen. Die Menschheitsgeschichte kann also quasi nach eingehender Datenerfassung bildbasiert mittels 3D eingefangen und wiedergegeben werden.“

Zu den Auftraggebern für die hochauflösenden, fotorealistischen 3D-Modelle bestehender Objekte, Architektur und Landschaft von Crazy Eye“ zählen etwa die Universitäten Wien und Innsbruck, das Bundesdenkmalamt, das Deutsche Archäologische Institut sowie das Wien Museum. Mehr als 500 3D-Modelle haben Gerald Raab und seine beiden Kollegen mittlerweile erstellt – von den Pfahlbauten im Attersee und Mondsee über den archäologischen Arbeitsstollen im Christian-von-Tusch-Werk im bronzezeitlichen Salzbergwerk Hallstatt bis hin zum antiken Hafen von Vix und dem Pyramidenfriedhof Meroe im Sudan.

Und was war bis dato das Interessanteste, was Gerald Raab umgesetzt hat? „Die Erstellung von 3D-Animationen für die Fernsehdokumentation Terra Mater „Mythos Hallstatt – Dawn of the Celts“, die im November des Vorjahres auf Servus TV gesendet wurde. Das Projekt wurde in Partnerschaft mit dem NHM Wien und Industrial Motion Art durchgeführt. Für so eine große Produktion zu arbeiten, war für mich Neuland. Der Vorteil war natürlich, dass ich sehr viel im Bereich archäologische 3D-Visualisierung und schnelle actionreiche filmische Inszenierungen gelernt habe.“

Hallo Mostviertel KW36
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Derzeit arbeitet Gerald wieder eingehend am Projekt Konradsheim. „Mit Partnern der ZAMG Arch Pro und der Stadt Waidhofen haben wir Anfang Juni geophysikalische Messungen in Konradsheim durchgeführt. Das heißt, wir sind mit einem Bodenradar in der Größe eines Rasenmähers über Flächen rund um die Kirche sowie in Bereichen rund um den alten Wanderweg entlang noch sichtbaren Mauern gefahren. Dieses Gerät ermöglicht Einblicke in den Boden, ohne zu graben. So kann vorher einmal gezielt geschaut werden, ob sich im Untergrund überhaupt noch etwas befindet. Da werden zum Beispiel Mauern und Gräben der Burg sichtbar, sogar mit Angabe der Tiefe. Die vollständige Auswertung der Daten erfolgt Anfang September. Allerdings kann man schon verraten, die Messung war ein Erfolg. Es sind einige neue Mauerreste der Burg Konradsheim sichtbar.“

Im Herbst soll sich dann, laut Gerald Raab entscheiden, ob das Projekt Konradsheim mit einem Förderantrag für das Viertelfestival 2020 durchgeht. Dabei ist eine exakte 3D-Rekonstruktion der Burganlage nach derzeitigem Forschungsstand geplant. Auch Führungen vor Ort durch die Burg sollen dadurch realisiert werden.

Bleibt nur noch eine Frage offen: Warum ist es Gerald Raab eigentlich so wichtig, die Welt von einst für jedermann von heute wieder sichtbar zu machen? „Weil ich davon überzeugt bin, dass nur das Visuelle vom Menschen tatsächlich erfasst werden kann. Geschichtliche Zusammenhänge werden dadurch verständlicher und vielleicht ist es ein Schritt in die Richtung aus der Geschichte zu lernen.“

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