„Sie haben mich heute unschuldig verurteilt!“

„Ich bekenne mich zum ersten Mal in meinem Leben vor Gericht nicht schuldig“, sagte der Angeklagte. An Gerichtserfahrung mangelt es ihm nicht, hatte er doch – bis zu dieser Verhandlung am Bezirksgericht Hollabrunn – bereits zwölf Vorstrafen vorzuweisen und sitzt aktuell in der Justizanstalt Krems-Stein. „Eh wegen der G’schicht“ wurde er von der Justizanstalt Sonnberg nach Stein verlegt.
Der Mann soll einem anderen Insassen (24) im Dezember in Sonnberg das Nasenbein gebrochen und eine Schädelprellung zugefügt haben. „Ich hab' noch nie jemanden geschlagen, es waren immer nur Vermögensdelikte“, versicherte der 40-Jährige. Und diese habe er vor Gericht immer zugegeben.
Was war also geschehen? Am 20. Dezember habe er mit dem 24-Jährigen gesprochen, der gerade auf die Abteilung gezogen war. Die beiden waren einmal Zellenkollegen. „Ich hab‘ ihm gesagt, dass es nicht leiwand war, dass er mich damals bestohlen hat.“
Über Weihnachten allein in der Absonderungszelle: „Das tat sehr weh“
Daraufhin habe ihn der 24-Jährige ohne Vorwarnung gestoßen, der Angeklagte sei über Taschen gestürzt und auf dem Boden gelandet. „Er ging sofort mit den Fäusten auf mich los.“ Er selbst habe sich nur geschützt. „Ich hab‘ ihn nicht geschlagen, ich sage die Wahrheit!“ Andere Insassen seien dazwischengegangen und hätten den Angreifer aufs Bett gedrückt. Dabei müsse dessen Nase gebrochen sein. Nach diesem Vorfall habe der Angeklagte fünf Tage in der Absonderungszelle verbringen müssen. „Über Weihnachten, das tat sehr weh.“
Zunächst gab er an, dass er nicht wisse, wer seinem Kontrahenten die Nase gebrochen haben könnte. „Es waren zu viele Leute in der Zelle.“ Das glaubte Richter Erhard Neubauer nicht – und machte Druck. „Ich weiß, wer das Opfer geschlagen hat. Aber ich sag’s nicht“, entgegnete der Angeklagte. Warum? „Es wurden Drohungen gegen mich und meine Familie ausgesprochen.“ Selbst in der anderen Anstalt sei er vor den Tschetschenen nicht sicher.
Wenn Sie nicht aussagen, dann zwinge ich Sie mit Geld- und Haftstrafen dazu!“ Richter Erhard Neubauer
Auch beim Opfer musste der Richter hartnäckig sein. Denn der 24-Jährige wollte die Aussage verweigern. „Sie müssen aussagen. Wenn Sie nicht aussagen, dann zwinge ich Sie mit Geld- und Haftstrafen dazu! Das hab‘ ich noch nie gemacht, seit ich Richter bin.“ Die Drohung half: „Er ist in mein Zimmer gekommen, wir haben gestritten. Aber er hat mich nicht geschlagen. Es war nichts“, behauptete der 24-Jährige wenig glaubwürdig.
Das widersprach jedoch seiner Aussage, die er in der Justizanstalt nach dem Vorfall gemacht hatte. Da beschuldigte er den Angeklagten. „Der Österreicher hat mich geschlagen“, war er damals sicher. Er könne sich jetzt nicht mehr richtig erinnern, meinte der 24-Jährige. Damals habe er sich noch erinnert. Sagte dann aber trotzdem: „Es wird schon stimmen, was der Angeklagte sagt.“ Nur um wenig später mit einem „Ja, es wird so gewesen sein, dass er mir die Nase gebrochen hat“ herauszurücken.
Zeit im Gefängnis wurde um drei Monate verlängert
Ein weiterer Zeuge sagte aus, dass sich die beiden nicht geschlagen hätten, sondern nur gestoßen, „wie kleine Kinder“. Wer dem Opfer die Nase gebrochen habe, wisse er nicht, es seien zu viele Menschen in der Zelle gewesen. Der nächste Insasse bestätigte diesen Eindruck: „Es hat nicht ausgesehen wie eine Schlägerei. Ich weiß nicht, wie man eine gebrochene Nase von dieser Fuchtelei bekommen kann.“
Der Angeklagte flehte das Opfer an, zu sagen, wer ihm wirklich die Nase gebrochen hatte. Doch der blieb stumm. „Ich hab schon viel Scheiße gebaut, aber ich hab noch nie jemandem ein Haar gekrümmt“, blieb der Angeklagte dabei. Doch Neubauer sprach ihn schuldig und verhängte drei weitere Monate Haft über den 40-Jährigen. „Bei der Polizei haben die Zeugen ausgesagt, dass Sie den Faustschlag gesetzt haben.“ Der Angeklagte nahm das Urteil zwar an, aber: „Ich kann Ihnen nicht sagen, wer es war, nur, dass Sie mich heute unschuldig verurteilt haben.“