Retzbach steht hinter Ärztin
Retzbach steht hinter Ärztin. Unterschriftenaktion für „Hausapotheke“. Apothekerkammer pocht auf wichtige Trennung.
Mit diesem Ansturm auf die Informationsveranstaltung rund um die Problematik einer Hausapotheke für die Retzbacher Ärztin hatte Bürgermeister Manfred Nigl nicht gerechnet.
Mehr als 240 Bürger lauschten im weiträumigen Gastgarten des Retzbacherhofs den Ausführungen der Gemeindevertreter und der praktischen Ärztin Sandra Sprung.
Der Ortschef verlas zu Beginn den Text der vom Gemeinderat beschlossenen Resolution. Darin wird der Nationalrat aufgefordert, das Apothekergesetz möglichst schnell zu novellieren, um die Medikamentenversorgung vor Ort zu gewährleisten. Die bestehenden Schutzzonen um öffentliche Apotheken seien längst nicht mehr zeitgemäß und sollten zugunsten eines patientenorientierten Nebeneinanders von öffentlichen und ärztlichen Apotheken weichen.
Ärztliche Hausapotheken sollten aus Sicht der Retzbacher Gemeinderäte in allen Einarztgemeinden ohne Einschränkungen ermöglicht werden.
Einerseits werde nun die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts beim Verfassungsgerichtshof angefochten, erläuterte Nigl, und auf das Gleichheitsprinzip gepocht. Andererseits hat sich der Gemeinderat der Plattform „Einarztgemeinde“ angeschlossen, die sich für die Hausapotheken in diesen Kommunen einsetzt.
„Wir starten hier und heute eine Unterschriftenaktion für die Aufrechterhaltung der medizinischen Infrastruktur auf dem Land. Der Bundesminister wird aufgefordert, ein diesbezügliches Gesetz vorzubereiten“, unterstrich Vizebürgermeister Alois Binder.
Das Unterschriftenpaket soll dem Gesundheitsminister symbolisch überreicht werden.
Niederösterreichs Apothekerkammer-Präsident Peter Gonda sieht die Situation naturgemäß ganz anders. Bei den sogenannten „Hausapotheken“ handle es sich um ärztliche Notabgabestellen für Medikamente. „Die Medikamentenabgabe in die Ordinationen zu verlegen, kann das österreichische Gesundheitssystem ins Wanken bringen“, warnt der Präsident.
„Ärzte sollten für ihre ärztliche Tätigkeit
angemessen bezahlt werden.“Peter Gonda, Präsident der NÖ-Apothekerkammer, sieht einen Fehler im System.
„Ärzte sollten für ihre ärztliche Tätigkeit angemessen bezahlt werden. Dass sie auf Zusatzeinkünfte aus einer anderen Tätigkeit angewiesen sein sollen, ist schlicht unwürdig“, sagt Gonda. Immerhin gelinge es anderen Staaten, die landmedizinische Versorgung sicherzustellen, ohne den Arzt zum Apotheker zu machen. Jede Berufsgruppe solle das tun, wofür sie ausgebildet ist.
„Im Sinne des Patientenwohls fordern wir die Entkoppelung von Arzneimittelverordnung und wirtschaftlichen Aspekten. In Zeiten der Dreiminuten-Medizin ist das qualitätsvolle Führen einer Hausapotheke durch den Arzt unmöglich“, betont der Apothekerkammer-Präsident.
Laut Pharmazeutin Susanne Ergott-Badawi, Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Apothekerkammer, gibt es viele gute Gründe, die Trennung zwischen Apotheker- und Arztberuf aufrecht zu erhalten.
„Die österreichischen Apotheken sind mit ihren langen Öffnungszeiten von bis zu 54 Stunden pro Woche überaus kundenorientiert und bieten eine gute Versorgung mit Arzneimitteln, auch außerhalb der ärztlichen Ordinationszeiten, oder wenn die Arztordination etwa wegen Urlaubs geschlossen ist“, betont sie. Die Kunden, denen Tag und Nacht eine akademisch ausgebildete Fachkraft zur Verfügung steht, wüssten das jedenfalls zu schätzen.
„Apotheke spielt Arzt für echte Tätigkeit frei“
Bei banalen Erkrankungen biete die Apotheke unmittelbare Problemlösungen. „Die Patienten sparen sich somit den Weg zum Arzt und lange Wartezeiten in überfüllten Ordinationen. Das spielt den Arzt frei für echte medizinische Tätigkeiten. Darüber hinaus wird das Gesundheitssystem entlastet“, argumentiert Ergott-Badawi.
Eine Notfallabgabestelle von Medikamenten beim Arzt würde nie das nötige Sortiment an Arzneimitteln abdecken. Mit rund 6.000 verschiedenen Medikamenten auf Lager könne das nur eine öffentliche, logistisch gut gerüstete Apotheke. Eine Einengung des Angebots an Arzneimitteln ginge zulasten der Patienten.
So fordert die Apothekerkammer von der Ärztekammer „eine Rückbesinnung auf die Tatsache, dass die Bevölkerung Arzt und Apotheker braucht“.
Die Trennung dieser beiden Gesundheitsberufe müsse unbedingt beibehalten werden. Ein Zusammenführen beider Funktionen in der Person des Arztes wäre fatal. „Wer soll die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicherstellen, wenn nicht die Apotheke vor Ort?“, fragen die Apothekerkammer-Funktionäre.
„Sicher ein Anreiz für eine Landarztstelle“
Unter den Besuchern war der Rückhalt für die Ärztin spürbar. Für den Autor Erich Pello sei es das Wichtigste, dass sich bei rund 1.000 Einwohnern überhaupt eine Medizinerin niedergelassen hat. „Eine Hausapotheke ist sicher ein Anreiz für eine Landarztstelle und eine Medikamentenversorgung für die Patienten.“
Physiotherapeutin Gerda Brandl ist ebenso froh, wieder eine praktische Ärztin vor Ort als Ansprechpartnerin zu haben. „Meine Patientin haben dadurch einen kurzen Weg, wenn sie eine medikamentöse Unterstützung bei ihren Problemen brauchen, daher ist eine Hausapotheke notwendig“, meint sie.