Gerichtsprozess: Nach 15 Bier wurde viel geschimpft

Erstellt am 03. Februar 2023 | 04:09
Lesezeit: 4 Min
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Im Saal 16 verhandelte Richter Neubauer einen Streit, der aus dem Ruder lief – obwohl es um Körperverletzung ging, gab‘s einiges zu lachen.
Foto: NÖN
Zuerst wurde in Hollabrunn geschimpft, dann gerangelt. Richter Erhard Neubauer glaubte dem Opfer nicht und sprach Angeklagten frei.
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Der Ausdruck „heiteres Bezirksgericht“ war schon fast eine Untertreibung, als Richter Erhard Neubauer in Hollabrunn das Delikt der Körperverletzung verhandelte. Die „Protagonisten“ saßen fast alle schon einmal vor ihm im Gerichtssaal.

Zugetragen hatte sich der Vorfall im Oktober im Land um Hollabrunn: Dem 51-jährigen Angeklagten wurde vorgeworfen, sein Opfer gegen einen Zaun gestoßen und dabei verletzt zu haben. „Nicht schuldig“, sagte er im Zeugenstand.

Was war an jenem Nachmittag passiert? Er habe seinen gleichaltrigen Freund besucht. Dieser habe mit Familienmitgliedern telefoniert. „Dabei kam es zu argen Beschimpfungen“, erinnert sich der Angeklagte, der angab, „genug“ getrunken zu haben. Wahrscheinlich waren es 15 große Bier, nach deren Konsum er „leicht alkoholisiert“ – so beschrieb er sich selbst, aber auch die Zeugen – gewesen war.

„Ich hab mit ihm über seinen Sohn gesprochen, da hat der Angeklagte ins Telefon geschrien und mich beschimpft“, sagte eine 23-jährige Zeugin. Der Angeklagte ist übrigens ihr angeheirateter Onkel. Diesen forderte sie auf, ihr doch alles ins Gesicht zu sagen. „Er hat geantwortet: ‚Na komm her!‘ Also bin ich zu ihnen gefahren.“ Darüber wunderte sich der Richter.

Der Angeklagte habe sich jedenfalls entschuldigt. Sie habe dann aber mit dem späteren Opfer telefoniert, was ebenfalls zu einem Streit führte, weil die beiden Männer wieder ins Telefon geschrien hätten. Was machte der Beschimpfte? Er setzte sich ins Auto und fuhr ebenfalls zu den Männern.

„Er hat geschrien, er haut uns zsam!“, erinnert sich der Angeklagte. Er sei dann hinausgegangen, „mit den Händen im Hosensack und hab gesagt, sie sollen sich putzen“. Ob er von seinem Widersacher gestoßen oder geschlagen worden ist, wisse er nicht mehr. „Ich bin gelegen“, erinnert er sich ans Ergebnis. Danach war schon die Polizei da.

„Er hatte die Hände im Hosensack!“

„Er ist nur gekommen, um Streit zu suchen“, ist der 51-Jährige sicher, der beteuert, dass er nicht zugeschlagen habe. Wie auch? „Er hatte ja die Hände im Hosensack! Das sind Tatsachen, alles andere hier sind Lügen!“, war sein Freund aufgebracht und bestätigte die Version des Angeklagten.

Anders schilderte das Opfer die Situation: Er hätte mit der 23-Jährigen telefoniert und wurde vom Angeklagten beschimpft. Also fuhr er zum Ort des Geschehens: „Er hat mich ohne Vorwarnung gestoßen.“ Dabei sei er gegen den Gartenzaun und schließlich zu Boden gefallen. Eine Rippe und den Mittelfinger habe er sich gebrochen. „Ich bin aufgestanden und hab‘ ihn gestoßen“, gibt er zu.

Bezirksanwältin Marion Reinwein schüttelte den Kopf: „Es gibt ein Sachverständigen-Gutachten, Sie hatten keine Knochenbrüche.“ Nur Prellungen habe es gegeben. „Das stimmt nicht!“, meinte das Opfer, das Schmerzengeld forderte. „Mich interessiert nicht, was in dem Gutachten steht.“

Der Freund des Angeklagten präsentierte dann noch eine Zeugin (61), „die einzige, die nüchtern war“. Die Dame bestätigte die Version der beiden 51-Jährigen. Der Angeklagte „hat niemanden geschlagen, nur deppat g’redt“.

Familienmitglieder störten Gerichtsverhandlung

Nachdem Neubauer die verschiedenen Varianten gehört hatte und immer wieder Zwischenrufe der amtsbekannten Familienmitglieder aus den Zuhörerreihen unterbinden musste, sprach er den Angeklagten frei. Dem Opfer glaube er nämlich kein Wort; allein deswegen, weil es behauptet, Knochenbrüche gehabt zu haben, obwohl der Gutachter zu dem Schluss kam, dass es sich maximal um starke Prellungen gehandelt hatte.

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