Landwirten fehlt die Handhabe, „unsere Pflanzen zu schützen“

Erstellt am 07. Juni 2023 | 06:30
Lesezeit: 4 Min
hol23luh-Ölkürbis
Landwirt Richard Huber (Mitte) markierte, wo Kürbispflanzen aufgehen sollten. Doch da ein wirksames Pflanzenschutzmittel heuer nicht benutzt werden darf, sieht es auf dem Kürbisacker eher traurig aus. Gerald Patschka (l.) und Fritz Schechtner besichtigten die Schäden.
Foto: Sandra Frank
Werbung
Ein Blick auf die Kürbisfelder im Bezirk zeigt die massiven Auswirkungen von fehlendem Pflanzenschutz. „Es ist existenzgefährdend“, bringt es der Nappersdorfer Bauer Richard Huber auf den Punkt. Er rechnet damit, nur ein Viertel der Ernte einzufahren. Grund für die fatale Situation ist das Verbot eines Pflanzenschutzmittels. Die NÖN war beim Lokalaugenschein mit Kammerobmann Fritz Schechtner dabei.

„Wir brauchen die Beize unbedingt, sonst ist die Landwirtschaft in Niederösterreich bald Geschichte.“ Diese deutlichen Worte findet der Nappersdorfer Landwirt Richard Huber, als er gemeinsam mit Bauernkammerobmann Fritz Schechtner, Kammersekretär Gerald Patschka und der NÖN einen seiner Kürbisacker besichtigt. Das Bild, das sich dort bietet, ist traurig: Im Abstand von 50 Zentimetern sollten in einer Reihe grüne Kürbispflanzen wachsen. Doch über einige Meter sind kaum solche Pflanzen zu sehen.

Grund dafür ist, dass ein Pflanzenschutzmittel, mit dem der Samen gebeizt wird, heuer verboten ist. Eine Notfallzulassung wie im Vorjahr ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht möglich. „Es läuft aber ein neues Verfahren auf Wiederzulassung“, weiß Patschka.

„Die aktuelle Situation bringt uns an die Grenzen unserer Möglichkeiten“, ist Kammerobmann Schechtner mit seinem Latein ebenfalls am Ende. Raps und Zuckerrübe waren auf den Äckern im Bezirk einst weit verbreitet. Aufgrund fehlender Pflanzenschutzmittel, weil auch die Notfallzulassung der Neonicotinoiden untersagt wurde, ging der Anbau dieser Kulturen bereits deutlich zurück.

Die aktuelle Situation bringt uns an die Grenzen unserer Möglichkeiten Bauernkammerobmann Fritz Schechtner

Heuer sind die 4.000 Hektar Ölkürbis im Bezirk massiv betroffen, weil die schützende Beize nicht verwendet werden darf. „Wir haben keine Handhabe mehr, unsere Pflanzen zu schützen“, sagt Schechtner und fragt: „Wie sollen wir vernünftig produzieren, sodass wir überleben können?“

Das Saatgut des Kürbis habe keine Samenschale, erklärt Patschka, weshalb die Beize wichtig ist. Diese schützte die Pflanze in der Vergangenheit vor gefährlichem Pilzbefall. Mit diesem hat Richard Huber heuer zu kämpfen. „Es ist existenzgefährdend“, sagt er und vergleicht die Situation der Landwirte: „Es ist, wie wenn man dich in ein Auto setzt und dir dann das Lenkrad wegnimmt.“ Die Beize tue Bienen und Co. nichts, da sie unter der Erde ist. Aber: „Sie ist lebensnotwendig für das Samenkorn, das nun nicht mehr geschützt wird.“

„Mit halbem Ertrag können wir froh sein“

Konkret geht es um Produkte mit dem Wirkstoff Metalaxyl-M (Maxim XL), die heuer nicht zum Einsatz kommen dürfen. „Die Kürbisse werden sehr gut untersucht, weil sich die Stoffe im Öl vervierfachen. Man würde sofort sehen, wenn etwas schädlich ist“, weiß der erfahrene Landwirt. Schechtner ergänzt kopfschüttelnd: „Manchmal kann man Verbote fachlich nicht mehr begründen.“

Für Huber ist klar: Die Saatgutbeize ist der schonendste Pflanzenschutz. Er blickt besorgt auf seine Kürbispflanzen, denn tun kann er nichts mehr. Für ein „Umreißen“ der Felder ist es zu spät. Es gibt keine Feldfrucht, die man im Juni anbauen kann, die vollen Ertrag bringt. Huber rechnet damit, heuer nur ein Viertel des Kürbis-Ertrags einzufahren. „Wenn wir im ganzen Bezirk den halben Ertrag haben, können wir froh sein.“ Der Kammerobmann bestätigt, dass Huber kein Einzelfall, sondern die Situation im gesamten Bezirk schlecht ist.

Landwirte können nur warten und hoffen

Ausgesät wurde Mitte Mai, da war es noch sehr trocken, die Erde hatte keine Struktur und war mehlig. Dann kamen Niederschlag und sehr niedrige Temperaturen. „In so einer Situation ist die Beize wichtig als Schutz“, weiß Huber. Doch da das Saatgut diesen Schutz heuer nicht hatte, schlug der Pilz zu und fraß die Pflanze auf.

Was Huber noch tun kann? „Warten und hoffen.“ Hoffen auf Regen, denn der könnte noch ein paar Pflanzen mehr zum Wachsen bringen. „Es geht nicht nur um das Einkommen, man verliert auch die Motivation.“ Seine Kosten – Pacht und Grundsteuer etwa – bleiben gleich, und das bei einem Viertel des Einkommens. Er versteht, dass Junge unter solchen Umständen keine Betriebe mehr übernehmen wollen und sieht die Landwirtschaft in Gefahr.

Umfrage beendet

  • Denkst du, dass die Einschränkungen beim Pflanzenschutz zu radikal sind?