Kogler-Strommer zu Schwarz-blau: „Die Grauslichkeit ist neu erfunden“

Als „Schlag gegen jede Vernunft“ bezeichnet Grünen-Sprecher Walter Kogler-Strommer die Regierungsbildung der ÖVP mit der FPÖ. Es sei nicht zu verstehen, warum die ÖVP mit einer Partei, deren Personal so „unglaublich schwach“ sei, paktiere. „Warum tue ich das? Warum arrangiere ich mich mit jemandem wie Udo Landbauer mit seinen Naziliedern und Gottfried Waldhäusl, der Menschenrechte mit Füßen tritt? Da geht es nur um Macht und Gier“, wirft er Johanna Mikl-Leitner vor. Er selbst sei mit der Landeshauptfrau fertig: „Ich will auch als Bürger nicht mehr an diese Frau anstreifen. Sie hat die Grauslichkeit neu erfunden.“
Der FPÖ die Themen Asyl, Verkehr und Umwelt zu überantworten, sei grob fahrlässig. „Es geht nicht nur in Richtung rechtsradikal, sondern auch umwelt- und verkehrstechnisch in die falsche Richtung“, sagt er. Er wundere sich, dass die ÖVP-Basis still halte. Jeder normal denkende Mensch müsse gegen diesen Pakt sein. Er glaubt, dass sich die ÖVP mit dieser Entscheidung auch ins eigene Fleisch schneide, sie habe aus dem Wahlergebnis nichts gelernt: „Diese Verluste werden sich beim nächsten Mal fortsetzen – und das wird keine fünf Jahre dauern“, glaubt er nicht, dass das Bündnis lange halten wird.
Linsbauer: SPÖ Schuld an Verhandlungs-Scheitern
Franz Linsbauer, ÖVP-Landtagsabgeordneter und Bürgermeister in Langau, sieht das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen pragmatisch: „Es ist keine Liebesheirat. Aber man muss den Wählerwillen respektieren und der hat gezeigt, dass sich viele eine solche Koalition vorstellen können.“ Linsbauer ärgert es, dass die ÖVP für ihre Zusammenarbeit mit der FPÖ kritisiert werde: Auch die SPÖ habe immer wieder in diversen Bundesländern mit den Freiheitlichen koaliert, dafür aber nie derartige Kritik einstecken müssen, so Linsbauer. Zum Extremismus-Vorwurf gegen die Freiheitlichen meint Linsbauer, dass zwischen seiner Partei und der FPÖ große ideologische Unterschiede bestehen würden, jetzt zähle aber eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohl des Landes. Nachsatz: „Ich hoffe nicht, dass sie radikaler werden. Es liegt in unserer Verantwortung als Volkspartei, jeder Form von Radikalisierung entgegenzutreten, sollte es dazu kommen.“ Die niederösterreichische ÖVP sei schon immer gegen Extreme und für Dialog und Kompromiss gestanden, und so halte man es auch jetzt mit dem neuen Koalitionspartner. Und auch der SPÖ wolle man künftig wieder die Hand reichen.
Gescheitert sei die Zusammenarbeit mit der SPÖ an den Roten selbst, so Linsbauer. Die vom neuen SPÖ-Landesvorsitzenden Sven Hergovich ausgegebenen Koalitionsbedingungen hätten keinen Kompromiss erlaubt, daher sei der ÖVP nichts anderes übrig geblieben, als Verhandlungen mit der FPÖ aufzunehmen. Das habe auch mit Verantwortung dem Bundesland gegenüber zu tun, brauche Niederösterreich nun nach geschlagener Wahl doch schnell wieder eine handlungsfähige Regierung und keine endlosen Verhandlungsrunden, erzählt Linsbauer der NÖN.
Wiesinger: „ÖVP führte Scheinverhandlungen“
Zu einer anderen Einschätzung kommt SPÖ-Bezirkschef Josef Wiesinger, bis vor Kurzem auch Landtagsabgeordneter. „Für mich kommt die Koalition nicht überraschend, die ÖVP hat offenbar schon länger Parallelverhandlungen mit der FPÖ geführt“, gibt sich Wiesinger enttäuscht von der Volkspartei. Was das für Niederösterreich bedeute, sei im Moment aber noch nicht abzuschätzen, seien doch noch viele konkrete Fragen zur Ausgestaltung des Koalitionsabkommens offen.
Und manches sei nur ein großes Theater für die Medien, wie die FPÖ-Pläne bezüglich Corona-Entschädigung. Zur Erinnerung: Die FPÖ fordert die Aufarbeitung der Corona-Politik und will die Betroffenen der ihrer Meinung nach verfassungswidrigen Maßnahmen finanziell entschädigen. Dazu soll ein Topf mit 30 Millionen Euro aufgelegt werden. Experten bezweifeln die Rechtmäßigkeit derartiger Forderungen. Wiesinger: „Die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen ist populistisch nutzbar, aber sicher kein zentrales Thema für die Zukunft Niederösterreichs.“
Wiesinger ist sich sicher, dass die niederösterreichische FPÖ rechter als andere Landesorganisationen ist. In Richtung ÖVP meint er diesbezüglich: „Man muss aber wissen, mit wem man sich ins Bett legt.“ Zu den bislang durchgesickerten Details, dass beispielsweise der bekanntermaßen EU-skeptische Udo Landbauer die EU-Agenden der Landesregierung übernehmen soll, meint Wiesinger: „Wird spannend, wie das wird.“
ÖVP-Bürgermeister: Freude schaut anders aus
Keine Freude mit der aktuellen Situation haben die ÖVP-Bürgermeister im Bezirk. Während der ein oder andere gleich gar keinen Kommentar abgegeben wollte, machen andere wie Christian Krottendorfer (Röschitz), Franz Göd (Sigmundsherberg) oder Niko Reisel (Meiseldorf) über ihre Enttäuschung, dass es mit der SPÖ nicht geklappt hat, keinen Hehl. Die SPÖ habe sich als Wahl-Verlierer in den Verhandlungen aber überschätzt, die seien dann an den „unerfüllbaren Forderungen“ (Krottendorfer: „Die waren finanziell nicht machbar. Das Land hat ja keine Gelddruckmaschine.“) gescheitert. Und so sei der ÖVP aus Mangel an Alternativen nur ein Übereinkommen mit der FPÖ übrig geblieben.
Reisel: „Braucht keinen Topf mit 30 Mio. Euro“
Auch wenn das „Wording“ zwischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und FPÖ-Chef Udo Landbauer mehr als nur bedenklich gewesen sei, gelte es jetzt, das Beste aus der Sache zu machen und den Blick nach vorne zu richten. Göd: „Es stecken für uns Gemeinden viele Projekte in der Pipeline, die nicht warten können. Und für deren Umsetzung braucht es im Land Leute, die arbeiten.“ Und laut Krottendorfer sollten bei dieser Arbeit vor allem die Themen Energiepreise und Teuerung angegangen werden.
Aus Sicht Reisels ist das Schauspiel, das die Landespolitik in den vergangenen Wochen geboten hat, „beschämend für das gesamte politische Bild in Österreich“. Besonders negativ sieht er das Corona-Thema. Es brauche jetzt sicher keinen mit 30 Mio. Euro dotierten Fonds, aus dem heraus jene, die während der Pandemie das System ausgenutzt hätten, dafür auch noch zu belohnen, und jene, die das System am Laufen gehalten haben, symbolisch zu prügeln. „Das ist ein Faustschlag für alle, die sich an die Regeln gehalten haben und jene, die Tag und Nacht für die Gesellschaft gearbeitet haben“, sagt Reisel. Er sei in den vergangenen Tagen vielfach von Bürgern auf dieses Thema angesprochen worden. „Und die sehen es wie ich: Es kann nicht sein, dass die, die sich an Recht und Ordnung halten, unter dem Strich die Dummen sind.“
Nicht wieder aufgerollt sehen will das Corona-Thema auch der Röschitzer Bürgermeister Christian Krottendorfer. Man müsse aufpassen, nicht „jene Menschen, die sich während der Pandemie richtig verhalten hätten, also die große Mehrheit, wegen einer kleinen Minderheit vor den Kopf zu stoßen“. Denn das würde weitere Gräben aufreißen.
FP-Kofler: „Man soll uns an Arbeit messen“
Zufrieden mit dem Ausgang der Koalitionsverhandlungen zeigt sich einzig FPÖ-Bezirksobmann Klemens Kofler. Die Verhandlungen hätten sich „ganz positiv“ entwickelt, sagt er zur NÖN. In zentralen Punkten des Arbeitsprogramms sei eine deutliche freiheitliche Handschrift erkennbar. In der kommenden Legislaturperiode werde man nun zum Wohle Niederösterreichs arbeiten, zeigt sich Kofler überzeugt. Kritikern kontert er: „Die Kritiker sollen abwarten und uns arbeiten lassen, dann werden sie sehen, dass wir gute Arbeit für das Bundesland leisten.“
Angesprochen auf den Vorwurf, die niederösterreichische FPÖ bewege sich scharf am rechten Rand, sagt Kofler: „Ich bin kein Extremist. Ich will einfach gute Arbeit für die Menschen im Land machen.“ Der nunmehrige Bundesrat – Kofler zieht, wie berichtet, nicht in den Landtag, sondern in den Bundesrat ein – freut sich auch schon auf seine neue Tätigkeit, die in den kommenden Wochen starte.