Franz Winkelhofer: „Vom Start weg anders gestalten“

Den Alltag des Landwirten hat die Coronakrise kaum verändert, aber spurlos geht sie an ihm nicht vorüber. Warum, das erklärt Franz Winkelhofer: Der 38-Jährige ist seit 20 Jahren im Familienbetrieb mit 240 Rindern tätig.
NÖN: Warum erschwert Corona die Arbeit der Rinderbauern?
Franz Winkelhofer: Für uns Rindermäster war der Absatz der Tiere zu Beginn der Krise nur erschwert und mit Verzögerung möglich. Da die Aufzucht der Rinder vom Kalb zum „fertigen“ Mastrind etwa 15 Monate dauert, kann man in solchen Ausnahmefällen nicht wirklich schnell mit einer angepassten Produktion reagieren. Manche Futtermittel wurden teurer oder sind nur schwer zu beschaffen.
War der Wegfall der Gastronomie als Abnehmer ein Verlust?
Winkelhofer: Die Gastronomie und Großküchen sind ein wesentlicher Markt für die Vermarktung von Rindfleisch, daher sind wir im ersten Moment härter betroffen als andere tierhaltende Betriebe. Im modernen Haushalt hat Rindfleisch trotz hervorragender Inhaltsstoffe einen wesentlichen Nachteil: Es lässt sich nicht so einfach und schnell zubereiten, auch bei Fertiggerichten ist der Markt kleiner.
Wirkt sich das auf den Preis aus?
Winkelhofer: Massiv. Wir nehmen aktuell pro Rind um etwa 70 bis 100 Euro weniger ein als im Durchschnitt der letzten Jahre. Das klingt vielleicht nicht viel, wirkt sich am Beispiel unseres Betriebes aber mit mehr als 1.000 Euro Mindereinnahmen im Monat aus. Die Produktionskosten sind indes gleich geblieben oder sogar etwas angestiegen. Dies wird sich mittelfristig auch nicht ändern, da in den letzten beiden Monaten sehr viele Rinderteile eingefroren auf Lager gelegt wurden und dieses langsam wieder abgebaut werden muss. Grund für den Preisverfall ist ein plötzliches Überangebot durch geringere Nachfrage, aber auch das Wegbrechen von Märkten, mit denen man vielleicht im ersten Moment nicht rechnet. Als Beispiel: Die Häute der Rinder werden normalerweise von Gerbereien zum Beispiel für die Herstellung von Lederbezügen von Autositzen verwendet, diese Betriebe waren jetzt aber auch im Zuge der Quarantäne geschlossen.
Wird Ihr Rindlfeisch exportiert?
Winkelhofer: Wir nehmen sowohl am AMA-Gütesiegel als auch am Tierwohlprogramm teil und unsere Produkte landen hauptsächlich in den Frischfleischabteilungen der großen Handelsketten. Der österreichische Rindfleischmarkt an sich braucht aber auch den Export. Aufgrund des hohen Anteils von Grünland, das praktisch nur über den Rindermagen genutzt werden kann, haben wir in diesem Sektor einen Versorgungsgrad von etwa 140 Prozent.
Kann man von der derzeit viel zitierten Regionalität profitieren?
Winkelhofer: Regionalität muss die zentrale Forderung für die Zukunft sein, zum Einen um die Versorgungssicherheit sicherzustellen, vor allem aber für einen bestmöglichen Klimaschutz. Dies hätte bereits vor Corona umgesetzt werden müssen. Handelsabkommen wie Mercosur sind damit am Lebensmittelsektor völlig unvereinbar. Für den Kunden muss im Markt als auch in der Gastronomie eindeutig und leicht erkennbar sein, wo das Produkt seinen Ursprung hat und wo es verarbeitet wurde. Entscheiden wir uns dann für österreichisches Rindfleisch, so helfen wir nicht nur der heimischen Landwirtschaft und dem Klima, sondern entscheiden uns für weltweit höchste Umwelt- und Tierschutzstandards.
Rückt der Klimawandel als Thema gerade in den Hintergrund?
Winkelhofer: Als Bauer bin ich täglich von einer nicht zu leugnenden Veränderung betroffen. Die Frühjahre werden trockener, nicht nur die Sommer heißer. Dass das Thema in der Öffentlichkeit derzeit einen niedrigeren Stellenwert einnimmt, ist verständlich. Gleichzeitig ist es vielleicht die größte Chance, bei einem Neustart einige Dinge von Beginn weg anders zu gestalten. Hier ist vor allem auch die Politik gefordert. In der Landwirtschaft müsste man noch stärker in Richtung Regionalität, Bodenaufbau, Diversität und möglichst durchgehend bewachsenen Feldern lenken. Als Landwirt beschäftige ich mich persönlich bereits seit Eintreten in den Beruf mit dem Humusaufbau, heute ein zentrales Werkzeug zur Kohlenstoffbindung und für besseres Wasseraufnahme- und -haltevermögen.
Wie ist jetzt die Witterungslage?
Winkelhofer: Wir stehen heuer vor einer ähnlichen Situation wie in den letzten Jahren: Die Niederschläge bleiben aus, Winterfeuchtigkeit ist wenig bis keine vorhanden. Dies erfordert angepasste Bewirtschaftungsweisen, die den Boden bestmöglich vor Verdunstung schützen. Hier sind wir auf einem guten Weg, letztlich wird es aber ohne Wasser schwierig.
Produzieren Sie selbst das Futter für Ihre Rinder?
Winkelhofer: Unser Futter stammt zu knapp 90 Prozent von unseren eigenen Feldern und besteht hauptsächlich aus Mais, Raps und Getreide. Beim Mais ist eine Prognose momentan noch unmöglich, beim Getreide sollte eine durchschnittliche Ernte möglich sein. Sorgen macht mir der Raps, der im April und Mai kühlere Temperaturen und vor allem mehr Wasser als heuer brauchen würde. Sollte es die nächsten Wochen noch stärkere Niederschläge geben, könnte ein Totalausfall noch verhindert werden.