„Keine Zeit für Abschied"

Erstellt am 18. November 2015 | 05:03
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Foto: NOEN, Sabine Goeskerzoomplus e.U.
Asylwerber wurden mit Bussen ohne Vorwarnung in Landesquartiere gebracht. Helfer verzweifelt.
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Seit fast einem Jahr beherbergt Klosterneuburg in der Magdeburgkaserne Asylwerber. Von Beginn an fand sich eine Initiative aus Klosterneuburgern, die sich um die Asylwerber annahm. Sprachkurse, künstlerische Betätigung und Kontaktaufnahme standen dabei für „Klosterneuburg hilft“ im Vordergrund. Die Asylwerber sollten sich binnen kurzer Zeit in die Gesellschaft integrieren und so die schrecklichen Erinnerungen an die Kriegswirren in Syrien, Afghanistan oder Somalia hinter sich lassen können.

„Wir hatten nicht einmal Zeit, uns von unseren Freunden zu verabschieden."

Durch das große Engagement vieler Freiwilliger aus Klosterneuburg knüpften sich auch schnell Bande zwischen den Asylwerbern und den Helfern. Am Freitag, um sieben Uhr morgens, fuhren plötzlich Busse vor und luden 113 Asylwerber ein. „Wir hatten nicht einmal Zeit, uns von unseren Freunden zu verabschieden. Die Helfer in Klosterneuburg möchten am liebsten alles hinschmeißen“, ist Sabine Gösker von „Klosterneuburg hilft“ entsetzt.
Der Initiative sei durchaus bewusst, dass das Quartier in der Magdeburgkaserne ein Durchgangslager ist. „Niemand ist auf Dauer hier und soll es auch nicht bleiben. Aber auch hier kann und muss bereits hervorragende Integrationsarbeit geleistet werden“, ist Gösker erbost über die mangelnde Information seitens des Bundesministeriums für Inneres. Schließlich habe man sich schon lange Zeit um Personen gekümmert.

Die NÖN fragte bei BMI-Pressesprecher Karl-Heinz Grundböck nach. Dieser bestätigte den Transfer der Flüchtlinge: „Es gab in allen Fällen eine Verständigung, mindestens einen Tag vorher.“ Klosterneuburg sei ein Durchgangslager des Bundes. Sollte in einem Asylquartier, das von den Ländern betrieben wird, Platz werden, werden die Asylwerber dorthin gebracht. „Bundesquartiere sind nicht für den längeren Aufenthalt gedacht“, erklärt Grundböck.

Dies ändert nichts an der Tatsache, dass sich die Klosterneuburger vor den Kopf gestoßen fühlen. „Als ich davon erfahren habe, bin ich zur Kaserne gefahren. Ich bekam keinen Zugang und habe die Menschen in die Busse steigen sehen“, so Gösker weiter. Dabei betont sie, dass das Schlimme nicht der Transfer sei, sondern dass niemand vorher informiert wurde. Weder die Gemeinde noch die Schulen, die die Kinder seit ein paar Wochen besuchen.

Helfer von „Klosterneuburg hilft“ der Verzweiflung nahe

Besorgt zeigt sich die Initiative auch über die kranken Asylwerber, die in längerfristiger ambulanter ärztlicher Behandlung sind. Dazu gibt es auch ein dramatisches Beispiel. Eine Familie mit Kleinkind wurde in ein anderes Asylquartier verbracht. Das Kind hatte zuvor zwei Operationen überstanden und benötigt nach wie vor Behandlungen. „Als sie dort angekommen sind, wurden sie mit Steinen beschmissen. Das tut uns in der Seele weh“, sind die Helfer von „Klosterneuburg hilft“ der Verzweiflung nahe.

Mit diesem Anliegen wendete sich die Initiative auch an Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager. „Diese kurzfristige Verlegung ist nicht einzusehen. Es sollten homogene Übergänge geschaffen werden, das muss organisatorisch möglich sein“, ist auch Schmuckenschlager erbost. Zu den Terroranschlägen in Paris sagt der Bürgermeister: „Man darf Opfer nicht zu Tätern machen und diese alle in einen Topf werfen. Europäisches Recht darf nicht über Bord geworfen werden. Damit setzt man indirekt den Willen des IS um.“

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