Lentsch: „Hilfe für jeden, der sie benötigt“

Mit Deutschkursen, Freizeitangebot und Hilfe im Alltag unterstützt „Klosterneuburg hilft“ Flüchtlinge. Die NÖN bat Vereinsobfrau Sigrid Lentsch zum Gespräch.
NÖN: Wie würden Sie jemandem „Klosterneuburg hilft“ erklären, der den Verein nicht kennt?
Sigrid Lentsch: Es ist ein unpolitischer Verein, der sich im vergangenen Jahr als lose Plattform gegründet hat, als Flüchtlinge in die Klosterneuburger Kaserne gekommen sind. Es gibt viele Engagierte, wir haben bis zu 250 Leute im großen Netzwerk. Nicht alle sind direkt im Verein, aber unterstützen uns. Das ist das Besondere an dem Verein.
Welches Ziel hat sich die Initiative gesetzt?
Es geht uns um Austausch mit der Bevölkerung und Integration. Wir wollen, dass sich Flüchtlinge hier einleben können. Sie sollen sich selbst als Klosterneuburger fühlen und Teil der Gesellschaft werden. Die Flüchtlinge sind froh über die Unterstützung des Staates, aber eigentlich ist es ihnen unangenehm. Sie würden gerne schnell arbeiten – dabei unterstützen wir sie und bieten Kurse an. Wir haben auch einige Männer, die schon Arbeitsstellen gefunden haben.
Arbeit, das funktioniert aber nur mit positivem Asylbescheid?
Teils, teils. Es gibt Mangelberufe, da können Asylwerber arbeiten, wenn das AMS zustimmt. In der Realität ist es so, dass sie eher was bekommen, wenn sie den positiven Asylstatus haben. Im Asylverfahren dürfen sie nur in diesen Mangelberufen arbeiten. Es ist uns sehr wichtig, dass sie nicht arbeiten, wenn sie es vom Gesetz her nicht dürfen. Die politische Regelung ist einfach so, auch wenn sie uns nicht gefällt, weil wir sehen, dass es sinnvoll wäre, wenn sich Flüchtlinge einbringen könnten.
„Aleppo bringt viele Emotionen hoch, vor allem Hilflosigkeit. Unsere syrischen Familien sind sehr, sehr angespannt.“
Sigrid Lentsch, Obfrau von „Klosterneuburg hilft“
Welche Hürden hat „Klosterneuburg hilft“ noch zu überwinden?
Für Frauen Arbeit zu finden, ist schwierig. Sie sind schon willig, aber es ist nicht leicht, weil sie in ihren Herkunftsländern Hausfrauen waren. Da bedarf es einfach vieler Information. Schwierigkeiten sind definitiv auch die sprachlichen Hürden – die Leute machen aber Riesenfortschritte und leben sich gut ein.
Ist Bildung also der Schlüssel zur Integration?
Ja, genau. Genug Bildungsangebot für Deutschkurse und für Lehren zu finden, ist aber auch schwierig. Eine Kollegin macht Betriebsbesichtigungen bei verschiedenen Klosterneuburger Betrieben, damit die Flüchtlinge sehen, wie das Arbeitsleben läuft. Da sind sie mit viel Eifer dabei. Das ist unser Beitrag, den staatliche Stellen vielleicht gar nicht leisten können. Ich sage oft, wenn es bei uns um das alltägliche Leben oder Ausbildung geht, dann ist es eher so, als ob ein Freund einem anderen einen Rat geben würde. „Klosterneuburg hilft“ ist weder Berufsberater noch Sozialberater. Wir Österreicher haben unsere Eltern, die uns bei diesen Sachen unterstützen, für Flüchtlinge übernimmt das der Verein. So kann man Frustration und Nicht-Wissen abfangen.
Die Kaserne wurde als Unterkunft geschlossen. Wie viele Flüchtlinge sind noch in der Stadt?
Wir wissen, dass jetzt insgesamt 110 privat in Klosterneuburg wohnen. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Irak, Iran und Tibet. Ungefähr die Hälfte sind Familien, die andere Hälfte sind Alleinstehende oder kinderlose Ehepaare. Wir haben auch Burschen zwischen 17 und 20 Jahren, das sind afghanische Burschen, die alleine da sind. Die sind bei uns sehr gut untergebracht und gehen auf, weil sie viele ältere Damen haben, die sich um sie kümmern – also quasi eine österreichische Großmutter. Die Burschen bringen sich sehr stark im Verein ein und helfen bei Events. Sie sind hilfsbereit und lernwillig und fallen nicht negativ auf.
Alle Altersgruppen helfen mit
Sind es also vor allem Pensionisten, die sich engagieren?
Es ist total durchgemischt: Schüler, Studenten, Hausfrauen, Pensionisten, Familien. Das Museum Essl hat viele Kunstworkshops zur Traumabewältigung veranstaltet. Die Gemeinde, das Rote Kreuz, der Lions und Rotary Club unterstützen uns sehr, genauso wie viele Private, beispielsweise Stephanie Schmid, die Deutsch-Hefte zusammengestellt hat, die wir bei unseren Kursen verwenden. Negative Reaktionen auf unseren Verein haben wir kaum.
Was ist für Ihre Helfer der Anlass, sich freiwillig zu engagieren?
Für viele waren es die Bilder, wie die Leute am Bahnhof ankamen. Bei uns ist es so, dass jemand einen Helfer trifft, so den Verein kennenlernt und helfen möchte. Viele haben mit Kleiderspenden angefangen oder sind zum Begegnungscafé gekommen. Dann haben sie die Flüchtlinge getroffen und gesehen: „Ja, das sind ja Menschen wie wir“.
Sie sprechen von Bildern. Wie ist es für jemanden, der sich für Flüchtlinge einsetzt, die Bilder aus Aleppo zu sehen?
Schwierige Frage. Natürlich bringt das viele Emotionen hoch, vor allem Hilflosigkeit. Auf der anderen Seite versucht man, sich selbst zu motivieren und sagt, man kann zumindest den Menschen, die hier sind, helfen. Gerade unsere syrischen Familien sind sehr, sehr angespannt. Wir gehen mehr auf sie zu und schauen, wie wir helfen oder sie ein bisschen ablenken können. Manche haben noch Familie in Aleppo, wir versuchen, sie zu unterstützen, so gut es geht.
Kommen wir zurück zu freudigeren Themen: Wie feiert „Klosterneuburg hilft“ Weihnachten?
Wir hatten bereits zwei Weihnachtsfeiern. In St. Leopold haben Flüchtlinge ein Theaterstück über die moderne Herbergssuche aufgeführt. Im Pfadfinderheim St. Gertrud konnten wir mithilfe des Lions Clubs Geschenke verteilen, auch an Klosterneuburger Kinder. Ein kleiner, österreichischer Bub ist zu uns gekommen und hat gemeint, ihm geht es eh gut. Zu ihm kommt am 24. Dezember das Christkind, er braucht das Geschenk nicht, wir sollen es lieber einem anderen Kind geben. Wir haben ihm gesagt, dass er so lieb ist, dass das Christkind uns ein Geschenk für ihn gebracht hat. Kinder sind wahnsinnig unvoreingenommen, und das war schön zu sehen.
Welche Weihnachts-Aktivitäten haben Sie noch geplant?
Am Mittwoch singen wir am Rathausplatz „Stille Nacht“ in verschiedenen Sprachen: Swahili, Chinesisch, Arabisch, Farsi, Russisch, Italienisch, Französisch und viele mehr. Wir verteilen Texte, Besucher müssen also nur hinkommen und mitsingen. [Das Singen findet am 21. Dezember um 18 Uhr statt, Anm. d. Red.]
Welche Projekte stehen in der nächsten Zeit an?
Wir möchten unser Spendendepot bekannter machen. Das ist am Rathausplatz 3 und mittwochs und samstags von 10 bis 12 Uhr offen. In dieses Depot bringen uns Klosterneuburger Kleider, Schuhe, Spielsachen, Fahrräder oder alte PCs – einfach alles, was nicht mehr benötigt wird, aber noch in Ordnung ist. Obdachlose, Flüchtlinge oder Familien können sich diese Spenden gratis abholen – so erreichen wir bedürftige Klosterneuburger. Wir bieten Hilfe nicht exklusiv für Flüchtlinge an, sondern für jeden, der sie benötigt. Außerdem sind wir auf der Suche nach einem Vereinslokal. Da wir uns aus Spenden finanzieren, haben wir ein sehr knappes Budget. Wir sind deswegen auf Hilfe und guten Willen, was den Kostenbeitrag betrifft, angewiesen.