Kunst aus Klosterneuburg: Gerettete Blätter als Reliquien und Symbole

Angela Andorrer lebt in unmittelbarer Nähe der Klosterneuburger Donau-Au. Dort sammelt sie unterschiedliche Blätter, die das Ausgangsmaterial für ihre künstlerische Arbeit bilden. Sie trocknet, presst und bearbeitet sie mit Acryl, Garn und Perlen.
„Diese Techniken entsprechen bis zu einem gewissen Grad den Klosterarbeiten, mit denen in der Barockzeit Reliquien eine kostbare Fassung verliehen wurde“, meint Wolfgang Huber, Kunsthistoriker und Kurator der stiftlichen Sammlungen. So entstehen moderne Naturreliquien, die in der Schatzkammer des Stifts in historischen Schaugefäßen präsentiert werden („Reliquie Natur #4 – Blattscapes in der Schatzkammer“, täglich 10 bis 17 Uhr).
Andorrer selbst ist über diese Ausstellungsmöglichkeit sehr erfreut, zumal sie auch in einer großen TV-Doku über Niederösterreich vorkommen wird.
„Ich nehme die kleinen Blattscapes mit auf Wanderungen und setze sie wechselnden Landschaftskulissen und deren Elementen Wind, Schnee, Sonne, schonungslos aus. Bei längerer Betrachtung weicht die Zerbrechlichkeit der Blattskulpturen einer zunehmenden Stärke und Überlegenheit gegenüber den Menschen, die sie nahezu beschwörend halten. Sie werden zu Symbolen der mythologischen Verwandtschaft zwischen Mensch und Natur. Möglicherweise werden die Blätter zum stummen Zeugen und traurigen Schmuck einer Welt, in der die Menschheit sich der eigenen Lebensgrundlage beraubt“, so die Künstlerin, die sich auch stark für den Klimaschutz engagiert.
Möglicherweise werden die Blätter zum stummen Zeugen und traurigen Schmuck einer Welt, in der die Menschheit sich der eigenen Lebensgrundlage beraubt. Angela Andorrer, Künstlerin
In der Galerie Gut Gasteil im südlichen Niederösterreich sind ihre Arbeiten noch bis Ostern zu sehen. Und bis 8. April nimmt sie als Gast an einer Gruppenausstellung („Parasiten“) des St. Pöltner Künstlerbunds teil (Löwenhof, Linzer Straße 16, Mittwoch, Donnerstag, Freitag von 16 bis 18.30 Uhr und Samstag von 10 bis 12.30 Uhr). Die von Ernest A. Kienzl kuratierte Ausstellung setzt sich mit verschiedenen Interpretationen und Perspektiven zu diesem Thema auseinander. Präsentiert werden beispielsweise Werke, die die Beziehung zwischen Parasiten und ihren Wirten darstellen, sowie die Auswirkungen von Parasiten auf Umwelt und Gesellschaft. Andorrer: „Die Blätter, die ich auf meinen Wanderungen sammele, sind in der Regel von Blattparasiten beschädigt oder zerfressen. Mich faszinieren die verschiedenen Punktmuster, Sprenkelungen und Fraßlöcher, und ich sehe darin Formen von Landschaften oder abstrakter Kunst. Indem ich an den Blättern - im mumifizierten Zustand - weiter arbeite, führe ich in gewisser Weise die Arbeit der Parasiten fort. Vermutlich bin ich selbst ein Parasit.“
Bei einer weiteren Gruppenausstellung („Human_Nature“) im Wiener Künstlerhaus, die am 14. Juni eröffnet wird, ist Andorrer ebenfalls beteiligt.
Über ihren Werdegang schreibt die Künstlerin: „Ich wurde 1969 in Kanada geboren, in der Nähe von Halifax, am Atlantik. Meine Schulzeit verbrachte ich in Oberbayern, in Grafing bei München, und Abitur machte ich am Musischen Gymnasium in München. Als Beruf kam für mich nur etwas mit Musik (Geige) oder mit bildender Kunst in Frage, und letzteres studiert ich dann in Montreal (Concordia University), München (AdbK Akademie der bildenden Künste) und bei Kiki Smith (Sommerakademie Salzburg).“
