Wie Arbeitslose erste Schritte zurück in den Berufsalltag setzen

Karl Roll freut sich immer, wenn einer seiner Klienten grüßend mit dem Traktor beim Forsthaus in der Au vorbeirauscht. Der junge Mann fasste im Forstprojekt Fuß, heute ist er Gemeindemitarbeiter. „Früher wurde er von seiner Mama abgeholt, jetzt steigt er erhobenen Hauptes in sein eigenes Auto ein“, schildert Roll, der das Beschäftigungsangebot für Arbeitslose leitet.
Das 1988 gegründete Forstprojekt Stockerau erlebt heuer das 35. Jahr, damals hieß es „‚Mirakulix‘, weil so eine Mistelplage im Weinviertel war“, erinnert sich Roll zurück. Zwei Aufgaben werden mit dem Projekt mit Sitz im Forsthaus erfüllt: Männer, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, erhalten eine Beschäftigung – und tragen ihren Teil zur Pflege von Wäldern und Grünflächen bei.
In 35 Jahren: 2.700 Hektar Pflegearbeit und Durchforstung
„Meine Berater wissen zu schätzen, wie hier gearbeitet wird und welche Erfolgsgeschichten sich ergeben“, betont AMS-Geschäftsstellenleiterin Jutta Mattersberger. Das AMS Korneuburg vermittelt die Arbeitslosen zum Forstprojekt.
Geschätzt wird, dass in den 35 Jahren unter anderem 2.700 Hektar Kulturpflegearbeiten und Durchforstungen geleistet, rund 100.000 Pflanzen und Jungbäume gepflanzt und auf zirka 50.000 Laufmetern Wildzäune auf- und abgebaut wurden. Forstprojekte wie diese gingen damals wie Schwammerln im Wald nach einem Regentag auf, in Stockerau blieb es bis heute erhalten.
39 Prozent schafften 2022 den Sprung in den Berufsalltag
„Wir sind keine Schlägerungspartie“, erläutert Roll. Die Arbeit hat sich mittlerweile mehr in die Grünräume verlegt, gearbeitet wird auch für Forstbetriebe wie Stift Klosterneuburg oder die Güter Jaidhof, Colloredo-Mannsfeld oder Reuss. Das Forstprojekt ist ein Dienstgeber für zwölf Männer, die für acht Monate vollzeitbeschäftigt sind und dafür bezahlt werden. Ziel ist, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Das soll zumindest bei 28 Prozent geschafft werden, 2022 erreichte man eine Quote von 39 Prozent. Als Vermittlungserfolg zählt nicht, dass der Klient einen Job gefunden hat. Er muss 92 Tage am sogenannten ersten Arbeitsmarkt tätig sein. „Die Leute kommen relativ rasch in den Acht-Stunden-Tag hinein“, erklärt Andreas Schachiner, zuständig für die Sozialarbeit und Personalentwicklung.
Es ist schon ein großer Erfolg, dass er überhaupt acht Monate gearbeitet hat und aus dem Grundschlamassl heraußen ist. Andreas Schachinger, Sozialarbeiter
Sie kommen mit unterschiedlichen Bürden: eine Strafvergangenheit, Stress in der Familie, hohe Schulden, psychische Probleme oder eine Alkoholaffinität. Die Männer werden unterstützt und an weitere Stellen (etwa zur Therapie) weitervermittelt. Ihnen wird dazu verholfen, Privatkonkurs anmelden zu können. Bewerbungen oder Bildungsmaßnahmen werden vorbereitet.
Schachinger beobachtet immer wieder, wie wichtig es ist, dass der mit Belastungen vollbepackte Rücksack immer leichter wird – und die Klienten wieder Selbstsicherheit gewinnen. „Wertschätzung und Vertrauen ist das Erste, was sie von uns bekommen“, sagt Roll. „Es ist schon ein großer Erfolg, wenn ein Klient acht Monate arbeitet und aus dem Grundschlamassl heraußen ist“, ergänzt Schachinger. Ein Teil der Männer will verhindern, je wieder in ein Loch zurückzufallen. „Der Rest fällt ins Milieu wieder zurück“, erläutert der Sozialarbeiter. Um und Auf sei aber, dass man aus seinem früheren Leben rauskommt.
Anforderung am Arbeitsmarkt sind gestiegen
Alle Altersgruppen sind im Forstprojekt vertreten, betreut wird der 18-Jährige mit Lernschwächen genauso wie der Akademiker. Sehr viele von ihnen haben lange gearbeitet und wurden ein paar Jahre vor der Pensionierung gekündigt. Die meisten Klienten finden am ehesten einen Job im Hilfsarbeiterbereich, im Lager und Verkauf oder als Gemeindemitarbeiter. „Wir versuchen, das unseren Leuten beizubringen: Du musst flexibel sein. Und da stoßen wir oft an unsere Grenzen“, sagt Schachinger. Auch weil der Verdienst von 1.400 Euro beim Forstprojekt von herkömmlichen Betrieben oft nicht ausbezahlt wird.
Und ihm fällt auf, dass die Anforderungen gestiegen sind. Lehrlinge müssen zum Beispiel herausfordernde Tests absolvieren, bevor es überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch kommt. Es bräuchte seines Erachtens andere Zugänge – und den Beruf des Kleinfacharbeiters. Die Zahl der Arbeitskräfte, die die Hürden einfach nicht schafft, werde sonst zu groß.
Forstprojekt: Bis 2026 verlängert
2022 waren 41 Personen für das Forstprojekt tätig: Das AMS fördert die Aktion mit mit 627.000 Euro und das Land NÖ mit 171.000 Euro. Der Rahmenvertrag wird üblicherweise jährlich verlängert, diesmal hat er bis 2026 seine Gültigkeit. 123.000 Euro wurde im Vorjahr aus den Aufträgen lukriert. „Was übererwirtschaftet wird, kommt wieder zum AMS zurück“, erklärt Projektleiter Roll.
Übrigens: Nur Männer sind im Forstprojekt beschäftigt. „Wir würden Frauen auch nehmen“, sagt Sozialarbeiter Schachinger. Das Interesse sei aber kaum vorhanden, außerdem müssen mittlerweile Sanitäranlagen und Umkleideräume getrennt vorhanden sein, das ist in dem 100 Jahre alten Forsthaus nicht gegeben. „Es gibt auch ein Frauenprojekt in Hollabrunn, nämlich Luna, da haben Männer nichts verloren“, ergänzt er lächelnd.