Prozess offenbarte Familiendrama im Bezirk Korneuburg

Erstellt am 30. März 2023 | 16:00
Lesezeit: 4 Min
Landesgericht Korneuburg
Auch den Möglichkeiten der Justiz sind manchmal Grenzen gesetzt. Wie in einem Fall von vorsätzlicher Körperverletzung am Landesgericht Korneuburg.
Foto: Christian Pfeiffer
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Die Schuld suchte eine 47-Jährige bei den anderen, angeklagt war aber sie am Landesgericht Korneuburg. Und zwar weil sich ihr „Grant“ gegen ihre Familie richtete.

Das Landesgericht Korneuburg und eine 47-jährige, zweifache Mutter – da prallten bei einer Verhandlung wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen ihren Ehemann Welten aufeinander. Schon bei der üblichen Aufnahme der persönlichen Daten bekam es Richterin Astrid Raufer mit dem bockigen Verhalten der Frau zu tun: „Ist nix zu ergänzen." Bei der – für andere tröstlichen – Auskunft der Richterin, dass sie nicht vorbestraft sei, antwortete die 47-Jährige: „Was er mir angetan hat ... fühl' mich bestraft genug."

In der Tonart ging es auch weiter, als Raufer wissen wollte, wie sie sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern wolle: „Was wollen Sie hören?" „Ich bin neutral", versuchte die Richterin auf ihre Unvoreingenommenheit hinzuweisen – auch das vergeblich. Mehr zum Sachverhalt und dem auffälligen Benehmen der 47-Jährigen konnte ihr Mann (46) beitragen. Seine Gattin leidet unter einer Schizophrenie, die sie in früheren Jahren auch behandeln hat lassen. Als sie 2019 ihren Job verlor, ging sie auch nicht mehr zur Therapie und nahm ihre Medikamente nicht mehr.

Irgendwann waren alle böse

Etwa ab September 2019 habe sich seine Frau dann stark verändert. Zuerst war sie „grantig" auf die böse Medizin, dann war es die böse Gemeinde, bei der sie sich vergeblich beworben hatte, schließlich seien alle anderen die Bösen gewesen. Insofern musste sich die Richterin nicht grämen – es war nichts Persönliches. Für ihren Grant allein saß die 47-Jährige aber natürlich nicht auf der Anklagebank.

Denn zunehmend machte sie sich Luft, indem sie ihren Mann im gemeinsamen Haus schlug. Mal war es eine Ohrfeige, mal eine „Dachtel", aber auch ein Teller landete schon auf dem Kopf des Mannes. Einmal warf sie mit einem Pflasterstein – der sein Ziel verfehlte – nach ihm, einmal würgte sie ihn, sodass er tagelang Schluckbeschwerden hatte. Am 17. Februar dieses Jahres war der Leidensdruck für den 46-Jährigen zu groß und er zeigte den Vorfall dieses Tages an. Diesmal hinterließ der Angriff der Frau eine Beule am Kopf, bedingt durch den Schlag mit einem Häferl, und Kratzspuren.

Tragödie hinter dem Strafprozess

Der folgende Dialog, der sich entspann, als die Richterin der 47-Jährigen das obligatorische Recht erteilte, Fragen an ihren Mann zu richten, verdeutlichte vielleicht am besten die menschliche Tragödie hinter dem Strafprozess. Allen Ernstes wollte sie von ihm wissen: „Fühlst du dich wohl?" Was den bisher in der Verhandlung sehr beherrschten 46-Jährigen emotional an seine Grenzen brachte. „Nein", so die Antwort, gefolgt von der Nachfrage „Erleichtert?" und einem „Nein", dem man beim Schwinden der Hoffnung zuhören konnte.

Auch ihren Kindern, neun und elf Jahre alt, ersparte sie die Aussage vor Richterin Raufer, die die Kinder kontradiktorisch – also abgesondert von ihrer Mutter – vernahm, nicht. Auch sie konnten schon mal ins Schussfeld des Grants ihrer Mutter geraten. Herzzerreißend der Satz der Tochter: „Sie schiebt immer alles auf den Papa." Im Anschluss an diese Befragungen legte die 47-Jährige der Richterin nahe, sich den „bösen Großvater" mal näher anzusehen – null Reaktion auf das, was ihre Kinder gesagt hatten.

Antrag auf Scheidung gestellt

Das Bild rundete sich ab, als Astrid Raufer wissen wollte, ob noch Anträge gestellt werden. „Die Scheidung", so die 47-Jährige, die der Idee einen ökonomischen Aspekt abgewinnen konnte. Müßig zu erwähnen, dass die Hinweise der Richterin nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Der Schuldspruch war keine Überraschung. Die Milde des Urteils von zehn Wochen bedingter Freiheitsstrafe war vielleicht der Versuch des Strafrechts, auszudrücken, dass im Fall der 47-Jährigen wohl nur andere Maßnahmen hilfreich sein könnten.

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