Stockerauer Bürgerinitiative bemüht sich um schnelle Übergangslösung

Die Asfinag verfolgt Pläne, die A22 auf sechs Spuren auszubauen - ohne vorangegangene Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Das fordert allerdings die Bürgerinitiative „Tunnel und Grüner Übergang“ ein, sie nahm den Kampf auf rechtlichem Weg auf. Doch das Verfahren zieht sich dahin, nachdem zuletzt die Asfinag erneut Revision eingelegt hat. „Wir sind in einer Situation, die nach einer Lösung schreit - für die Stockerauer und für die Autofahrer“, findet Josef Lehner, Sprecher der Bürgerinitiative.
Das Team sucht nach Vorschlägen, wie Erleichterungen angesichts eines seit Jahrzehnten gestiegenen Verkehrs erzielt werden kann. „Eine schnelle, billige, kurzfristige Lösung, die an Daten und Fakten der Asfinag, des Umweltbundesamtes und der Statistik Austria festgemacht werden können.“ Gleich mehrere Problemfelder will die Bürgerinitiative - unter Vorlage einer präzise vorbereiteten Unterlage - damit behandeln.
Lärmbelastung ist „großflächig unzumutbar“
Der Lärm in der Stadt ist nachweislich „in seinem heutigen Zustand unzumutbar“, betont Bürgerinitiative-Mitglied Hans Nader. Er legt eine lärmtechnische Untersuchung vor: Der Schallpegel-Grenzwert der WHO wird bei Tag und bei Nacht überschritten, außerdem ist der Straßenlärm in bestimmten Gebieten als gesundheitsgefährdend einzustufen.
Dazu kommt gemäß Nader, dass sich der Lärm in die Stockerauer Au hineinzieht: Der Lärmrichtwert von 45dB „wird weit verfehlt“, das ist nicht mit den Erhaltungszielen des Naturschutzgebietes und Europaschutzgebietes („Natura2000“) vereinbar. Setzt die Asfinag ihre Erweiterungspläne der A22 um, dann grenzen 78 Prozent der Ausbaustrecke (4,3 Kilometer) direkt an das FHH-Gebiet.
Stockerau-Mitte: Höchste Luftbelastung in Niederösterreich
Was die Luft betrifft, „haben wir in Stockerau-Mitte die höchste NO2-Belastung in Niederösterreich“, betont Nader. NO2 sind Stickoxide, die hauptsächlich bei Verbrennungsprozessen entstehen. Stockerau wies 2021 einen NO2-Wert von 25 µg/m3 auf, das ist schon nahe am aktuellen Grenzwert (30 µg/m3): Die Messung fiel aber in die Zeit der Corona-Pandemie, in der weniger Fahrzeuge unterwegs waren.
Wird eine Hochrechnung auf Basis der Verkehrszahlen aus dem Jahr 2019 vorgenommen, schnellt der NO2-Wert auf 36 NO2 µg/m3 hinauf: Das ist eine deutliche Überschreitung des aktuellen Grenzwertes. Dazu kommt: Die Europäische Union verfolgt bereits das Ziel, bis 2030 den NO2-Grenzwert auf 20 µg/m3 hinunterzusetzen, weil die Luftschadstoffe eine zu große Belastung auf die Gesundheit ist. Die WHO empfiehlt sogar die Einhaltung von 10 µg/m3. Nader weist darauf hin, dass sich das Sportareal direkt neben der Autobahn befindet: Kinder und Jugendliche halten sich dort auf.
„Korsett“: Geringe Knotenabstände führen zu Staus
Die Sicherheit ist angesichts der geringen Abständen zwischen den Knoten einer ursprünglichen „Stadtautobahn“, die heute eine Transitautobahn ist, ein bedeutender Faktor: Bürgerinitiative-Mitglied Wolfgang Rieger spricht von einem „Korsett“, das bei einem unangepassten Tempo die Sicherheit gefährdet.
Und das „Korsett“ führt zu Staus: Sie treten gehäuft in Richtung Hollabrunn in der 18. Stunde und vor der Mittagszeit an Wochenenden auf - und in Richtung Wien in der achten Stunde werktags und sonntagabends (18/19 Uhr). Grundsätzlich treten Stauereignisse an 20 bis 25 Prozent der Tage auf, in diesen Phasen sind die Fahrzeuglenker gezwungen, erheblich langsamer zu fahren.
Wo die Unfallraten am höchsten sind
Wie viele Unfälle, in den Personen auch verletzt werden, treten im Abschnitt auf? „Wir haben in den sechs Bereichen drei, die auffällig sind“, hat Nader Daten im Zeitraum von 2017 bis 2021 im Stockerauer Abschnitt analysiert. Die Unfallraten sind in Richtung Hollabrunn bei Stockerau-Ost und Stockerau-Mitte sowie in Richtung Wien ebenso bei Stockerau-Mitte „deutlich über den Durchschnitt“. 63 Prozent sind Auffahrunfälle, 26 Prozent werden durch Fahrspurwechsel verursacht (11 Prozent: andere Ursachen).
Der Prozentwert der Auffahrunfälle lässt den Schluss zu, dass die Lenker die Abstände zu wenig einhalten. Was das Tempo betrifft, wird dieses in Richtung Hollabrunn die 130 km/h durchschnittlich eingehalten. Einzelne Raser sind in der Nacht zu beobachten. Schwer tun sich die Fahrzeuglenker offenbar mit der Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h in Richtung Wien, zumeist wird schneller gefahren: im Durchschnitt bei Tag 115 und in der Nacht 122 km/h.
Vorschlag: Tempolimit und „Section Control“
Für die Bürgerinitiative sind angesichts dessen zwei Maßnahmen sehr naheliegend: eine Reduktion der Geschwindigkeit und die Einführung der „Section Control“, damit diese auch eingehalten wird. „Ich glaube, wir haben gute Gründe dafür aufbereitet“, sagt Lehner. Überlegenswert sind flexible Tempolimits bei Überlastungen, um den Verkehrsfluss bei niedrigerer Geschwindigkeit aufrecht halten zu können.
„Es steht schon die Frage im Raum, warum auf dem einen Autobahnabschnitt 100 km/h gültig ist und in der anderen Richtung 130 km/h“, sagt Bürgermeisterin Andrea Völkl. „Natürlich ist es ein Nadelöhr, aus Gründen der Verkehrssicherheit ist Handlungsbedarf vorhanden.“ Sie denkt auch an einem Verkehrskonzept für die B3 im Stadtgebiet: „Es braucht eine Entlastung. Das schaffen wir aber als Stadtgemeinde nicht selbst.“
Bürgerinitiative will gerichtliche Verzögerung nutzen
Angesichts des Transitverkehrs „wird dieser Korridor zwangsweise stärker belastet“, betont Lehner. Allein die Fertigstellung S1 des Regionenrings „hat die größte Steigerungsrate des Verkehrs“ ausgelöst, führt Nader ein Beispiel an. „Stockerau ist in diesem Spiel eine wichtige Stelle.“
Die Bürgerinitiative will die gerichtliche Verzögerung bis zum endgültigen Urteil nutzen und sucht laufend den Kontakt zur Landesregierung und zur Bundesregierung, um vor allem ihre Analysen vorlegen zu können. Parallel dazu werden Gespräche mit allen Stockerauer Gemeinderatsfraktionen gesucht. Geplant ist jedenfalls schon der Beschluss einer Resolution für Tempo 100 auf der A22: Diese soll an das Verkehrsministerium und dem Land NÖ zugesandt werden.