Winzer Krems bei neuem Buch im Visier der Kritik

„Wenn es nach der Winzergenossenschaft Krems ginge, dann hätten Sie nur ein Buch mit leeren Seiten in Händen.“ So beginnt das druckfrische Buch „Der Wein des Vergessens“ von Bernhard Herrman und Robert Streibel. Das stimme nicht, kontert Winzer-Krems-Direktor Franz Ehrenleitner: „Ich habe ja nicht zu verhindern versucht, dass das Buch geschrieben wird.“
Wie kam es zu der Polemik? Das Buch beschreibt die Gründung der Winzergenossenschaft Krems im Jahr 1938 als Geschichte einer „Arisierung“: Anders als bisher dargestellt, seien die Sandgrube und die Kellerei des jüdischen Eigentümers Paul Robitschek nicht „frei“ und verlassen gewesen, so die Autoren. Vielmehr seien Robitschek und dessen Partner August Rieger massiv unter Druck gesetzt und wegen ihrer Homosexualität bei der Gestapo denunziert worden.

Erzählt werden die Ereignisse zwar in Form eines Romans, aber mit vielen Quellen im Anhang. Laut Historiker Streibel sind nur sehr wenige Dinge erfunden: „Wir hatten Akten, sehr viele Briefe und andere Unterlagen.“ Viele neue Quellen hatte Co-Autor Herrman in Salzburg im Nachlass seiner Cousine gefunden – der Tochter von Robitscheks Sandgrube-Verwalter.
„Das Erschütternde war, dass sich die Winzergenossenschaft absolut weigert, nur darüber zu reden“, so Streibel zur NÖN. Herrman und er hätten vergebens das Gespräch gesucht.
Im Vorwort wird aus einem Telefonat mit Ehrenleitner zitiert: „Lassen Sie uns endlich damit in Ruhe!“ Er sei 1954 geboren und wolle sich nicht damit beschäftigen, soll Ehrenleitner brüsk abgeblockt haben: „Wen interessiert das heute? Mich nicht.“
„Wollten weder Schuld zuweisen noch Geld“
Was hätte man sich von einem Treffen erhofft? Streibel: „Wir wollten weder Geld, noch wollten wir den heutigen Beteiligten einen Vorwurf machen. Wir wollten ihnen nur die Geschichte erzählen.“ Nach 80 Jahren müsse doch endlich einmal die Wahrheit ans Licht, so Streibel: „Das ist man auch den Opfern irgendwie schuldig.“
Warum hat die Winzer Krems ein Treffen abgelehnt? Ehrenleitner: „Ich wollte nicht über etwas sprechen, über das ich nichts weiß und an dem ich nichts ändern kann.“ Mit Streibels Forderung, ein Unternehmen müsse sich „seiner Geschichte stellen“, könne er nichts anfangen. „Was soll ich denn tun?“, so Ehrenleitner. „Wenn ich nicht schuld bin, dann werde ich die Freiheit haben, mich mit einem Thema nicht auseinanderzusetzen.“
Inzwischen sei aber sein Interesse geweckt: „Im Nachhinein betrachtet, sind wir dankbar, dass die Autoren sich mit dem Thema befasst haben, denn es war uns ja in dieser Form nicht bekannt“, so Ehrenleitner zur NÖN. „Auch wenn es nur ein Roman ist“, fügt er hinzu: „Wir werden diesen Dingen jetzt mit eigener Recherche nachgehen.“
Buchpräsentation am 13. September, 19 Uhr, im Literaturhaus NÖ, Steiner Landstraße 3. Eintritt frei! Reservierung: 02732/72 884.