„Ohne Fußball bin ich nicht der Björn“

NÖN: „Trainer ist angezählt“, „Krems flirtet mit Ex-Rapid-Trainer“: Das sind zwei NÖN-Schlagzeilen aus vergangenen Jahren, die Aufschluss über Ihre bewegte Zeit als Chefcoach des Kremser Sportclubs geben. Ist der KSC auch heute noch Ihr Herzensverein, wie Sie vor vier Jahren zu Ihrem Amtsantritt sagten?
Björn Wagner: Ja, auf alle Fälle. Ich habe schon als Spieler in Krems viel miterlebt, damals schon als LAZ-Spieler oder später beim Aufstieg in die Regionalliga, wo ich dann zum ersten Mal kurz Trainer war. Natürlich war in den letzten vier Jahren manches nicht schön für mich, keine Frage. Aber ich habe einen breiten Rücken und habe das irgendwie abgeschüttelt.
Im vergangenen Sommer gab es neuerlich einen Affront gegen Sie. Stefan Maierhofer kam nach Krems, firmierte fortan offiziell als Chefcoach und stellte sich selbst immer wieder öffentlichkeitswirksam als solcher dar. Hat Sie das genervt?
Wagner: Ich schaue über viele Dinge hinweg, das sagen mir die Leute auch immer wieder. Ich gebe ihnen da auch gar nicht unrecht, aber bei mir steht die Mannschaft immer im Vordergrund. Natürlich hat es mir nicht gefallen, vor allem zu diesem Zeitpunkt, quasi am letzten Drücker. Auf einmal steht der „Major“ vor mir. Keiner hat irgendwas gesagt. Das war sicher nicht die feine englische Art. Ich habe dann mit Stefan aber überhaupt kein Problem gehabt. Er hat sich nicht großartig eingemischt und war immer da, wenn wir ihn gebraucht haben.
Sie haben immer wieder angesprochen, dass es die Mannschaft war, die Sie in all den schwierigen Phasen zum Bleiben bewogen hat. Was zeichnet diese Truppe aus?
Wagner: Der KSC spielt praktisch mit lauter Einheimischen, wenn man St. Pölten dazurechnet. Das Klima in der Mannschaft ist großartig und hat sich immer weiterentwickelt. Die Burschen gehen miteinander fort und sitzen mit einem Bier zusammen. Auch die Spieler, die wir im Winter geholt haben, passen wahnsinnig gut zu der Truppe dazu. Da ist von Georg Stierschneider und Michael Ettenauer wirklich super Arbeit gemacht worden, weil sie nicht nur auf die Qualität schauen, sondern auch auf den Charakter.
Vor Ihnen hat es beim KSC nur Robert Dienst in den 80er-Jahren so lange als Trainer geschafft. Warum ist Krems so ein heißes Pflaster?
Wagner: Ich glaube, weil es viele Einflüsterer gibt und viele Außenstehende mitreden wollen. Viele glauben, sie wissen es besser. Ein bisschen Rückendeckung sollte man vom Vorstand haben. Das ist in Krems schwierig, weil eben viele glauben, sich einmischen zu müssen. Deswegen gehen die meisten Trainer nach ein, zwei oder drei Jahren.
„Das war wie ein Kartenhaus, das zusammenbricht, wenn der Wind reinfährt.“ Björn Wagner über den Relegationskrimi gegen den SV Donau
Haben Sie diese vier Jahre in Krems verändert?
Wagner: Ich bin noch immer ich. Vielleicht kann ich jetzt mehr ertragen, auch in der Arbeit. Die Zusammenarbeit im Trainerteam war einfach super, da entwickelt man sich natürlich weiter – auch im Umgang mit den Spielern. In dieser Truppe gibt es natürlich auch ein paar Charaktere, wo man aufpassen muss. Aber das war das Schönste an diesen vier Jahren, mit den Spielern durch dick und dünn zu gehen.
Zu den Turbulenzen im Hintergrund passen auch die Rahmenbedingungen Ihres größten sportlichen Erfolgs, dem Aufstieg in die Regionalliga im Vorjahr, der beim Relegations-Rückspiel in Wien nach einem späten Gegentor mehr als nur auf der Kippe stand. Haben Sie an der Seitenlinie je so leiden müssen?
Wagner: Ich glaube nicht. Das war wie ein Kartenhaus, das zusammenbricht, wenn der Wind reinfährt. Aber ich habe trotzdem gewusst, wir kriegen noch die eine Chance und die hat Kurt Starkl Gott sei Dank genutzt. Es war schon das Heimspiel gegen Parndorf vor über 2.000 richtig geil, der schönste Moment war aber wirklich dieses Kopfballtor in der Nachspielzeit. Ich werde nie vergessen, wie ich am Boden gesessen bin und Lukas Thürauer zu mir gesagt hat, „jetzt sind wir oben“.
Wer waren für Sie die prägendsten Figuren in den vergangenen vier Jahren?
Wagner: Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Allen voran vielleicht Florian Bauer und Kurt Starkl, die spielen ihre Partie sensationell konstant runter. Aber auch Michael Ambichl, der in der Regionalliga richtig stark ist. Ich freue mich auch für Matthäus Halmer. Er hat einen schönen „Ast“ gehabt, weil er nicht fit war und jetzt spielt er so eine Bomben-Regionalliga-Saison. Da haben auch alle anderen geschaut, die ihn vielleicht an den Pranger gestellt haben. Ich habe ihm immer die Stange gehalten.
Es ist kein Geheimnis, dass der KSC irgendwann in die 2. Liga rauf möchte. Wenn man externen Stimmen glaubt, dann eher früher als später. Trauen Sie das dem Verein zu?
Wagner: Wie es wirtschaftlich aussieht, weiß ich nicht, da sind andere gefragt. Vom Spielerischen her hat es die Mannschaft drauf. Wenn wir Stripfing geschlagen hätten, wären wir die beste Rückrundenmannschaft geworden. Es werden sicher ein paar gute, junge Spieler dazukommen. Egal, welcher Trainer kommen wird: Ich bin überzeugt davon, dass die Truppe nächste Saison unter den ersten Fünf mitspielen wird. Die Frage ist, ob es überhaupt gut wäre, aufzusteigen. Die 2. Liga ist undankbar, man fährt nur in der Weltgeschichte herum.
Aus der 2. Liga kommen die zweiten Mannschaften von Rapid und der Austria runter, in der Wiener Stadtliga steht mit dem FavAC ein Traditionsverein vor dem Aufstieg. Tut Ihnen der Abschied aus der Regionalliga weh?
Wagner: Schon ein bisschen. Rapid und Austria sind Namen, die ziehen. Nichtsdestotrotz habe ich diese Entscheidung jetzt so getroffen, weil der Trainingsaufwand nicht mehr zu bewältigen gewesen wäre. Aber wer weiß, vielleicht komme ich irgendwann zurück.

Sie sind jetzt 50 Jahre alt. Ist der Schritt zu Rohrendorf in die 2. Landesliga so etwas wie der Eintritt in einen etwas gemütlicheren Herbst Ihrer Trainerkarriere?
Wagner: Ich wäre gerne in die 1. Landesliga gegangen, aber da gibt es ja leider kein großes Angebot in der Umgebung. Rohrendorf ist für mich immer eine gute Adresse gewesen, mit Obmann Hannes Baumgartner habe ich vor 40 Jahren die ersten Fußballschuhe in Senftenberg zerrissen. Der Verein ist gut aufgestellt und spielt ohne Legionäre, das war für mich auch wichtig. Vielleicht ist es ein Schritt zurück, aber ich denke, dass es jetzt der richtige Zeitpunkt ist.
In der Sportlichen Leitung ist Rohrendorf nicht so breit aufgestellt wie Krems. Der aktuelle Headcoach Stefan Kerzig kritisierte kürzlich sogar den Vorstand dafür, dass er die gesamte Kaderplanung machen habe müssen. Inzwischen ist fix, dass beide Stürmer den Verein verlassen werden. Kommt da mehr Arbeit auf Sie zu als beim KSC?
Wagner: Vielleicht, aber ich machen den Job ja gern. Ich kenne viele Spieler rund um Krems und traue mir wetten, dass ich gemeinsam mit dem Sportlichen Leiter Christian König gute Arbeit machen werde. Stürmer brauchen wir, das ist amtlich. Wir haben aber schon unsere Fühler ausgestreckt.
Werden Sie Ihre Spielphilosophie auf Rohrendorf ummünzen?
Wagner: Zuerst muss ich einmal schauen, welche Mannschaft wir auf den Platz schicken können. Ich habe meine Ideen, auch für einzelne Spieler. Ich werde sicher offensiver spielen, da brauche ich aber natürlich ein bis zwei Stürmer dazu, die marschieren.
Sie arbeiten seit knapp zehn Jahren ohne längere Unterbrechung als Trainer. Wo nehmen Sie die Energie her?
Wagner: Vielleicht ist es der Wachauer Wein. Ich genieße die kurzen Auszeiten zwischen den Saisonen sehr, arbeite gerne im Garten oder liege einfach in der Sonne, telefoniere aber auch da immer nebenbei. Ganz ohne Fußball bin ich nicht der Björn.