„Diese Superkraft steckt in allen“: Kreativität als Kraft der Kindheit

Kinder sausten am vergangenen Donnerstag durch den Spielplatz, kicherten im Hof der Schallaburg, blinzelten in die Sonne – und Kinder waren an jenem Nachmittag auch Gesprächsthema im Arkadenhof. Das erste „Arkadenhofgespräch“ in der diesjährigen Schallaburg-Saison widmete sich der Kreativität als „magische Kraft der Kindheit.“ Dazu bat Moderator Marcel Chahrour drei kreative Geister und Experten zum Talk: Renate Habinger, Illustratorin und künstlerische Leiterin des Kinderbuchhauses in Oberndorf/Melk (Bezirk Scheibbs), Psychologin Sabine Völkl-Kernstock und Norbert Trawöger, Musiker und Künstlerischer Direktor des Bruckner Orchester Linz.
Wie man denn Kinder kreativ fördern könne, wollte Moderator Chahrour wissen. „Das hängt mit der Vorstellungswelt zusammen – und, so meine Erfahrung, auch mit den Spielsachen. Ich hatte als Kind fast keine, die unterste Lade in der Küche meiner Großmutter war mein liebstes Spielzeug“, sagte Renate Habinger. „Es braucht eine gute Umgebung, in der man selbstständig sein kann“, fügte Sabine Völkl-Kernstock hinzu. Aber auch „Eltern mit Weiblick“, informierte die Psychologin: „Wo Gefahren sind, braucht es auch eine Leitplanke. Grenzen sind schon wichtig.“ Wie das denn bei Norbert Trawöger war, fragte Moderator Chahrour: Schließlich wuchs er in einem Musikerhaushalt auf, wurde wie sein Vater Helmut Trawöger Flötenspieler. „Ich bin mit acht Jahren über die Vierte Sinfonie von Bruckner gestolpert, seither fesselt sie mich“, schildert er.
Und wann haben Sie zuletzt ein Buch gelesen?
Wer Profi-Musiker sein will, muss viel üben, dranbleiben. Natürlich gab's auch mal Widerstand, schilderte Trawöger: Sein Protest bestand darin, auch mal nicht zu üben: „Das hat meinen Vater zur Weißglut gebracht, aber ich hab' mir ja damit selbst geschadet, immerhin wollt' ich ja spielen.“ Auch Renate Habinger wusste bereits früh – „im Kindergarten“ – , dass sie zeichnen will. Als Leiterin des Kinderbuchhauses verfolgt sie ebenso ein klares Ziel: „ Es geht darum, eine Brücke zwischen den Kindern und den Büchern zu schlagen. Es ist dieses Staunen, wenn sie bei der Tür reingehen – es ist ein Funke, der die Neugierde anfacht.“ Das sei das Stichwort, weiß Völkl-Kernstock: Wer mit seinen Kindern Begeisterung teilt, mit ihnen in Beziehung steht, aber auch Freiräume gibt, fördert die Kreativität der Kleinen. Nicht zu vergessen die Vorbildwirkung, ergänzt Habinger: „Kinder lernen am besten beim Nachahmen. Wer fordert, dass die Kinder lesen, muss auch die Eltern fragen: Wird gelesen, gibt es dafür einen gemütlichen Platz zuhause?“ Wichtig sei aber – sowohl für Klein als auch für Groß, dass es auch die Langeweile für die Kreativität braucht, denn so entsteht der Eigenantrieb.
Kreativität – die Superkraft der Kindheit, des Schaffens, des Schöpfens – findet man zudem nicht nur in der Musik oder der Kunst. „Diese Superkraft steckt in uns allen“, verwies Trawöger etwa auf eine Begegnung, die ihn nachhaltig beeindruckte: den Straßenfeger von Grießkirchen. „Das ist ja kein kreativer Beruf an sich, aber der hat das mit so einem Schwung und einer Leidenschaft gemacht... Schön!“
Zu den Personen
Renate Habinger, Illustratorin und künstlerische Leiterin des Kinderbuchhauses in Oberndorf/Melk: „Damit Kreativität sich entfalten kann, braucht es Freiräume, und die sind in unseren dichten Zeitgeflechten gar nicht so leicht zu schaffen.“
Sabine Völkl-Kernstock, klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie: „Psychische Gesundheit ist nicht selbstverständlich. Nährboden für diese ist unsere Kindheit.“
Norbert Trawöger, künstlerischer Direktor des Bruckner Orchester Linz: „Wenn ich erwachsen bin, dann gehe ich allein auf den Spielplatz!“, sagte mir meine Tochter im Alter von drei Jahren. Seither tue ich noch mehr dafür, dass sie sich dieses Bedürfnis erhält. Sie hat aber damit zu rechnen, dass ich mitkomme oder schon dort bin.“