Mistelbach: Nitsch-Text aus den 1970er-Jahren erzürnt Demonstranten

Erstellt am 21. März 2023 | 08:00
Lesezeit: 4 Min
Hermann Nitsch
Passagen aus dem Text "Die Eroberung von Jerusalem" aus den 1970er-Jahren lässt Nitsch-Gegner toben: Sie sehen darin eine "Glorifizierung von Sodomie, Blasphemie, Vergewaltigung, Mord und Pädophilie."
Foto: Nitsch-Museum
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Seit 2007 gibt es das nitsch museum in Mistelbach mit jährlichen Ausstellungen zum Werk des Aktionskünstlers. Aber erst heuer, fast ein Jahr nach seinem Tod, gibt es auch eine Protest-Demo gegen die Ausstellung und Nitschs Kunst grundsätzlich.

Was die Organisatoren vor allem stört sind Passagen aus Nitschs Werk „Die Eroberung von Jerusalem“, erschienen in den 1970er-Jahren, aus dem sie Missbrauchsinhalte und für sie verstörende Inhalte herauslesen. Man wolle „Gegen Glorifizierung von Sodomie, Blasphemie, Vergewaltigung, Mord und Pädophilie“ auftreten, heißt es auf ihrer Homepage. Und „für den Erhalt einer gesunden Kunst- und Kulturszene zum Wohle unserer Kinder und gegen jeglichen Missbrauch.“ Der Aufruf zur Demo stammt von der Plattform „Stop Missbrauch“ (https://stop-missbrauch.com).

Warum die Proteste erst jetzt, nach 16 Jahren und nach dem Tod des Künstlers? „Kunst ist ja subjektiv und Nitsch soll machen, was er will. Wir haben lange gedacht der spritzt und schmiert nur mit Blut herum“, sagt die Wulzenshofnerin Birgit Fedhila, eine der Initiatoren der Plattform „Stop Missbrauch“. Und dann sei man auf diese Passagen gestoßen. Angesichts Tendenzen, in denen Drag-Queens in der Schule frühsexualisieren sollen, der immer aktiver werdenden LGBTQ-Bewegung, dem Ansteigen von Missbrauchsvorwürfen wolle man dagegen auftreten: „Damit unsere Kinder frei von solchen verstörenden Aktionen leben können“, sagt Fedhila. Für sie ebenso fragwürdig: Das großformatige Nitsch-Bild im Landesklinikum Mistelbach: „Da könnte man schon auch überlegen, ob das da so öffentlich hängen muss.“

Und: Gefordert wird mit der Demo dezidiert auch die Schließung des nitsch museums im Mistelbach.

Aktionen gegen Kindesmissbrauch etc. gab es heuer schon vor dem Burgtheater, beim Opernball und zum Teichmeister-Kindermissbrauchsprozess.

Geplant ist, dass sich der Protestzug am 25. März vom Lagerhaus aus ab 14 Uhr Richtung Innenstadt und dann in die Waldstraße bewegen wird. Unterwegs soll es auch eine Kundgebung geben, mit einem „offenen Mikrophon“ werden die Protestierenden die Möglichkeit haben, ihre Positionen zum Thema darzulegen.

Karrer: „Nitsch war ein wahrer Humanist.“

„Hermann Nitsch war ein wahrer Humanist. Es gibt Menschen, die das sein wollen. Es gibt jedoch Menschen, die es einfach sind und es immerzu ausstrahlen. Solch ein Mensch war er“, sagt Michael Karrer, künstlerischer Direktor des nitsch museums: „Sein Aktionstheater möchte das Menschsein grundsätzlich in all seinen möglichen Eigenschaften zeigen. Dazu schrieb er mitunter Texte über all diese wundervollen und all diese abgründigen Facetten der Menschheit.“ Er gehe davon aus, dass kein einziger dieser Demonstranten jemals persönlichen Kontakt mit dem Menschen Hermann Nitsch hatte oder nur eine einzige Erfahrung vorliegt, die diese Vorwürfe bestätigen kann: „Hier beschuldigt man aus Unwissenheit einen Vertreter des Humanismus“, sagt Karrer.

Nitsch sei zeit seines Lebens mit Anfeindungen aller Art konfrontiert gewesen“, sagt MAMUZ-Geschäftsführer Christoph Mayer: „Wer sich mit dem Werk des Künstlers beschäftigt hat oder ihn auch selbst gekannt hat, weiß aber, dass sich in seiner Person und seiner künstlerischen Arbeit zu keiner Zeit Vorwürfe dieser Art bestätigen lassen.“ Schon in den 1980er-Jahren wurden Textpassagen, insbesondere auch aus „Die Eroberung Jerusalems“, einem literarischen Werk, das sich mit den Abgründen der Menschheit befasst, aus dem Zusammenhang gerissen veröffentlicht. „Eine Tatsache, die auch Nitsch selbst in Interviews aufgriff: ‚ich selbst erschrecke, wenn ich meine eigenen texte aus dem Zusammenhang gerissen (…) lese, um wie viel mehr müssen Leute erschrecken und abgestoßen sein, die in keiner weise in der Lage sind den formal-ästhetischen als auch tiefenpsychologischen und philosophischen Gesamtzusammenhang zu wissen und zu begreifen.“

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