Suche nach der Wahrheit in Laxenburg

Erstellt am 19. November 2022 | 05:45
Lesezeit: 4 Min
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Das Barockschloss mitten im Ortszentrum von Laxenburg ist auch unter dem Namen „Blauer Hof“ bekannt.
Foto: Schloss Laxenburg Betriebsgesellschaft
Gedenktafel für Zwangsarbeiter am Blauen Hof gefordert.
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Die Geschichte des barocken Schlosses mitten im Ortszentrum von Laxenburg, auch als „Blauer Hof“ oder Neues Schloss bekannt, ist wechselvoll. Seit dem Jahre 1974 wird der Teil des Blauen Hofes am Schlossplatz vom International Institute for Applied System Analysis, kurz IIASA, genutzt.

Das Schloss ist untrennbar verbunden mit der Geschichte der Habsburger, auch wenn sich jetzt Reinhard Yannick Andres an die NÖN gewandt hat und darauf aufmerksam macht, „dass die Geschichte des Schlossparkes und des Blauen Hofes nicht nur mit Sissi und Franzl verbunden ist. Es gibt auch die dunklen Seiten der Geschichte, die jetzt aufgearbeitet gehören. Es ist unerhört, dass 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch keine Gedenktafel am Schloss angebracht ist, um an jene, größtenteils jüdischen Frauen und Kinder aus Ungarn zu erinnern, die hier in einem Arbeitslager untergebracht waren. Einem Lager, mit Stacheldraht umzäunt, Menschen, die ihre Arbeitskraft auch bei Firmen und Bauern in Laxenburg einsetzen mussten“, sagt Andres.

„Es ist wirklich furchtbar, was sich hier abgespielt hat, aber es interessiert einfach niemanden.“

Das Lager habe ungefähr ein halbes Jahr existiert, ca. 360 Menschen hätten hier gelebt, bevor die Insassen aus Angst vor den heranrückenden Alliierten auf Todesmärsche in Vernichtungslager geschickt wurden. „Es ist wirklich furchtbar, was sich hier abgespielt hat, aber es interessiert einfach niemanden. Ich will auch die Gemeinde Laxenburg nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, denn immerhin wurden die Zwangsarbeiterinnen auch im Ort beschäftigt“, meint Andres.

Eine Gedenktafel wäre das Mindeste, um an diese Schicksale zu erinnern, befindet Andres. Mangelndes Interesse will Bürgermeister David Berl, ÖVP, nicht auf sich sitzen lassen. „Wir haben in unseren letzten beiden Gemeindezeitungen Artikel von unserer Gemeindehistorikerin veröffentlicht, die sich genau mit dieser Thematik beschäftigen. Es kann also keine Rede davon sein, dass wir hier irgendetwas vertuschen wollen. Allerdings ersetzt ein Artikel nicht eine Historikerkommission, die alle Unterlagen zu diesen Vorwürfen noch einmal prüft.“

Es sei nicht im Sinne der Gemeinde, „irgendwo eine Gedenktafel aufzuhängen, wenn das Lager sich auf dem Grund der heutigen Schloss Laxenburg Betriebsgesellschaft, die den Park und das Schloss verwalten, befunden haben soll. Eine Gedenktafel muss dort aufgehängt werden, so sie konkret an einen speziellen Ort erinnert und nicht irgendwo“, ist Berl überzeugt.

Gemeinde sichert volle Kooperation zu

Die Gemeinde sei jedenfalls bereit, „alle unsere Unterlagen zur Verfügung zu stellen“. Vom Schloss verfüge das Gemeindearchiv über keine Unterlagen.

Der Grund und Boden des Schlosses und des Schlossparkes wird vom Wiener Teil der Betriebsgesellschaft, der Wien Holding, verwaltet. Auch mit dieser hat Andres bereits Kontakt aufgenommen. Die Antwort von Geschäftsführerin Sigrid Oblak stellte Andres nicht zufrieden, auch wenn diese auf NÖN-Nachfrage betont, dass die Wien Holding und die Schloss Laxenburg Betriebsgesellschaft bereits ein Projekt des Instituts für Jüdische Geschichte in Österreich unterstützt, das sich genau dieses Themas annimmt. Das Projekt trage den Titel „NS-‚Volksgemeinschaft‘ und Lager im Zentralraum Niederösterreich. Geschichte – Kontaktzonen – Erinnerung“.

Dabei setze man sich auch mit der damaligen Situation in Laxenburg auseinander. Aus dem Büro von Oblak heißt es: „Leider ist die Quellenlage recht dürftig, im Archiv der Betriebsgesellschaft selbst gibt es dazu keinerlei Unterlagen oder Hinweise. Wir wissen gesichert, dass im Neuen Schloss (Blauer Hof) in der Endphase des 2. Weltkriegs ein Lager für Zwangsarbeiter, überwiegend ungarische Juden, eingerichtet war. Darüber hinaus gab es im Schlosspark, etwa im Bereich des Concordia-Tempels, für kurze Zeit ein Lager des Reichsarbeitsdienstes (RAD).“

Man habe aber Herrn Andres ersucht, sich noch bis 2024 zu gedulden, denn erst dann sei das Forschungsprojekt abgeschlossen.

Schnellschüsse seien dabei hinderlich – auch und vor allem der Wahrheit wegen.

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