„Griechenwirt“ vor Gericht: Zwei Schuldsprüche, ein Freispruch

Aktualisiert am 02. Juni 2023 | 18:43
Lesezeit: 4 Min
Aussenansicht Landesgericht Wiener Neustadt 2023
Das Landesgericht in Wiener Neustadt ist Schauplatz der Verhandlung.
Foto: Baldauf, Franz Baldauf
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Ehemaliger Wirt und Corona-Rebell musste sich wegen mehrerer Tatbestände vor dem Landesgericht Wiener Neustadt verantworten. Das Urteil (14 Monate bedingt) ist nicht rechtskräftig.

Sie war mit Spannung erwartet worden – und begann gleich turbulent: die Verhandlung am Landesgericht Wiener Neustadt, in der sich jener 55-Jähriger wegen diverser Tatbestände verantworten musste, der sich vor allem in der Corona-Pandemie als „Griechenwirt“ einen Namen gemacht hatte. Weil zwei Männer zu Beginn der Verhandlung eine Österreichfahne sowie eine mit einer Friedenstaube als Symbol hochhielten – und der Aufforderung der Vorsitzenden, die Fahnen zu entfernen, nicht nachkamen –, wurden sie von Sicherheitskräften aus dem Schwurgerichtssaal geleitet. Infolgedessen kam es zur ersten deftigen Wortmeldung. „Sind Sie psychisch labil?“, rief ein Zuhörer in Richtung der vorsitzenden Richterin.

Angeklagter verteidigt sich wortreich

Von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt wurden dem Mann gleich mehrere Tatbestände. Der schwerwiegendste Vorwurf: Durch Postings auf dem Telegram-Kanal „Siga Siga in Ternitz“ – der Name seines stillgelegten Lokals in St. Johann – habe er den nationalsozialistischen Völkermord „gröblich verharmlost“, in einem anderen Fall gar „geleugnet“, so die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsplädoyer. Der Angeklagte, der sich in allen Punkten „nicht schuldig“ bekannte, kündigte zunächst an, „keine Angaben“ machen zu wollen – tat das anschließend aber äußerst wortreich und kam dabei nicht selten vom eigentlichen Thema ab. Knapp zusammengefasst: Er werde von der Behörde verfolgt, weil er unbequem sei und „die Wahrheit“ sage, seine Handys seien verwanzt.

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Diese Fahnen hielten zwei Zuhörer im Gerichtssaal hoch, sie wurden aus dem Raum geleitet.
Foto: NÖN

Vom Senat mit einem seiner Postings konfrontiert, das den engen Vertrauten von Adolf Hitler Joseph Goebbels zeigt, erklärte der Mann, dass er diesen nicht kenne. Den Beitrag geteilt habe er nur „wegen des Sprichworts“, so der Angeklagte. Schützenhilfe bekam der 55-Jährige von seinem Verteidiger, der gar Teile des Verbotsgesetzes infrage stellte. Um den Tatbestand zu erfüllen, „braucht es eine gewisse Sympathie für den Nationalsozialismus“, und die sei „nicht gegeben“. Generell bezweifelte er den Zusammenhang der vorgelegten Postings – dieser sei „sehr weit hergeholt“, so die Worte des Verteidigers.

Staatsanwältin: „Gesinnung ist keine Voraussetzung“

Die Staatsanwältin ließ vor allem die Aussage des Mannes, dass er lange nicht von der Existenz von Konzentrationslagern in der Nazi-Zeit gewusst habe, nicht gelten: Das sei „unglaubwürdig“, wo der Mann doch eine Schulbildung genossen habe. Und sie fügte an, dass für die Erfüllung des Tatbestandes eine entsprechende Gesinnung keine Voraussetzung sei.

Der Angeklagte, der auf „Telegram“ gerne zum Rundumschlag gegen Behörden, Politik und Medien ausholt, gab sich während der Verhandlung gegenüber der Richterin zumeist kooperativ, wurde aber auch des Öfteren ermahnt, dass er nicht am Wort sei. Gefragt nach seinem „letzten Wort“, beteuerte er, „Telegram“ gar nicht mehr benützen zu wollen, wenn er doch nur andere Möglichkeiten zur Kommunikation habe. Die Plattform sei „ein Stück unserer Existenz“, so der Mann mit Blick auf etliche seiner Anhänger, die ebenso im Schwurgerichtssaal Platz genommen hatten.

In zwei von drei Punkten schuldig

Nach dreistündiger Beratung verkündeten die Geschworenen schließlich kurz vor 18 Uhr das Ergebnis. In einem der beiden Anklagepunkte nach dem Verbotsgesetz wird der 55-Jährige schuldig, in einem anderen freigesprochen. Schuldig ist der Angeklagte ferner auch wegen eines Siegelbruchs - so hatte er ein von einem Beamten angebrachtes Siegel an drei Autos, die gepfändet werden sollten, entfernt. Das Urteil: 14 Monate bedingte Haft. Dabei handelt es sich um eine Zusatzstrafe, weil der Angeklagte im November 2022 bereits rechtskräftig zu vier Monaten bedingter Haft verurteilt wurde.

Der Verteidiger meldete direkt nach der Urteilsverkündung Nichtigkeit und Berufung an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.