Das Ende des Corona-Tagebuchs
60.000 Leser und ganz viele Erfahrungen. Obwohl der Anlass für unser Corona-Tagebuch kein erfreulicher war, so ist dennoch heute etwas Wehmut dabei, wenn mein Chefredakteurs-Kollege Daniel Lohninger und ich die letzten Zeilen darin schreiben.
58 Mal haben wir beide in den letzten zwei Monaten abwechselnd unseren Alltag in Zeiten der Krise beschrieben. Jeder für sich, jeder mit seinem eigenen Zugang, jeder täglich mit anderen Herausforderungen konfrontiert. Offenbar haben wir damit vielen NÖN-Leserinnen und Lesern aus der Seele „geschrieben“. Denn die Zugriffszahlen waren enorm. Insgesamt 60.000 Leserinnen und Leser verfolgten unser Tagebuch mit.
Dem Anlass entsprechend, haben wir zum Abschluss bei einem kleinen Bier und einem guten Essen im „Schauspiel“ in St. Pölten angestoßen. Denn heute wurde ja bekanntlich die Gastronomie erstmals nach zwei Monaten wieder geöffnet. Der nächste große Schritt zurück zur Normalität war für uns auch ein Anlass, um das Corona-Tagebuch zu beenden.

Wir wollen uns aber nicht verabschieden, ohne die vielen positiven Dinge in dieser außergewöhnlichen Phase zu erwähnen. Mit etwas Schmunzeln berichten wir Ihnen gerne, was wir in dieser Zeit alles erlebt und gelernt haben.
Gemeinsam haben wir gelernt…
… dass wir auch im Homeoffice jeden Tag ein aktuelles Thema für das Corona-Tagebuch gefunden haben.
… dass wir sogar täglich ein aktuelles Bild beisteuern konnten, obwohl uns am Ende schön langsam die Ideen ausgegangen sind.
… dass wir so viele Reaktionen auf unsere Einträge bekommen haben. Besonders erfreulich war für uns, dass sich so viele alte Bekannte und Freunde gemeldet haben, nachdem sie unsere Einträge gelesen hatten.
Ich habe in der Krise gelernt,

… dass man sich auch per Videokonferenz mit seinen Freunden auf ein Bier treffen kann, auch wenn der Vergleich mit einem realen Männerabend nie und nimmer Stand hält. Aber erwiesenermaßen haben das Online-Bier einige unserer Leser nachgemacht.
… dass man ein Fest wie Ostern mit der ganzen Familie auch virtuell feiern kann. Ich hoffe aber dennoch, dass es so nie wieder vorkommen wird. Denn die Krise hat uns deutlich gezeigt, dass wir ohne soziale Kontakte nur sehr bedingt glücklich sein können.
… dass der eigene Garten ein „Königreich“ ist und das ganz sicher nicht nur während einer Krise. Überhaupt sollte man sich mehr Zeit für die Natur nehmen und sie in vollen Zügen genießen. Schließlich zählt unser Land sicher zu den schönsten Flecken auf Erden.
… dass die ganze Familie mit meinem Job mitlebt. Nicht nur, weil sich mich berufsbedingt öfter entbehren müssen. Meine Frau und meine beiden Söhne waren mir auch bei der Themensuche für das Corona-Tagebuch eine kreative und wichtige Hilfe.
… dass mein vierjähriger Sohn Emil ebenfalls einmal bei der NÖN arbeiten will - und das vermutlich auch im Homeoffice. Jedenfalls hat er sich in unserem Wohnzimmer schon einmal ein Büro eingerichtet.
… dass ich es schaffen kann, meine Mutter und meine Schwiegermutter für ein Foto fürs Tagebuch überreden zu können.
… dass im Gegenzug meine Söhne Emil und Erik immer für ein Foto bereit waren und sie auch die besten Motive geliefert haben.
… dass ich für den guten Zweck 16,5 Kilometer laufen kann, ohne umzufallen.
… dass das Wichtigste im Leben die Familie ist. Das merkt man vor allem dann, wenn man nicht alle Mitglieder jederzeit um sich haben kann.
Ich habe in der Krise gelernt,

… dass Büros überbewertet sind. Denn gerade wir Journalistinnen und Journalisten können viel von Zuhause aus erledigen. Aber ohne Newsrooms wird es auch in Zukunft nicht gehen.
… dass Homeoffice viel kann, aber nicht alles. Vor allem der kreative Austausch und die Diskussion, beides gerade für Journalisten unersetzlich, kommt zu kurz, wenn alle daheimsitzen.
… dass das Leben ohne Wirte nicht nur fad ist, sondern dass ohne sie auch eine wesentliche und vor allem unabhängige Informationsquelle für uns Journalisten versiegt.
… dass kein Film so schlecht sein kann, dass er nicht doch von der Realität überholt werden könnte. Die besten Beispiele dafür sind die vielen B- und C-Movies, in denen irgendwelche Viren das Leben völlig auf den Kopf stellen. Vor Corona wirkten die Szenarien meistens unglaublich übertrieben.
… dass unser mehr oder weniger geordnetes Leben von einen Tag auf den anderen aus den Fugen geraten kann. Und wir sehr rasch bereit sind, unsere Freiheiten zu opfern. Als Anlass dafür genügt ein Virus, das unser Leben und das Leben unserer Familien und Freunde bedroht.
… dass man auf viel im Leben verzichten kann – aber nicht auf das Fortgehen, Reisen, Arbeiten und den (echten) Kontakt mit anderen Menschen. Sehr wohl verzichten kann man auf manche Society-Events.
… dass kochen Spaß machen kann. Und ich habe selbst eine Gewürzmischung gemacht, von der ich vor Corona noch nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt: Berbere. Kann man super selber machen – man braucht dazu nur Koriander, Kardamom, Bockshornklee, Gewürznelke, Piment, Zimt, Salz, Cayennepfeffer, Paprikapulver, Pfeffer und Kreuzkümmel.
… dass man im Hier und Jetzt leben muss. Nein, stimmt eigentlich nicht – das habe ich auch vorher schon getan. Gelernt habe ich aber, das Hier und Jetzt mehr wertzuschätzen.
…dass übersiedeln auch mit Mund-Nasen-Schutz möglich ist – man braucht halt genug Desinfektionsmittel und ein paar Ersatzmasken, die man „anschwitzen“ kann.

Mit so vielen neuen Erfahrungen können wir jetzt zuversichtlich in unseren nächsten Lebensabschnitt starten. Wir hoffen, Sie tun es auch und danken für Ihre Treue. Und wir versprechen Ihnen, dass wir uns schon bald wieder mit einer neuen kreativen Idee melden werden.
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