Viele Kaufleute ringen um ihre Existenz

Über zehn Prozent Umsatzplus bescherte der Regionalboom den rund 2.400 NÖ-Nahversorgern während der drei Corona-Jahre. Getrieben durch Lockdowns entdeckten damals viele den regionalen Einkauf beim Greißler, Container-Shop oder Bäcker ganz neu. Das ist vorbei.
Mit dem Ukraine-Krieg und Energiekrise erlebten die Nahversorger einen herben Rückschlag: Angesichts Gewinnmargen von ein bis zwei Prozent im Lebensmitteleinzelhandel, der allgemeinen galoppierenden Teuerung und einer Verdrei- bis Verfünffachung ihrer Energiekosten in der vergangenen Heizsaison steht vielen Kaufleuten in Niederösterreich nun das Wasser bis zum Hals.

Wir nehmen wahr, dass viele Geschäfte zusperren. Karl Ungersbäck, WKNÖ-Spartengeschäftsführer Handel
„Wir nehmen wahr, dass viele Geschäfte zusperren“, skizziert Karl Ungersbäck, Spartengeschäftsführer des Handels in der WKNÖ, die wirtschaftliche Situation vieler kleiner Händler. Alle relevanten Lebensmittelgruppen mit Kaufmannsmodell, wie etwa Nah&Frisch, Spar, Adeg bzw. Rewe und Unimarkt – sind betroffen und in betriebswirtschaftlicher Schieflage.
Während in den letzten 15 Jahren die Zahl der Nahversorger hierzulande relativ stabil war, befürchtet Ungersbäck jetzt ohne rasche Hilfen ein Nahversorger-Sterben: Besonders in kleineren Orten, aber auch im Umland von größeren Städten könnten viele aufgeben. „Bei einer Verdreifachung der Energiekosten, die normalerweise etwa 3 Prozent ausmachen, und ihrer geringen Gewinnmarge sind die Kaufleute im Minus. Das geht sich nicht aus.“ Diesen Trend kann auch die vergleichsweise hohe Kunden-Loyalität bei Nahversorgern, ihre starke Präsenz im Kommunalleben und das Engagement vieler Kaufleute nicht ändern. Akute Liquiditätsprobleme versuchen etliche mit Zahlungsziel-Verlängerungen ihrer Partner, Zwischenfinanzierungen und Fremdkapital zu überbrücken.

Den Bund drängte die Wirtschaft bereits im Herbst 2022 auf rasche, unbürokratische Energiehilfen, um die Misere abzufedern. Während beim ersten Energiekostenzuschuss die Nahversorger noch als nicht „energieintensive Betriebe“ leer ausgingen, sollen beim Energiekostenzuschuss II nun 60 Prozent ihrer Energie-Mehrkosten gefördert werden – bei einem Umsatz zwischen 3.000 Euro und zwei Millionen Euro.
Förderregime unklar, Hilfsgelder stehen aus
Bis das Fördergeld fließt, werden aber noch Monate ins Land ziehen: Die ministeriellen Förderrichtlinien sind noch nicht veröffentlicht. Ungersbäck hofft auf Klarheit in den nächsten Wochen, stellt aber auch klar, dass vor September wohl kein Geld fließen wird. „Wir hoffen, dass auf dem Weg zum Zuschuss nicht vielen Nahversorgern die Luft ausgehen wird.“
Alljährliche Aktionen wie „Nah sicher!“ von Wirtschaftsbund, Land NÖ und anderen Partnern oder die von der Wirtschaftskammer ins Leben gerufene crossmediale Kampagne „Ich kauf lokal!“ sollen den Nahversorgern das Rückgrat und die Bilanz stärken und Konsumenten zum regionalen Einkauf bewegen. Die Kampagne zählt mehr als 2.000 NÖ-Betriebe.
Lebensmittelhandel: „Kein Teuerungsgewinner“
Dass der Lebensmittelhandel ein Teuerungsgewinner sei – Stichwort „Gierflation“ –, widerspricht Ungersbäck jedenfalls vehement: Mit aktuell über 14 Prozent Inflation allein bei Lebensmitteln und derart schlechten Betriebsergebnissen sei es einfach, nachzuweisen, dass das keine Goldgruben sind.