Angelika Kirchschlager: „Jeder muss Haydn singen!“

NÖN: Gerade hat Niederösterreichs Internationaler Haydn-Wettbewerb in Rohrau wieder seine Pforten geöffnet - mit einer hochkarätigen Jury und (wieder) mit Ihnen als Juryvorsitzender. Wie wird's denn heuer?
Angelika Kirchschlager: Wir machen's jetzt zum fünften Mal. Und jedes Mal haben wir mehr als doppelt so viele Anmeldungen wie letztes Mal. Auch das Niveau steigt von Jahr zu Jahr. Und wir haben unglaublich tolle junge Sänger und Sängerinnen.
Die „tollen Jungen“ singen von heute, Freitag, bis übermorgen, Sonntag, um fünf gut dotierte Hauptpreise und um einen Publikumspreis. Worum geht's da? Um die Töne? Um die Worte? Um die Stimme? Um die Persönlichkeit? Oder um Haydn? Und: Kann da überhaupt einer oder eine der oder die beste sein?
Kirchschlager: Es ist eigentlich kein Wettbewerb. Denn die, die nach Rohrau kommen, können alle sehr gut singen. Es geht vielmehr um den Vortrag, wie spannend der ist, darum, wie sehr es dem Werk entspricht, es geht um die Aussprache, es geht darum, ob jemand eine Persönlichkeit hat und darum, wie sehr das Publikum gefesselt wird. Die erste und zweite Runde [Anm.: heute, Freitag, und morgen, Samstag, jeweils ab 10 Uhr] sind ohne Publikum im Schloss, die dritte Runde ist mit Publikum im Haydn-Haus in Rohrau. Und die Preise sind tatsächlich ziemlich hoch dotiert, für den ersten Preis gibt es 8.000 Euro vom Land Niederösterreich.
Nicht nur die Preise sind gut dotiert. Auch die Preisträger(innen) sind in Niederösterreichs Haydn-Region nicht nur beim Abschlusskonzert zu hören. Zwei aus 2022 haben erst am Muttertag 2023 in St. Margarethen am Moos gesungen. Gehört das Konzertieren auch zum 'Gewinnen'?
Kirchschlager: Das ist ein Teil des Deals! Es sitzen ja auch in der Jury Intendanten und Agentinnen. Und im besten Fall gibt es ein Engagement - oder man findet einen Agenten. Dieser Respekt ist uns so wichtig. Deswegen lieb ich's, deswegen möcht' ich's auch viel besser machen, als ich's erlebt hab'. Dieser Wettbewerb ist aber auch so vielfältig - und viele kommen auch wieder und versuchen's nochmal. Wir sind unglaublich international, unsere Kandidaten und Kandidatinnen kommen von Kanada bis Südafrika - und heuer haben sich auch acht bis neun Österreicher angemeldet. Das ist so toll, am Anfang war gar keiner dabei!
Apropos: (Nieder-)Österreich. Haydn steckt ja - mit dem Lied und der Arie - schon im Wettbewerbsnamen. Muss der auch am Wettbewerbsprogramm stehen? Und wer (oder was) darf da noch gesungen werden?
Kirchschlager: Haydn ist Pflicht, jeder muss Haydn singen! Am Programm stehen aber auch Mozart und Beethoven und Michael Haydn. Und da gibt's auch immer Neues zu entdecken! Haydn ist ja nicht so bekannt für seine Lieder, aber da gibt's auch Shakespeare-Texte, die sind gar nicht lieblich!
Und wie kamen Sie selbst zu Haydn? Und wie kamen Sie nach Rohrau?
Kirchschlager: Dieser Wettbewerb wurde mir vom Himmel geschickt [lacht]! Dabei hab' ich immer gesagt, ich kann den Haydn nicht spüren. Als Kind musste ich Haydn-Sonaten am Klavier spielen, im Schulchor kamen dann die Haydn-Messen - und jetzt tauch' ich so richtig ein. Dafür bin ich dem Wettbewerb so dankbar. Und: Die „Königin der Nacht“ ist da nicht weit weg!
Singen müssen Sie aber nicht, als Juryvorsitzende, oder? Was müssen Sie stattdessen?
Kirchschlager: Ich muss dieJury zusammenhalten, ich bin das Empfangskomittee und das Sprachrohr. Und ich kann jedes Jahr in Rohrau sein, das ist ein riesiges Geschenk!
In der Oper hat man Sie in den letzten Jahren gar nicht mehr gehört. Aber auch im Konzert eher selten. War's Ihnen (beides) zu viel?
Kirchschlager: Ich bin jetzt viel mehr in der Welt des Unterrichtens und der Jurien. Das Singen ist ein wahnsinnig schöner Beruf, aber es ist schon ein Dauerstress, es ist ein körperliches Hochleistungsding, ich musste immer fit sein, und das 25 Jahre lang. Das war megaanstrengend! Und nicht eine Sekunde denke ich : Wie gern würde ich wieder eine Opernproduktion machen!
Statt dessen stehen Sie mit Alfred Dorfer auf der Bühne. Und Alfred Dorfer steht auch auf der Sponsorenliste des Haydn-Wettbewerbs.
Kirchschlager: Er sponsert den Publikumspreis, der beim Abschlusskonzert am Sonntag (im Schloss Rohrau) live vergeben wird. Er macht das schon das dritte Jahr, und er war schon im ersten Jahr begeistert.
Und was kommt bei Ihnen als nächstes?
Kirchschlager: Ich zieh' mich gerade zurück, darum gibt's auch keinen Kalender. Das nächste Mal singe ich im September in Sollenau, mit Alfred Dorfer und dem „Pudel“ [Anm.: „Tod eines Pudels“ heißt das gemeinsame Pogramm, in dem auch Alfred Dorfer singt]. Aber am 30. Juli singe ich wieder am Semmering - dort machen wir allerdings Pudel-Pause, das ist der einzige Liederabend, den ich noch mache...
Mehr zum Wettbewerb, zu den nächsten Konzerten - und zum Livestream von 26. bis 28. Mai unter: www.haydnregion-noe.at