Doppelrolle für Günther Groissböck: Der König und der „Kick“

„Das ist schon ein besonderer Kick!“ Ist Günther Groissböck überzeugt. Und meint nicht die New Yorker Met, wo er gerade Verdi und demnächst Wagner singt. Nicht die Wiener Staatsoper, wo er im Mai mit Schostakowitsch Premiere feiert. Oder die Dresdner Semperoper, wo er im Juli Webers „Freischütz“ wieder aufnimmt. Nein, der Weltstar mit den Waidhofner Wurzeln meint Klosterneuburg. Genauer: die oper klosterneuburg.
Dort, im prächtigen Kaiserhof des Stiftes, hat Günther Groissböck 2003 seinen ersten Sarastro in Mozarts „Zauberflöte“ gesungen. Und dort wird der Sänger 20 Jahre später seinen ersten Verdi inszenieren. „Von der emotionalen Komponente wird das ähnlich“, schmunzelt er, „da ist das gleiche Kribbeln und die gleiche Aufregung.“ Schließlich sei das „eine ganz große Herausforderung“, dass man im richtigen Moment „schizophreniert“. Und zwei Rollen „spielt“: die auf und die hinter der Bühne.
Der König Philipp II. in Giuseppe Verdis Königs-, Kriegs- und Liebesdrama „Don Carlo“ sei dafür „grenzwertig“, aber: machbar. Erst recht, da Günther Groissböck den spanischen Monarchen erst im Dezember an New Yorks legendärer Metro politan Opera gesungen hat. Trotzdem: Als Regisseur, der auch Solist ist, stehe man quasi „mit offenem Hemd“ vor den Kollegen. Und da der Star auch alle Vorstellungen (und nicht nur die Premiere) singt, sei er auch „der Letzte, der das Schiff verlässt – das ist für mich Kapitänsehre“, lacht Groissböck.
Der Hof schreit nach ‚Don Carlo‘!“ Günther Groissböck, Opernsänger – und jetzt auch Opernregisseur – über den Kaiserhof in Klosterneuburg
Um die Lautstärke – und die Inbrunst, für die er erst vergangene Woche wieder in München gelobt wurde – mache er sich in Klosterneuburg jedenfalls keine Sorgen. „Das ist hier kein Thema. Der Raum hat eine unglaubliche Aura – und eine tolle Akustik. Da muss man nicht draufhämmern!“ Im Gegenteil. Der Philipp sei ohnehin ein „Zerrissener“, der „nicht nur laut“ sei und auch „leisere Zwischentöne“ brauche.
Und die Bühne? Die werde, verrät Günther Groissböck, der schon 2003 („das ist irgendwie wie vorgestern“) in einem Bühnenbild von Hans Kudlich sang, im Vergleich zu den vergangenen Jahren „ziemlich gerade sein“. Es werde „drei Ebenen“ geben. Und: „viel Feuer und Wasser“. Die Sänger würden schon gefordert, aber „akrobatisch herausfordernd wird es auf keinen Fall!“ Unter den Kollegen finden sich 2023, im 25. Jubiläumsjahr von Intendant Michael Garschall, der vor 20 Jahren auch Günther Groissböck als Debütant in den Kaiserhof geholt hatte, noch andere, nicht nur in Klosterneuburg bekannte Namen: Margarita Gritskova als Eboli, Arthur Espiritu als Don Carlo – oder der Stockerauer Bariton Thomas Weinhappel als Marquis von Posa.
Und der Waidhofner Bassist, der mit Mozart begonnen hat und längst bei Wagner – und Verdi – angekommen ist? Der will ohnehin „alles singen“. Das „Fachspezifische“, das sei nichts für ihn, meint Günther Groissböck. Er sehe das eher wie ein „Abfahrer, der die Streif mit 130 runterbrettert – und am nächsten Tag am Ganslernhang den Slalom fährt“ – also: „mit sportlicher Ambition“. Und er singe auch mal ganz lyrische Liederabende – auch aus „Gründen der Stimmhygiene und des Anspruchs“.
Was er – außer dem König in Klosterneuburg – heuer noch singt? Den Heinrich im „Lohengrin“ (in New York), den Ochs im „Rosenkavalier“ (in New York und im Kino), den Boris in „Lady Macbeth von Mzensk“ (in Wien – „das lerne ich gerade“). Und wen er noch singen will? „Es steht eh schon alles auf der Speisekarte“, resümiert Günther Groissböck. Aber den John Claggart in „Billy Budd“, bei Verdi „einen Attila“ und den Mephisto in „Faust“ – „das wären schon noch Wünsche!“