"Die Teuerung brennt, aber heizt nicht die Wohnung"
Für armutsgefährdete, beziehungsweise von Armut betroffene Menschen waren die letzten Jahre, geprägt von der Corona-Pandemie, bereits sehr herausfordernd. Nun würde die Teuerung gerade diese Menschen an den Rand der Existenz bringen, sagt Barbara Bühler, Obfrau und Koordinatorin des NÖ Armutsnetzwerks. Es gäbe Lücken im sozialen Auffangnetz, die wie Sollbruchstellen in Zeiten von Krisen zu Brüchen führen würden.
"Die Teuerung brennt - aber trotzdem heizt sie nicht die Wohnung", so Bühler. Denn gerade die Wohn- und Energiepreise würden aktuell eine starke Belastung darstellen.
Zu arm für die Privatinsolvenz
970 Privatkonkurse wurden in den ersten drei Quartalen 2022 in Niederösterreich eröffnet. Laut Michael Lackenberger, Geschäftsführer der NÖ Schuldnerberatung, entspricht dies einer Steigerung von 36,2 Prozent zum Vorjahr. "Vielen ist in Zeiten der Teuerungen selbst ein Privatkonkursverfahren nicht mehr möglich", sagt Lackenberger.
"Voraussetzung dafür ist nämlich, mit dem Geld, das einem monatlich zur Verfügung steht, auszukommen und keine weiteren Schulden zu machen. "Das Existenzminimum - jener Geldbetrag, der trotz Privatinsolvenz und Exekutionsverfahren unpfändbar ist und dem Schuldner zusteht - sei vor allem hinsichtlich der Inflation mit aktuell 1.030 Euro im Monat zu niedrig.
"Viele Menschen sprechen derzeit von einem Wohlstandsverlust, der durch die Teuerungen eintritt. Für unsere Klientinnen und Klienten ist es aber kein Wohlstandsverlust, sondern es droht ein Existenzverlust", sagt Lackenberger.
Maßnahmen gefordert
"Wir können jetzt verhindern, dass aus der Teuerungswelle eine Armutswelle wird. Wir müssen dem Mehr an Kosten mit einem Mehr an Hilfe, sozialer Wärme und Leistung entgegentreten", sagt Christoph Riedl, Generalsekretär der Caritas Diözese St. Pölten. Außerdem würde die Armut bereits jetzt in der Mittelschicht ankommen. Riedl appelliert auch an betroffene Personen, sich an die Beratungsstellen der Hilfsorganisationen, etwa auch der Caritas, zu wenden.
Das NÖ Armutsnetzwerk bring vier konkrete Forderungen, um der drohenden Armutswelle entgegenzuwirken. Ein Stopp der Abschaltungen der Energieanbieter soll verhindern, dass Personen in ihren Wohnungen frieren. Weiters fordert Barbara Bühler Reformen sowohl bei der Wohnbeihilfe als auch bei der Sozialhilfe. Die Wohnbeihilfe solle sich, ähnlich wie bei der Wohnbeihilfe Vorarlberg9, auf die Einkommenssituation der Person orientieren, also am Bedarf, nicht am bewohnten Objekt.
Dies soll den Kreis der Beziehenden ausweiten. Der Wohnanteil der Sozialhilfe sollte sich laut Bühler an den ortsüblichen Wohnkosten orientieren. Momentan sei dieser nämlich mit 391,18 Euro, womit man sich kaum irgendwo einen Wohnung leisten könne. Letztlich fordert das Armutsnetzwerk die Verankerung sozialer Rechte, etwa mit einem Bundesverfassungsgesetz für soziale Sicherheit.