EVN unter Polit-Beschuss: Kritik und Drohungen von Nehammer und Co.

Ein dickes Plus präsentierte der Landesenergieversorger EVN am Donnerstag: Zur Halbjahresbilanz stieg das Konzernergebnis zwischen Oktober 2022 und März 2023 im Jahresvergleich um 70,6 Prozent auf 214,7 Millionen Euro, wie die NÖN berichtete. Der Gewinn sei vor allem in Südosteuropa angefallen, auch internationale Umweltprojekte und der leichte Gewinn in der Energieerzeugung hätten eine Rolle gespielt, heißt es seitens EVN-Vorstand. In Österreich hingegen stehe man schlechter da.
Die EVN KG, die Vertriebsgesellschaft des Konzerns, hat nämlich erneut mit dem Verkauf von Strom und Gas keinen Gewinn erzielt, sondern ihre Miese von über 70 Millionen im ersten Quartal auf über 220 Millionen Euro zum Halbjahr vergrößert. Der Verlust sei aufgrund der "enormen Marktverwerfungen", notwendigen Rückstellungen und ungünstigen Stichtagsbewertungen entstanden, erklärt EVN-Vorstandsdirektor Stefan Szyszkowitz. Die EVN habe im Vorjahr 2022 zu stark gestiegenen Preisen Erdgas einkaufen müssen und könne die Beschaffungskosten nur zeitversetzt weitergeben - „nach unten wie nach oben“, sagt Szyszkowitz. Sinken die Großhandelspreise für Strom und Gas weiterhin so stark, werden im Herbst diese Preise in Form von Bindungsrabatten an die EVN-Kunden weitergereicht. Der EVN-Vorstand rechnet jedenfalls bis dahin mit einem Rückgang der Marktpreise bis zu 20 Prozent.
Bundeskanzler: „Lasse mich nicht länger papierln“
Das kräftige Plus der EVN AG sorgte dennoch für viel Kritik - von allen NÖ-Parteien und Spitzenpolitikern. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erklärte am Donnerstag in einer schriftlichen Stellungnahme: "Gewinne bei Energieversorgern sind genau das, was wir derzeit nicht brauchen. Stattdessen erwarte ich mir, dass sinkende Energiepreise schnellstmöglich an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden."
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer reagierte auf den EVN-Gewinn und drohte den Energieversorgern. „Ich lasse mich nicht länger papierln“, sagte er vor Medienvertretern. Sollten die sinkenden Großhandelspreise nicht bald an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden, „werden wir auch nicht davor zurückschrecken, auch weitere staatliche Eingriffe vorzunehmen“, meint der Kanzler. Welche das konkret sein könnten, sagte er auch auf Nachfrage nicht.
Die Energiepreise seien die größten Treiber der Inflation, was sich auch auf die Preise für Lebensmittel auswirke. Die Spirale müsse nun geschlossen werden. Die nunmehrigen Gesetzesbeschlüsse würden mit Juni in Kraft treten, der Sommer bringe für die Versorger dann die „Monate der Bewährung“, so Nehammer. Sie dürften sich nicht länger „eine goldene Nase verdienen“, es müsse wieder der Wettbewerb zählen.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sagte gegenüber der APA: "Die Bevölkerung hat kein Verständnis für Rekordgewinne bei Energieversorgern, vor allem, wenn diese mehrheitlich in öffentlicher Hand sind. Wir haben als Bundesregierung erst vor zwei Wochen die Gewinnabschöpfung verschärft, dennoch erwarte ich mir von allen Verantwortlichen, dass sie direkt als Unternehmen die Preise für Endkunden so rasch wie möglich senken."
NÖ-Parteien: „Preise runter!“ bis Komplettübernahme durch Land NÖ
Es gibt derzeit keine Partei in Niederösterreich, die sich nicht auf die EVN einschießt und eine Senkung der Strom- bzw. Gaspreise verlangt. Der designierte SPÖ-Landesparteichef Sven Hergovich findet, dass die EVN „in die Hände der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher“ gehört. NEOS-Landessprecherin Indra Collini hegt den Verdacht, dass dieses kräftige Plus ein Ergebnis aus gesunkenen Marktpreisen und künstlich hoch gehaltenen Stromtarifen sei. „Das Land muss eine Tarifsenkung durchsetzen“, so Collini und gleichzeitig auf die anteilige Sonderdividende in Höhe von 56 Millionen Euro verzichten. Die EVN schaffe es nicht, vernünftige Energiepreise anzubieten, das Land sei hier als Mehrheitseigentümer gefordert, heißt es von Grünen-Chefin Helga Krismer. Die Grünen in NÖ liebäugeln mit einer hundertprozentigen Übernahme der EVN durch das Land NÖ - analog zum steirischen Beispiel, wo das Land Steiermark im Februar alle Anteile der Energie Steiermark übernommen hat.
Preisgestaltung obliegt der Geschäftsführung
Derzeit hält das Land NÖ als Mehrheitseigentümer 51 Prozent der EVN AG, 28,4 Prozent gehören der Wiener Stadtwerke GmbH (Stadt Wien) und der Rest entfällt auf Kleinaktionäre, Streubesitz. Ein Mitspracherecht, was die Preisgestaltung, das operative Geschäft oder Strategisches angeht, hat das Land Niederösterreich direkt natürlich nicht. In einer Aktiengesellschaft (AG) wie der EVN gilt das Aktiengesetz, das drei sogenannte Organe festlegt: den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Der Vorstand leitet in eigener Verantwortung die Gesellschaft, er führt die Geschäfte und vertritt die AG. Als Aktionär kann das Land NÖ in der Hauptversammlung jedoch den EVN-Aufsichtsrat, der überwacht, hinterfragt und prüft, personell mitbestücken. ÖVP-Klubchef Jochen Danninger wird übrigens als heißer Kandidat für den Vizepräsidenten-Posten im EVN-Aufsichtsrat gehandelt.
Eine massive, nicht marktkonforme Preissenkung jedenfalls würde die Wettbewerbsbehörde (BWB) auf den Plan rufen - Stichwort: Preisdumping - und hätte für die Vorstände vermutlich unangenehme Folgen.