VfGH: Wahl in Kottingbrunn muss wiederholt werden

Erstellt am 14. Juli 2020 | 17:00
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Der VfGH hat über vier Anfechtungen der Gemeinderatswahlen in Niederösterreich entschieden. Die Wahl muss nur in einer Gemeinde wiederholt werden.
Foto: APA/Neubauer
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Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat über die Anfechtungen der Gemeinderatswahlen vom Jänner 2020 in vier Gemeinden in Niederösterreich entschieden: Nur die Wahl in Kottingbrunn muss wiederholt werden. Die Ergebnisse aus Langenrohr, Litschau und Marchegg sind gültig.

Der VfGH hat die Entscheidungen über die Wahlanfechtungen, die während der Beratungen im Juni getroffen worden waren, nun an die Verfahrensparteien zugestellt.

Das Ergebnis: Die Gemeinderatswahl in Kottingbrunn muss wiederholt werden. Als erfolgreich erwies sich die von der Wählergruppe „Neues Kottingbrunn“ eingebrachte Anfechtung der Gemeinderatswahl vom 26. Jänner dieses Jahres in der Gemeinde im Bezirk Baden. 

RSb-Brief nicht rechtswirksam zugestellt

Der von der Liste „Neues Kottingbrunn“ eingebrachte Wahlvorschlag war von der Gemeindewahlbehörde wegen fehlender Angaben zu den Kandidaten zur Verbesserung zurückgestellt worden. Dieser Verbesserungsauftrag war dem Listenführer aber nicht rechtswirksam zugestellt worden: Ein Gemeindebediensteter hatte den entsprechenden RSb-Brief zwar in den Briefkasten des Listenführers geworfen, aber nicht persönlich übergeben. Daher war nicht nachweisbar, an welchem Tag dieser die Verständigung erhalten hatte.

Die Wahlbehörde wies den Wahlvorschlag daher unzulässigerweise zurück. Das Wahlverfahren muss nunmehr „ab der Prüfung der eingelangten Wahlvorschläge“ wiederholt werden. 

"Unbegründet": Marchegg und Langenrohr

Unbegründet hingegen waren laut Ansicht des VfGH die Anfechtungen der Gemeinderatswahlen in Marchegg (Bezirk Gänserndorf) und Langenrohr (Bezirk Tulln).

In beiden Gemeinden hatte die SPÖ einen Wahlvorschlag eingebracht. Diese Wahlvorschläge wurden von den zuständigen Wahlbehörden jedoch zurückgewiesen, und zwar ohne einen Verbesserungsauftrag. Der Grund für die Zurückweisung: Wenigstens ein Kandidat, der auf dem Wahlvorschlag aufscheint, muss zuvor seiner Aufnahme in den Vorschlag zugestimmt haben. Das traf aber in beiden Fällen nicht zu.

Der VfGH stellte nun fest, dass die Nichtzulassung der Wahlvorschläge dem Gesetz entsprochen hatte, weil die Nominierung eines Kandidaten auf einer bestimmten Parteiliste ohne seine Zustimmung dem Grundsatz der Freiheit der politischen Willensbildung und Betätigung widerspräche. Eine solche Nominierung würde damit ihrerseits einen Grund für die Anfechtung (und Aufhebung) der Wahl bilden.

Gemeinderatswahl in Litschau: Anfechtung zurückgewiesen 

Die Wählergruppe „Bürgerbewegung Litschau“ hatte die Gemeinderatswahl in Litschau (Bezirk Gmünd) angefochten und dies damit begründet, dass das der Wahl zugrunde gelegte Wählerverzeichnis „gesetzwidrig erstellt“ worden sei.

In Niederösterreich muss eine Beschwerde wegen behaupteter „gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren“ zunächst bei der Landes-Hauptwahlbehörde erfolgen; erst der Bescheid dieser Behörde kann beim VfGH angefochten werden. Da sich die anfechtende Wählergruppe aber direkt an den VfGH gewandt hatte, wurde die Anfechtung als unzulässig zurückgewiesen.

Wählerverzeichnisse: Beschwerde ist auch nach der Wahl noch zulässig 

Über Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde betreffend die Aufnahme von Personen in Wählerverzeichnisse und die
Streichung von Personen aus Wählerverzeichnissen kann in Niederösterreich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht (LVwG) erhoben werden. Eine solche Beschwerde kann – so die Niederösterreichische Gemeinderatswahlordnung – „jeder Staatsbürger und jeder Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union“ einbringen; auf eine persönliche Betroffenheit kommt es nicht an. 

Der VfGH hat nunmehr klargestellt, dass das Beschwerdeverfahren vor dem LVwG den Zweck hat, die objektive Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Gemeindewahlbehörde zu überprüfen. Das bedeutet, dass über eine solche Beschwerde auch dann noch inhaltlich zu entscheiden ist, wenn die betreffende Wahl bereits stattgefunden hat.

Beschlüsse des LVwG aufgehoben

Im November 2019 wurde bei der Gemeindewahlbehörde beantragt, mehrere Personen aus dem Wählerverzeichnis für die Gemeinderatswahl in Litschau zu streichen. Nach mehreren Verfahrensschritten entschied das LVwG im März 2020, dass diese Beschwerden mittlerweile gegenstandslos geworden waren und stellte die Verfahren ein. Der VfGH hob diese Beschlüsse des LVwG nun als rechtswidrig auf.

Die Verpflichtung des LVwG, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen, bedeutet aber nicht, dass die Wahl in Litschau wiederholt werden muss; es ändert sich nichts daran, dass die Wahl im Jänner auf Basis des damals gültigen Wählerverzeichnisses stattgefunden hat.